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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0124
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3021

Vollblutpferd un lasse Keenen an die Gurten, immer vorneweg muß ick
sein, — sonst hau' ick aus.

Hobelfpälzne.

Ich bin der Schreiner Säge,

Den keine Drohung schreckt,

Und vor dem Zuchthaus hege
Ich keinerlei Respekt.

Kommt mir's, zu streiken, in den Sinn,
Alsdann — ich bin so frei
Und lege meinen Hobel hin,

Trotz Staat und Polizei.

Posadomsky behauptet, ein Regierungs-
vertreter könne keinen Arbeiterkongreß besuchen,
dessen Lokal mit rothen Fahnen geschmückt sei.
Wie sind diese Herren doch unbeholfen! Sie
brauchen ja nur eine blaue Brille aufzu-
setzen, dann sieht die Fahne braun aus.

Streng gegen Kanalbau verwahret sich
Der große ostclbische Bauer —

Es hoffet noch immer sein Spatzengehirn
Auf eine chinesische Mauer.

„Was man heutzutage einem alten Invaliden alles zumuthet!"
schimpfte Hohenlohe, da mußte er die Zuchthausvorlage vertreten.

Ragt irgend ein Stein aus dem Ozean,

Dehnt herrenlos sich eine Wüste,

Die Niemand begehret — der preußische Aar,

Er zeigt darnach Gelüste.

Der Mann im Monde seufzet schwer:

Ich kann nicht retirircn,

Bald kommt der Preuß' zu mir herauf,

Den Mond zu annektiren.

Puseke: Als Posadowsky seine Zuchthausrede jehalten hatte, joß
er eenen Jewaltigen hinter die Binde.

Duseke: Warum?

Puseke: Janz eenfach; weil er sich an seinem Erfolg doch nich
berauschen konnte.

Der deutsche Gouverneur von Kiautschau hat die Prügelstrafe bis
zu hundert Hieben daselbst eingeführt. Es fehlt nun nur noch, daß die
Streikbrecher'nach Kiautschau verschickt werden, dann brauchen wir keine
Zuchthausvorlage mehr. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

setzte er sich neben den Wirth auf die Bank und
vertiefte sich allmälig ganz in die Arbeit.

Da — horch! ... ein Säuseln ... ein
Klingen .., in die Blätter der Linde fuhr ein
Sturmwind vom dunkelblauen Himmel und aus
dem verworrenen Rauschen ertönte immer klarer...
drohender ... mächtig wie Orgelbrausen ... eine
Stimme: „Du aber sollst wandern, wie ich Dir
befohlen habe .. .^ruhelos ... bis an das Ende
der Tage ...! Stehe auf, Ahasverus ... ich
heiße Dich weiter gehen ...!" Entsetzt erhob der
Ewige Jude die Hände, seine verzweiflungsvolle
Gcberde schien um Erbarmen zu flehen und zu-
gleich eine trübselige Hoffnungslosigkeit auszu-
drücken. ... „Herr, warum lässest Du mir nicht
diese kleine Muße...?!"

Wie aus dem Boden gewachsen, stand plötzlich
ein Haufen Schutzleute vor ihm. „Sie sind Ar-
beitswilliger? Was? Sie stehen unter dem be-
sonderen Schutze des Gesetzes ...! Wer erlaubt
cs, Sie zu hindern?" schnarrten ihm ein Dutzend
Fragen entgegen. Ein elegant uniforiuirter Mann
trat rasch vor. „Legitimiren Sie sich ... bitte!
Da Sie Ausländer zu sein scheinen, wollen wir
Ihnen übrigens keine weiteren Schwierigkeiten
machen."

Ahasver griff in die Brusttasche seines Kaftans
und holte ein ehrwürdiges, zerknittertes Perga-
ment heraus, eine Konzession zum Betrieb eines
Sandalenhandels, die ihm noch von Herodes aus-
gestellt war. Der Polizeikommissär konnte zwar
die hebräischen Lettern nicht entziffern, doch flößte
ihm ein Amtsstempel zum Schluß der Urkunde
genügenden Respekt ein. „Alles in Ordnung",
sagte er würdevoll und reichte sie ihm zurück.
„Sie werden, wie ich bemerke, in Ihrer Arbeils-

willigkeit gestört? . . . Von wem? . . . Wer
wagt es, Sie zu terrorisiren...?!"

„Christus!" antwortete Ahasver tiefernst.

Betroffen schwieg der Beainte, um im nächsten
Augenblick seine ganze Energie wicderzufinden.
„Aeh ... lassen Sie sich nicht hindern ..,! Wer
Arbeitswillige aufreizt, kommt ins Zuchthaus....
Schutzleute, bilden Sie einen Kordon um den
Mann rum ...! Empfehle Ihnen Ihrer beson-
deren Sorgfalt...! Sprach's, klirrte die Sporen
zusammen und machte Kehrt.

Eine solche Schneidigkeit war dem Ewigen
Juden während des ganzen Mittelalters (die Neu-
zeit inbegriffen) nicht vorgekommen. Erschöpft
und beseligt lehnte er sein Haupt an den Garten-
zaun und harrte — harrte auf die Sterbestunde,
seine lang und heiß ersehnte Sterbestunde. Denn
er wußte, jetzt war sie nahe, das Auge des Zucht-
hausgesetzes wachte scharf über ihn....

Und wirklich, in selbiger Nacht um 8 42 Uhr
gab er seinen Geist - vorher aber noch einen
Brief an den Grafen Posadowskp auf, der ein
in den wärmsten Ausdrücken abgefaßtes Dank-
schreiben enthielt und ihn zum Universalerben
seines alten Mantels und Zedernsteckens einsetzte.
Ohne seine gütige Mitwirkung hätte er ja weiß
Gott wie lange noch herumhausiren müssen....

Gerührt las der Staatssekretär den Brief
einem befreundeten Geheimrath vor. „Und da
unterstehen sich diese Sozialisten, mir von.Opfern
des Zuchthauskurses' zu faseln!... Ist das da
nicht wieder ein eklatanter Beweis für die segens-
reiche Wirkung unserer Vorlage?! m. e.

IHir war noch niemals ä Ersetz so deier.

Ich ging fer geens so ricksichtslos ins Feier,

Als fer de neiste große Lchdaadsgunstbrowe.

Drohd ooch mit manchen Freinden ä Zerwürfnis,
Mir isses doch ä innerschdes Bedürfnis,

Daß ich das Werk un de Verfasser lowe.

Ich hawwe mich soford derfor entschieden
Un wenn de Rohden noch so sehre mieden
Un schon in voraus Lchdorm dergegen loofen —
was gann da sein? Lndschiedner gann un schneller.
Sich doch der Lchdaad die scheißlichen Rebeller,

Die Unheil brieden, gans unmeeglich koofen.

Fer unsereen isses de reene Wonne,
wennse de ganse schdoobige Golonne
Rach waldheem bring'n, nach Bletzensee un Zwicke,
Und wenn de Lache schief am Lnde ginge,
wemmer ä Messer grichden ohne Glinge,

Denn fehlts ähm ohm an needigen Geschicke.

Drum laßd uns beden, daß sich diese Lache
Zuletzd uff ürgend eene weise mache —

Lonst sein petschirt mer ohne Zweifel.

Uff andre Ard gann se der Lchdaad nich ducken.
Denn unverbesserlich sein ihre Mucken;

Ins Zuchdhaus miffense — die rohden Deifel!
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