MonnementsöedinMgen des Waßren Zacoö.
Alle Postämter nehmen Abonnementsbestellungen entgegen, ferner alle Buchhandlungen und Kolporteure.
Abonnementspreis pro Jahr M. 2.60, pro Quartal 65 Pfennig, preis pro Rümmer ^0 Pfennig.
Das Schicksal der Verfassung in Oesterreich.
in
nur
im Pi
h
L-IW
1 !>
fopaull^l j)j 1
Graf Thun: Ach, nur her da, es thut ja gar nicht rveh!
(Glühlichter, Wien.)
Merkwürdig: ein Kreis ist doch nie ein Winkel, — aber ein Kreis-
blatt ist immer ein Winkelblatt.
Hobelfgähne. '©vs>~
^ Ein deutscher Geheimrath, Minister sogar,
Doch aufrecht sein Nacken, sein Auge so klar,
Und unermeßlich sein Horizont —
Wer hat das wieder seit Goethe gekonnt?
Ein deutscher Geheimrath, Minister sogar,
Voll großer Gedanken, wie wunderbar!
Kein Rechtsverdreher, kein Charlatan —
Nehmt deutsche Minister ein Beispiel euch dran!
In Oesterreich werden bekanntlich Text-
theile aus den Zeitungen konfiszirt. In den
weißen Stellen der Blätter spiegelt sich die
zp.’j, Weißheit der Regierung ganz deutlich wieder.
S«.---
Der Regierung Lenkstern
In tausend Aengstern
Bleibt Herr v. Wenkstern!
Man sagt immer, daß der Liberalismus kein Prinzip habe. Das ist
durchaus falsch, — er hat seit langer Zeit an dem Prinzip „Rechts
gehen" unentwegt festgehalten.
Kompromisse schließen
Mag die verdrießen,
Für die es kein freier Entschluß
Sondern ein — Kompromuß!
Der alte Goethe, der so mancherlei wußte, hat einmal ausgerufen:
„Wie selten kommt ein König zu Verstand!" Es ist ein wahres Glück,
daß Goethe das gesagt hat und nicht ich, — womit ich verbleibe
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Blattes „Zwick-auf", der die Unverfrorenheit hatte,
zu behaupten, mein Porträt des Emirs sei eine er-
bärmliche Schmiererei und sähe dem Original
gar nicht ähnlich. Natürlich wurde das Blatt
konfiszirt, der Kritiker verhaftet, zum Tode ver-
urtheilt und auf offenem Markte enthauptet.
Ich hatte die Ehre, der Hinrichtung beizu-
wohncn und war tief gerührt. Denn ich sagte
mir: so viel wird selbst in Deutschland nicht für
die Kunst gethan.
Mich drängte nun mein Genius, auch auf
anderen Gebieten der Kunst Lorbeeren zu suchen.
Zuerst dachte ich daran, eine große Oper zu kom-
poniren, aber ich, erfuhr noch rechtzeitig , daß der
Emir selbst komponire. Ich war also gerne bereit,
ihm dieses Fach allein zu überlassen.
Darauf warf ich mich der Dichtkunst in die
Arme und projektirte ein historisches Drama,
dem« ich hatte gehört, daß dieser Artikel an Höfen
viel Anklang findet. Ich bestellte mir eine Ge-
schichte von Afghanistan, dazu eine Gebrauchs-
anweisung von der Firma Wildenbruch und Laufs
in Berlin und machte mich alsbald an die Arbeit.
Zum Helden meines Dramas wählte ich einen
ruhmreichen Vorfahren des regierenden Emirs,
nämlich den Emir Dost Mohammed, der sich in
der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts mit den
Engländern herumschlug und sich einiges Ver-
dienst um die Einheit und Größe Afghanistans
erwarb.
Ich titulirte ihn Mohammed den Großen
und verwandelte alle seine Schlappen, die er
durch die Engländer erlitten hat, in glorreiche
Siege. Seine englische Gefangenschaft verschwieg
ich weislich und ließ ihn dafür die Königin von
England gefangen nehmen. Die verrätherische
Niedermetzelung der Europäer, welche sich zu
jener Zeit ereignete, stellte ich als einen groß-
artigen, schwer errungenen Sieg dar, und die
Rebellion in Kabul, welche Mohammeds Sohn
Mbar anzettelte, schrieb ich einfach den Sozial-
demokraten zu. Ich ließ in meinem Drama diesen
Ausstand durch die Ordnungsbehörden Nieder-
schlagen und verwandte den Rädelsführer zu einein
packenden Aktschluß, indem ich ihn auf offener
Szene durch vier Apfelschimmel viertheilen ließ.
