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England ronlra Transvaal.
Thamberlain führt John Bull in den Krieg.
(Morning Leader, London.)
Die Gewalt ist der Wirth und der letzte Akteur die Zeche,
Wenn sich die Gnade erbricht, — fetzt sich das Recht erst zu Tisch.
-cvt? Hobelspahnr.
Ich bin der Schreiner Säge,
Bekannt im ganzen Land,
Heut' ruf' ich aus: es lebe
Der Holzarbeiterstand!
Die Bretter sind gerichtet,
Das Maß genommen schon.
Wir schaffen flott und munter
Am Sarg der Reaktion!
Jetzt sollen sie unfern Schutzmann v. d. Recke
bei seinem Amtsantritt in Westfalen sogar mit
Fackeln empfangen haben. Wahrscheinlich wollen
sie ihn damit wieder hinausräuchern.
Halt' Frankreichs Militärjustiz
Nur nicht für hoffnungslos verwildernd;
Hat Einer dort nichts angestellt,
So gilt das immer noch als mildernd.
*
Es ist eine falsche Taktik, die Konservativen vom Hofe zu verscheuchen.
An die Kette sollte man sie legen!
Der schneidigste aller Richter
Herr Brausewetter war,
Die Sozialisten verschlang er
Gleichsam mit Haut und Haar,
Gestorben ist er im Wahnsinn,
Doch unheildrohend kreist
In manchem Gerichtssaal noch immer
Des Brausewetters Geist.
Ganz geheuer sind mir die aus Gesundheitsrücksichten pensionirten
Minister und Landräthe nie vorgekommen. Es sollen jetzt wieder einige
Individuen vorhanden sein, die sich bei näherer Betrachtung ihrer amt-
lichen Thätigkeit krank gelacht haben.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
IV,
„Wie kommt es", fragte eines Tages ein
Tramwaypferd den elektrischen Funken, „daß du
ein so wohliges Leben führst? Man bahnt dir
eigene Wege, sorgt in riesigen Werken für deine
Entwicklung, ehrt dich allenthalben als den Genius
des Jahrhunderts — indeß ich, der ich auf eine
uralte Vergangenheit im Dienste der Menschheit
zurückblicke, kaum mein Dasein fristen kann?"
„Das kommt davon", summte es aus dem
Leitungsdraht, „weil ich Jeden Niederschlage, der
mir zu nahe tritt. Und zu Würsteln verarbeiten
lasse ich mich schon gar nicht, wie du, du dummes
Roß! ..."
Da wurde das Tramwaypferd sehr nach-
denklich.
v.
Strahlend vor Stolz stand ein Schutzmann
an der Straßenecke. Und er hatte auch Ursache,
zu strahlen. Heute trug er zum ersten Male seine
nagelneue Uniform, und der Helm, die Knöpfe,
der Säbel funkelten in der Sonne, daß es eine
Pracht war.
Da ließ eine Taube ihm etwas auf den
Kragen fallen. Erzürnt fuhr der Schutzmann
in die Höhe und erklärte die Taube wegen Be-
leidigung für arretirt.
„Ach lass' doch", flehte die Taube, „ich habe
ja aus unwiderstehlichem Zwange ge-
handelt! ..."
„Dann mag es hingehn", sagte der Schutz-
mann, der wie alle Schutzmänner ein genauer
Kenner und Hüter des Gesetzes war.
Aera Posadowsky.
Richter (rum Angeklagten): Haben Sie schon
Vorstrafen erlitten?
Angeklagter: Jawohl. Zehn Jahre Zucht-
haus.
Richter: Wegen Aufreizung zum Streik?
Angeklagter: Rein.
Richter: Also sind Sie noch unbescholten...!
Schuhpalrone.
Ls hat in Deutschland Jeder
Wohl seinen Schutzpatron:
Der Thron beschützt die Kirche,
Die Kirche schützt den Thron.
Das Heer beschützt die Kreuzen,
Und nebenbei noch muß
Ls uns vor Wohlstand schützen
Und gegen Ueberfluß.
