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3096

Kraft ttttö List.

Lin zeitgemäßes Kleichniß von Rudolf lkavant.

Ao War es recht, mein edler, stolzer Leu,

Denn furchtlos war und trotzig deine Haltung
Im ersten Akt des Kampfes mit der Schlange! -
Als sie weit auf den gift'gen Rachen riß
Und, gierig züngelnd, aus den kleinen Augen
voll wilder Tücke das erkorne Opfer
Anfunkelte, da bannte sie dich nicht,

Denn nur dem Namen nach kennst du die Furcht.
Wohl zucktest du im ersten Augenblick
Zusammen, doch vor Reberraschung nur,

Denn Trotz und Kampflust war die zweite Regung
And jeden Muskel, jede Sehne spanntest
Du unwillkürlich für den Riesenkampf
Auf Tod und Leben. Der verhaßten Blick
Ist an dem deinen hilflos abgeprallt,
wie am Gemäuer ein verirrter Pfeil.

Du maßest sie mit einem finstern Blick
voll Ekel, Paß und gründlicher Verachtung,

And regungslos, als ob ein Grzgebild
Man in der wildniß Mitte ausgestellt,

Sahst ihrem Angriff ruhig du entgegen.

Sie kannte dich; sie hatte oft versucht,

In ihre mächt'gen Ringe zu verstricken

Den edlen Gegner und ihn todt zu drücken
In fürchterlicher Pressung. Nie gelang's
Knd die Grinn'rung an die alten Kämpfe
Schien schwankend sie zu machen und verzagt.
Sie zauderte, dann aber schoß sie zu,

Als müsse dies Mal ihren gift'gen Zahn
Ins Fleisch sie schlagen ihrem stolzen Feind,
Urplötzlich lähmend seine Lebenskraft,

Um dann allmälig in des Leibes Ringen
Die Knochen zu zerbrechen. Eitler Wahn!

Ein pieb der Pranke traf des Scheusals Paupt
Und wie vom Blitz getroffen fuhr die Wunde
In wildem Schmerz in ihr versteck zurück.

Du hast sie hübsch zerfetzt; sie wird gedenken
An diesen Tag — doch sei auf deiner put!

Sie ist nicht todt, ob noch so gut getroffen,

Knd wiegst du dich in falsche Sicherheit,

So läufst du nach dem Kampfe noch Gefahr,
Daß sie urplötzlich auf dich niederschießt.

Zu ihrem alten Passe kommt die wuth,

Der bitt're Schmerz ob ihrer Niederlage;

Falsch ist die Schlange, tückisch und verbissen
Knd unversöhnlich. Löwe, hüte dich!

Es ist keine Kunst, Reden zu halten — wenn
Niemand zu widersprechen wagt.

Ist schon einmal ein Krieg auf Erden zum
Nutzen des Volkes geführt worden? Nein. —
Denn solche Kriege nannte man allemal Revo-
lutionen. ,

Der Lrichenbummler.

Humoreske von <£f>. Braun.

Der pensionirte
Kollegien - Registra-
tor Hungerbein
machte seinem Na-
men alle Ehre, in-
dem er vor Hunger
täglich schmäler
wurde, was auch bei
einer Pension von
fünfundzwanzig
Mark monatlich eben
kein Wunder ist.

Freilich werden
bevorzugte Philo-
sophen erklären, daß
man bescheidener-
maßen mit vorge-
nannter Summe genügend auskomnien könne
— der Mensch lebe ja nicht, um zu essen, son-

dern esse, um zu leben — und was der schönen
Redensarten mehr sind; wir aber können uns
nur an die Thatsache des Magerwerdens unseres
Helden halten und hoffen durch dieses Faktum
alle Einwürfe streitsüchtiger Eiferer widerlegt zu
haben.

Hungerbein speiste, wie sich denken läßt, nicht
bei dem ersten Restaurateur seiner Vaterstadt,
sondern vielmehr bei dessen Antipoden, einem
wackeren Kellermirth, der den zahlreichen An-
gehörigen einer schlechter situirten Majorität eine
mehr derbe als feine Kost für den billigen Preis
von dreißig Pfennigen verabfolgte und zwar nach
stiller Uebereinkunft gegen baare Zahlung.

Diese Kost nun, so nahrhaft selbige sich auch
bei den anderen Konsunienten zeigen mochte,
wollte doch bei Hungerbein nicht in derselben
Weise anschlagen, so daß er endlich, als eines
Morgens die Skeletthaftigkeit seines Körpers all-
zu sichtbar hervortrat, auf den nicht eben fern-
liegenden Gedanken kam, er leide an einer aus-
zehrenden Krankheit, vor welchem Nebel er von
jeher einen unüberwindlichen Abscheu hegte.

Im ersten Entsetzen über diese Entdeckung
begab sich Hungerbein zu einem Arnienarzt, dessen
würdigem Munde nach stattgehabter Untersuchung
die weise, des delphischen Gottes würdige Rede
entfloß: Hungerbein solle sich täglich einige Stun-
den sanfte Bewegungen im Freien machen, sich
z. B. spazieren fahren lassen und dazu hier und
da ein Gläschen Madeira oder guten Rothwein
genießen, so möchte seine — im Uebrigen dauer-

hafte — Konstitution sich wohl noch eine ganze
Reihe von Jahren über Wasser halten.

Danrit wandte der Aeskulap ihm den Rücken
und Hungerbein stand ungefähr ebenso klrig da
wie zuvor.

Eines nur war ihm bei der Sache klar, daß
ohne ein Wunder das Rezept niemals gemacht
werden würde.

In einem Zustande, ähnlich dem des Tan-
talus angesichts der unerreichbaren Früchte, schlich
der wackere Hungerbein bei diversen Weinhänd-
lern vorüber und jede rollende Equipage don-
nerte ihn: den Rath des Armenarztes zu. Mora-
lisch und physisch zerrüttet langte der Aermste
endlich in seinem unterirdischen Spcisehause an.

Er setzte sich abseits der lärmenden Schaar
der Zecher in eine Ecke und ergriff inechanisch
das Berliner Tageblatt, während der Gastgeber
ihm die gewöhnliche Ration für dreißig Pfennige
vorsetzte. Plötzlich stieß Hungerbein einen Ruf
freudigster Ueberraschung aus, sprang auf, rannte
den dicken Wirth fast über den Haufen und verließ
das Lokal mit der Geschwindigkeit eines aus dem
Gefängniß entlassenen Redakteurs.

Der Wirth, in der festen Uebcrzeugung, Hunger-
bein habe das große Loos gewonnen, ergriff neu-
gierig das Zeitungsblatt; da er aber zu seinem
Erstaunen nichts Anderes als die Todesanzeigen
aufgeschlagen fand und mit den Familienverhält-
nissen des Kollegien-Rcgistrators a. D. zu genau
vertraut war, um ihn mit dem Verdacht einer
reichen Erbschaft in Verbindung zu bringen, mur-
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