(Diese etwas heikle Rolle muß stets ein zunr
Tode vernrtheilter Preßverbrecher spielen.) Der
Schluß des Stückes zeigt Emir Mohammed den
Großen, auf einer Pyramide von europäischen
Feindesköpfen thronend, in bengalischer Beleuch-
tung; die Musik spielt die afghanische National-
hymne.
Als ich dieses Stück vollendet und dein Polizci-
direktor, der nebenbei als Hoftheater-Jntendant
fungirt, eingereicht hatte, war mein Erfolg schon
entschieden. Der Polizeidirektor schlug vor Freude
sechs Purzelbäuine, die Zensoren zerbrachen ihre
Scheren, warfen ihre Rothstiftc in den Kabul-
strom, daß er sich roth färbte, wie Dichterblut,
und rühmten mein großes Werk. Der Premier-
minister ließ es sich vorlesen, ivar entzückt und
ernannte mich zuin Hof- und Hansdichter der
afghanischen Dynastie.
Es erging sodann an alle Hof- und Stadt-
theater des Landes der Befehl, mein historisches
Drama zur Aufführung zu bringen. Städte, die
kein Theater besaßen, mußten eigens zu diesen«
Zwecke eins bauen. Im Regiernngsanzeiger ivurde
verkündet, daß das Stück in historischer Wahr-
heit den Heldengang Mohammeds des Großen dar-
stelle, und daß Jeder wegen Majestätsbeleidigung
bestraft werde, der es wage, der Aufführung fern
zu bleiben. Die Schauspieler «vurden durch An-
drohung von Prügelstrafe genöthigt, ihre Rollen
sorgsain zu lernen, und ein Theaterdirektor, «velcher
sich «veigerte, das Stück zu geben, «veil seine Bühne
dafür zu klein sei, «mitte als Hochverräther auf-
gehenkt.
Nach diesen Vorbereitungen kairn inan die
! Größe meines künstlerischen Erfolges ermessen.
I Das Publikum, von Gendarmen beaufsichtigt,
applaudirte wie rasend, ich ivurde «nit Blumen
überschüttet, die Zeitungen brachten meine Bio-
I graphie und erzählten Anekdoten aus meiner
Kindheit, nach ivelchen ich schon ein großer Dichter
gewesen sei, bevor ich lesen und schreiben konnte;
ich bekam ein weiteres Dutzend Orden und «nit
der europäischen Post traf pünktlich der diesjährige
Schillerpreis ein.
So leicht ist es, in Afghanistan Dichterruhm
zu erwerben, wenn man den Stoff geschickt zu
wählen und die geschichtliche Wahrheit zu korrigiren
versteht!
Noch hallt das Land von meinein Ruhme
«vieder und schon wage ich einen neuen Schritt
in «neiner Künstlerlaufbahn. Ich habe «nir aus
Italien eine Anzahl ungeheurer Marmorblöcke
verschrieben, denn ich will mich jetzt als Bild-
hauer versuchen, und gedenke die Rathgcber und
Höflinge des Emirs sämmtlich ausznhauen.
Sie haben es wirklich verdient.
EF ist ein Jammer!
Lin schwindsüchtiges Klagelied von Jeremias.
Der Sinn kür Gottesgnadenthum
Siecht schmählich bi» zum Scbattcn,
Drotz Dsebindara und «Sum-Bum-Wum,
"Trotz Stock und «Kasematten;
Mine' nicht der Dichterhauptmann Lunik,
Gleich kroch ich an der Mand hinauk,
vlm in der höchsten Ecken
llhich seufzend zu verstecken ...
Der koloniale «uth «ird schlapp,
Von Sehirindsucht jäh ergriffen,
Er knappt schon die /Moneten ah
Zu zklinten und zu Schilfen!
Einsam und müssig sprosst empor
In Lhina bald das Oamhusrohr,
Statt die «Kultur der Deutschen
Den Gelbe» cinzupeitschcn!