Zum Schutze gegen Freiheit
Der Schutzmann wird benützt,
Run fehlt noch Liner, welcher
Uns vor dem Schutzmann schützt.
Zwei Briefe.
Der Maurer Pillecke, der gerade den Streik
gegen eine königliche Werft leitete, erhielt eines
Tages folgendes amtliche Schreiben:
„Ew. Hochwohlgeboren! Das königliche Obersthofmeister-
amt bedauert sehr. Ihnen, sowie Ihrer Frau Gemahlin mit-
theilen zu müssen, daß in Folge Ihrer widersetzlichen Haltung
gegen die königliche Regierung von Einladungen zu Festlich-
keiten bei Hofe werde Abstand genommen werden müssen.
Der Intendant:
(Unterschrift unleserlich)."
Der in demselben Hause vier Etagen tiefer
wohnende Landrath und Abgeordnete von Pillecke
erhielt gleichfalls ein amtliches Schreiben mit nach-
stehendem Inhalt:
„Herrn Pillecke, hier. Wegen fortgesetzten Widerstands
gegen die königliche Negierung erhalten sie auf diesem Wege
vermittelst Strafmandates drei Tage Arrest zudiktirt mit dem
Bemerken, daß Sie im Falle Ihrer Nichtfolgeleistung durch
Gendarmen an Ort und Stelle geschafft werden.
Kgl. Kreisgericht."
Die Sache hat sich bald aufgeklärt. Der
Maurer mußte drei Tage brummen und der
Landrath erhielt — Wartegeld.
Frankreich und Deutschland.
Der Dreyfus kam auf freien Fuß, —
Bei uns jedoch — Schuldlos im Loch — Sitzt
immer noch — Gar mancher Zweifuß, — Als
ein Gerechter — Wahrheitsfechter — Und hat
es schlechter — Als mancher Vierfuß!
Die Laufbahn eines Millionärs.
(Frei nach den Nekrologen bürgerlicher Familienblätter auf
Vanderbilt.)
Wie weit man es durch eisernen Fleiß und
strenge Gewissenhaftigkeit bringen kann, das lehrt
wieder so recht die Lebensgeschichte des kürzlich
verschiedenen Mr. Gaston. Derselbe kam als
blutarmer Knabe an einem Winterabend nach
Philadelphia. Er war kümmerlich bekleidet und
besaß blos zwei geflickte Schuhe. Von diesen ver-
setzte er den linken, um sich aus dem Erlös einen
kleinen Zündhölzchenhandel gründen zu können.
Ein volles Jahr lang bot er an einer Straßen-
ecke den Passanten seine Waare feil, Schneestürmen
und Sonnengluthen mit gleicher Ausdauer trotzend.
Er versagte sich jedes, selbst das bescheidenste Ver-
gnügen, und so gelang es ihm, nach und nach
einige Summen bei Seite zu legen. Als er am
Ende des ersten Jahres seine Baarschaft zusammen-
zählte, fand er, daß er sich über eine Million
Dollars erspart hatte. Wer war froher als unser
kleiner Gaston? Er löste nun den anderen Stiefel
aus und hielt um die Hand der steinreichen Miß
Astor an, welche den schlichten, pflichteifrigen
Jungen, noch als er an der Straßenecke stand,
liebgewonnen und an seinen Zündhölzchen ihr
Herz entzündet hatte. Papa gab ihr vierzig Schnell-
züge nebst Speise- und Schlafwaggons zur Aus-
stattung mit und schenkte auch seinem Schwieger-
sohn zwei Dampfschiffslinien. Damit hatte die
Zeit der Entbehrung für immer ein Ende ge-
sunden. So bietet uns Mr. Gaston das leuch-
tende Vorbild eines Mannes, der es aus un-
scheinbaren Anfängen durch eigene Kraft und
Tüchtigkeit zu einer beneidenswerthen Lebens-
stellung brachte. m. e.
Verantwortlich siir die Redaktion Georg Bastler in Stuttgart. - Verlag »nd Druck non I. H. SB. Dietz Rachf. (G. m.b. H.> in Stuttgart, Fnrthbachstraße 12.