«Und immer tiefer frisst das Gift
Dem Volk sich in die «Knochen,
Dem alten Glauben an die Schrift
Ist längst die «Kraft gebrochen;
«kaum ist das Innungsmeisterlcin
Deut Königs-, staatsgetreu und rein,
Mas hilft gen die Eazillenl
Mur «Kardorff-Stumm'sehe «Pillen! m. e.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Vaßler in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Rachf. (G. in. b.H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.
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Das Schicksal der Verfassung in Oesterreich.
in
nur
im Pi
h
L-IW
1 !>
fopaull^l j)j 1
Graf Thun: Ach, nur her da, es thut ja gar nicht rveh!
(Glühlichter, Wien.)
Merkwürdig: ein Kreis ist doch nie ein Winkel, — aber ein Kreis-
blatt ist immer ein Winkelblatt.
Hobelfgähne. '©vs>~
^ Ein deutscher Geheimrath, Minister sogar,
Doch aufrecht sein Nacken, sein Auge so klar,
Und unermeßlich sein Horizont —
Wer hat das wieder seit Goethe gekonnt?
Ein deutscher Geheimrath, Minister sogar,
Voll großer Gedanken, wie wunderbar!
Kein Rechtsverdreher, kein Charlatan —
Nehmt deutsche Minister ein Beispiel euch dran!
In Oesterreich werden bekanntlich Text-
theile aus den Zeitungen konfiszirt. In den
weißen Stellen der Blätter spiegelt sich die
zp.’j, Weißheit der Regierung ganz deutlich wieder.
S«.---
Der Regierung Lenkstern
In tausend Aengstern
Bleibt Herr v. Wenkstern!
Man sagt immer, daß der Liberalismus kein Prinzip habe. Das ist
durchaus falsch, — er hat seit langer Zeit an dem Prinzip „Rechts
gehen" unentwegt festgehalten.
Kompromisse schließen
Mag die verdrießen,
Für die es kein freier Entschluß
Sondern ein — Kompromuß!
Der alte Goethe, der so mancherlei wußte, hat einmal ausgerufen:
„Wie selten kommt ein König zu Verstand!" Es ist ein wahres Glück,
daß Goethe das gesagt hat und nicht ich, — womit ich verbleibe
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Blattes „Zwick-auf", der die Unverfrorenheit hatte,
zu behaupten, mein Porträt des Emirs sei eine er-
bärmliche Schmiererei und sähe dem Original
gar nicht ähnlich. Natürlich wurde das Blatt
konfiszirt, der Kritiker verhaftet, zum Tode ver-
urtheilt und auf offenem Markte enthauptet.
Ich hatte die Ehre, der Hinrichtung beizu-
wohncn und war tief gerührt. Denn ich sagte
mir: so viel wird selbst in Deutschland nicht für
die Kunst gethan.
Mich drängte nun mein Genius, auch auf
anderen Gebieten der Kunst Lorbeeren zu suchen.
Zuerst dachte ich daran, eine große Oper zu kom-
poniren, aber ich, erfuhr noch rechtzeitig , daß der
Emir selbst komponire. Ich war also gerne bereit,
ihm dieses Fach allein zu überlassen.
Darauf warf ich mich der Dichtkunst in die
Arme und projektirte ein historisches Drama,
dem« ich hatte gehört, daß dieser Artikel an Höfen
viel Anklang findet. Ich bestellte mir eine Ge-
schichte von Afghanistan, dazu eine Gebrauchs-
anweisung von der Firma Wildenbruch und Laufs
in Berlin und machte mich alsbald an die Arbeit.
Zum Helden meines Dramas wählte ich einen
ruhmreichen Vorfahren des regierenden Emirs,
nämlich den Emir Dost Mohammed, der sich in
der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts mit den
Engländern herumschlug und sich einiges Ver-
dienst um die Einheit und Größe Afghanistans
erwarb.
Ich titulirte ihn Mohammed den Großen
und verwandelte alle seine Schlappen, die er
durch die Engländer erlitten hat, in glorreiche
Siege. Seine englische Gefangenschaft verschwieg
ich weislich und ließ ihn dafür die Königin von
England gefangen nehmen. Die verrätherische
Niedermetzelung der Europäer, welche sich zu
jener Zeit ereignete, stellte ich als einen groß-
artigen, schwer errungenen Sieg dar, und die
Rebellion in Kabul, welche Mohammeds Sohn
Mbar anzettelte, schrieb ich einfach den Sozial-
demokraten zu. Ich ließ in meinem Drama diesen
Ausstand durch die Ordnungsbehörden Nieder-
schlagen und verwandte den Rädelsführer zu einein
packenden Aktschluß, indem ich ihn auf offener
Szene durch vier Apfelschimmel viertheilen ließ.
(Diese etwas heikle Rolle muß stets ein zunr
Tode vernrtheilter Preßverbrecher spielen.) Der
Schluß des Stückes zeigt Emir Mohammed den
Großen, auf einer Pyramide von europäischen
Feindesköpfen thronend, in bengalischer Beleuch-
tung; die Musik spielt die afghanische National-
hymne.
Als ich dieses Stück vollendet und dein Polizci-
direktor, der nebenbei als Hoftheater-Jntendant
fungirt, eingereicht hatte, war mein Erfolg schon
entschieden. Der Polizeidirektor schlug vor Freude
sechs Purzelbäuine, die Zensoren zerbrachen ihre
Scheren, warfen ihre Rothstiftc in den Kabul-
strom, daß er sich roth färbte, wie Dichterblut,
und rühmten mein großes Werk. Der Premier-
minister ließ es sich vorlesen, ivar entzückt und
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afghanischen Dynastie.
Es erging sodann an alle Hof- und Stadt-
theater des Landes der Befehl, mein historisches
Drama zur Aufführung zu bringen. Städte, die
kein Theater besaßen, mußten eigens zu diesen«
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verkündet, daß das Stück in historischer Wahr-
heit den Heldengang Mohammeds des Großen dar-
stelle, und daß Jeder wegen Majestätsbeleidigung
bestraft werde, der es wage, der Aufführung fern
zu bleiben. Die Schauspieler «vurden durch An-
drohung von Prügelstrafe genöthigt, ihre Rollen
sorgsain zu lernen, und ein Theaterdirektor, «velcher
sich «veigerte, das Stück zu geben, «veil seine Bühne
dafür zu klein sei, «mitte als Hochverräther auf-
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Nach diesen Vorbereitungen kairn inan die
! Größe meines künstlerischen Erfolges ermessen.
I Das Publikum, von Gendarmen beaufsichtigt,
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I graphie und erzählten Anekdoten aus meiner
Kindheit, nach ivelchen ich schon ein großer Dichter
gewesen sei, bevor ich lesen und schreiben konnte;
ich bekam ein weiteres Dutzend Orden und «nit
der europäischen Post traf pünktlich der diesjährige
Schillerpreis ein.
So leicht ist es, in Afghanistan Dichterruhm
zu erwerben, wenn man den Stoff geschickt zu
wählen und die geschichtliche Wahrheit zu korrigiren
versteht!
Noch hallt das Land von meinein Ruhme
«vieder und schon wage ich einen neuen Schritt
in «neiner Künstlerlaufbahn. Ich habe «nir aus
Italien eine Anzahl ungeheurer Marmorblöcke
verschrieben, denn ich will mich jetzt als Bild-
hauer versuchen, und gedenke die Rathgcber und
Höflinge des Emirs sämmtlich ausznhauen.
Sie haben es wirklich verdient.
EF ist ein Jammer!
Lin schwindsüchtiges Klagelied von Jeremias.
Der Sinn kür Gottesgnadenthum
Siecht schmählich bi» zum Scbattcn,
Drotz Dsebindara und «Sum-Bum-Wum,
"Trotz Stock und «Kasematten;
Mine' nicht der Dichterhauptmann Lunik,
Gleich kroch ich an der Mand hinauk,
vlm in der höchsten Ecken
llhich seufzend zu verstecken ...
Der koloniale «uth «ird schlapp,
Von Sehirindsucht jäh ergriffen,
Er knappt schon die /Moneten ah
Zu zklinten und zu Schilfen!
Einsam und müssig sprosst empor
In Lhina bald das Oamhusrohr,
Statt die «Kultur der Deutschen
Den Gelbe» cinzupeitschcn!
«Und immer tiefer frisst das Gift
Dem Volk sich in die «Knochen,
Dem alten Glauben an die Schrift
Ist längst die «Kraft gebrochen;
«kaum ist das Innungsmeisterlcin
Deut Königs-, staatsgetreu und rein,
Mas hilft gen die Eazillenl
Mur «Kardorff-Stumm'sehe «Pillen! m. e.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Vaßler in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Rachf. (G. in. b.H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.