England ronlra Transvaal.
Thamberlain führt John Bull in den Krieg.
(Morning Leader, London.)
Die Gewalt ist der Wirth und der letzte Akteur die Zeche,
Wenn sich die Gnade erbricht, — fetzt sich das Recht erst zu Tisch.
-cvt? Hobelspahnr.
Ich bin der Schreiner Säge,
Bekannt im ganzen Land,
Heut' ruf' ich aus: es lebe
Der Holzarbeiterstand!
Die Bretter sind gerichtet,
Das Maß genommen schon.
Wir schaffen flott und munter
Am Sarg der Reaktion!
Jetzt sollen sie unfern Schutzmann v. d. Recke
bei seinem Amtsantritt in Westfalen sogar mit
Fackeln empfangen haben. Wahrscheinlich wollen
sie ihn damit wieder hinausräuchern.
Halt' Frankreichs Militärjustiz
Nur nicht für hoffnungslos verwildernd;
Hat Einer dort nichts angestellt,
So gilt das immer noch als mildernd.
*
Es ist eine falsche Taktik, die Konservativen vom Hofe zu verscheuchen.
An die Kette sollte man sie legen!
Der schneidigste aller Richter
Herr Brausewetter war,
Die Sozialisten verschlang er
Gleichsam mit Haut und Haar,
Gestorben ist er im Wahnsinn,
Doch unheildrohend kreist
In manchem Gerichtssaal noch immer
Des Brausewetters Geist.
Ganz geheuer sind mir die aus Gesundheitsrücksichten pensionirten
Minister und Landräthe nie vorgekommen. Es sollen jetzt wieder einige
Individuen vorhanden sein, die sich bei näherer Betrachtung ihrer amt-
lichen Thätigkeit krank gelacht haben.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
IV,
„Wie kommt es", fragte eines Tages ein
Tramwaypferd den elektrischen Funken, „daß du
ein so wohliges Leben führst? Man bahnt dir
eigene Wege, sorgt in riesigen Werken für deine
Entwicklung, ehrt dich allenthalben als den Genius
des Jahrhunderts — indeß ich, der ich auf eine
uralte Vergangenheit im Dienste der Menschheit
zurückblicke, kaum mein Dasein fristen kann?"
„Das kommt davon", summte es aus dem
Leitungsdraht, „weil ich Jeden Niederschlage, der
mir zu nahe tritt. Und zu Würsteln verarbeiten
lasse ich mich schon gar nicht, wie du, du dummes
Roß! ..."
Da wurde das Tramwaypferd sehr nach-
denklich.
v.
Strahlend vor Stolz stand ein Schutzmann
an der Straßenecke. Und er hatte auch Ursache,
zu strahlen. Heute trug er zum ersten Male seine
nagelneue Uniform, und der Helm, die Knöpfe,
der Säbel funkelten in der Sonne, daß es eine
Pracht war.
Da ließ eine Taube ihm etwas auf den
Kragen fallen. Erzürnt fuhr der Schutzmann
in die Höhe und erklärte die Taube wegen Be-
leidigung für arretirt.
„Ach lass' doch", flehte die Taube, „ich habe
ja aus unwiderstehlichem Zwange ge-
handelt! ..."
„Dann mag es hingehn", sagte der Schutz-
mann, der wie alle Schutzmänner ein genauer
Kenner und Hüter des Gesetzes war.
Aera Posadowsky.
Richter (rum Angeklagten): Haben Sie schon
Vorstrafen erlitten?
Angeklagter: Jawohl. Zehn Jahre Zucht-
haus.
Richter: Wegen Aufreizung zum Streik?
Angeklagter: Rein.
Richter: Also sind Sie noch unbescholten...!
Schuhpalrone.
Ls hat in Deutschland Jeder
Wohl seinen Schutzpatron:
Der Thron beschützt die Kirche,
Die Kirche schützt den Thron.
Das Heer beschützt die Kreuzen,
Und nebenbei noch muß
Ls uns vor Wohlstand schützen
Und gegen Ueberfluß.
Zum Schutze gegen Freiheit
Der Schutzmann wird benützt,
Run fehlt noch Liner, welcher
Uns vor dem Schutzmann schützt.
Zwei Briefe.
Der Maurer Pillecke, der gerade den Streik
gegen eine königliche Werft leitete, erhielt eines
Tages folgendes amtliche Schreiben:
„Ew. Hochwohlgeboren! Das königliche Obersthofmeister-
amt bedauert sehr. Ihnen, sowie Ihrer Frau Gemahlin mit-
theilen zu müssen, daß in Folge Ihrer widersetzlichen Haltung
gegen die königliche Regierung von Einladungen zu Festlich-
keiten bei Hofe werde Abstand genommen werden müssen.
Der Intendant:
(Unterschrift unleserlich)."
Der in demselben Hause vier Etagen tiefer
wohnende Landrath und Abgeordnete von Pillecke
erhielt gleichfalls ein amtliches Schreiben mit nach-
stehendem Inhalt:
„Herrn Pillecke, hier. Wegen fortgesetzten Widerstands
gegen die königliche Negierung erhalten sie auf diesem Wege
vermittelst Strafmandates drei Tage Arrest zudiktirt mit dem
Bemerken, daß Sie im Falle Ihrer Nichtfolgeleistung durch
Gendarmen an Ort und Stelle geschafft werden.
Kgl. Kreisgericht."
Die Sache hat sich bald aufgeklärt. Der
Maurer mußte drei Tage brummen und der
Landrath erhielt — Wartegeld.
Frankreich und Deutschland.
Der Dreyfus kam auf freien Fuß, —
Bei uns jedoch — Schuldlos im Loch — Sitzt
immer noch — Gar mancher Zweifuß, — Als
ein Gerechter — Wahrheitsfechter — Und hat
es schlechter — Als mancher Vierfuß!
Die Laufbahn eines Millionärs.
(Frei nach den Nekrologen bürgerlicher Familienblätter auf
Vanderbilt.)
Wie weit man es durch eisernen Fleiß und
strenge Gewissenhaftigkeit bringen kann, das lehrt
wieder so recht die Lebensgeschichte des kürzlich
verschiedenen Mr. Gaston. Derselbe kam als
blutarmer Knabe an einem Winterabend nach
Philadelphia. Er war kümmerlich bekleidet und
besaß blos zwei geflickte Schuhe. Von diesen ver-
setzte er den linken, um sich aus dem Erlös einen
kleinen Zündhölzchenhandel gründen zu können.
Ein volles Jahr lang bot er an einer Straßen-
ecke den Passanten seine Waare feil, Schneestürmen
und Sonnengluthen mit gleicher Ausdauer trotzend.
Er versagte sich jedes, selbst das bescheidenste Ver-
gnügen, und so gelang es ihm, nach und nach
einige Summen bei Seite zu legen. Als er am
Ende des ersten Jahres seine Baarschaft zusammen-
zählte, fand er, daß er sich über eine Million
Dollars erspart hatte. Wer war froher als unser
kleiner Gaston? Er löste nun den anderen Stiefel
aus und hielt um die Hand der steinreichen Miß
Astor an, welche den schlichten, pflichteifrigen
Jungen, noch als er an der Straßenecke stand,
liebgewonnen und an seinen Zündhölzchen ihr
Herz entzündet hatte. Papa gab ihr vierzig Schnell-
züge nebst Speise- und Schlafwaggons zur Aus-
stattung mit und schenkte auch seinem Schwieger-
sohn zwei Dampfschiffslinien. Damit hatte die
Zeit der Entbehrung für immer ein Ende ge-
sunden. So bietet uns Mr. Gaston das leuch-
tende Vorbild eines Mannes, der es aus un-
scheinbaren Anfängen durch eigene Kraft und
Tüchtigkeit zu einer beneidenswerthen Lebens-
stellung brachte. m. e.
Verantwortlich siir die Redaktion Georg Bastler in Stuttgart. - Verlag »nd Druck non I. H. SB. Dietz Rachf. (G. m.b. H.> in Stuttgart, Fnrthbachstraße 12.