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3113

Die Rache des Malerlehrlings, -s--

Feierabend.

Schon neigt die Sonne sich zur
Grde,

Die müden Eider senkt der tag;

Hur einen kurzen Bammer-
scblag,

Dann kehr’ ich heim zu mei-
nem fierde.

Tm Rofe treiben sich die Kinder

Und sehen ihren Uater kaum.

Ich trete in den engen Raum

Und alle Sorgen werden linder.

Der Abend giebt mich meinem
Frieden

Auf eine kurze Stunde hin.

Dass ich ein Mensch bei Men-
schen bin:

UJie selten fühl’ ich es bie--
nieden!

6. macasy.

Marianne.

Line Geschichte aus der Hamburger LHolerazeit.

Von Hans Hy an.

Der Fabrikant Johnson befand sich in ge-
waltiger Aufregung. Wie ein hungriges
Raubthier in seinem Käfig, rannte er im
Zimmer hin und her und redete, heftig
gestikulirend, auf seine Frau ein, die noch
am Kaffeetisch saß, und sich gelassen ein Milch-
brötchen mit Butter strich.

Ihre Ruhe brachte ihn völlig außer sich.

„Aus dem Hause muß mir die Person,
sag' ich Dir! Solche Leute kann ich nicht
brauchen! Was glaubst Du wohl, daß sie
mir zur Antwort gab, das freche Ding: Sie
sei stolz auf ihren Bruder, das sei ein Ehren-
mann durch und durch, der kämpfte und
litte für seine Ueberzeugung.. und im Dienste
der Menschheit, hahaha! Was sagst Du denn
blos dazu, Dora?"

Die Gefragte zuckte wortlos die Achseln.
Sie war eine noch sehr junge Frau, mit
einem stillen, vornehm-gütigen Gesicht, dem
der müde, entsagungsvolle Zug um die blaß-
rothen Lippen einen fast idealen Anstrich lieh.

„Wie kamst Du denn überhaupt darauf,
mit Marianne darüber zu sprechen?" fragte
Frau Dora nach einer Pause, in der ihr
Gatte in wenig gewählten Worten seinem
Groll Luft gemacht hatte.

„Sitze ich da und lese die sozialdemokrati-
schen Versammluugsberichte. Jedesmal ärgere
ich mich darüber, aber was hilft's, man muß
seinen Feind doch im Auge behalten. Da
lese ich den Namen Faber. Faber? Heißt
denn nicht auch die Marianne Faber? fragte
ich mich, als sie eben ins Zimmer getreten
war. Ich les' weiter, daß der Kerl als Ein-
berufer nnd Referent einer Arbeitslosen-
versammlung, die die Polizei aufgelöst hat,
genannt wird. Faber, denk' ich, und Schlosser
ist er auch!.. Sollte das der elende Mensch
sein, der in dem letzten großen Streik die
Arbeiter alle verhetzt hat ... und meine
ebenfalls. . hieß der nicht Eduard? Gewiß,
ich erinnere mich ja ganz deutlich, das „Echo"
und die sonstigen Hetzblätter brachten den
„berühmten" Namen xmal. Ich frage also
die Marianne, ob sie einen Bruder hat, der

Eduard heißt? — Gewiß, sagt sie. — Ob der
vielleicht Schlosser sei? — Jawohl. — Na,
ob er vielleicht auch Sozialdemokrat wäre? —
Ja, meinte sie ganz zuversichtlich. Ach, Du
denkst wohl, Dora, das unverschämte Geschöpf
sei dabei verlegen geworden? Kein Gedanke!
Ausgelacht hat sie mich, ausgelacht!"

Frau Dora mußte in diesem Augenblick
an sich halten, um ernst zu bleiben.

„So ein Grasaffe," wetterte der Fabrikant
weiter, „glaubt am Ende gar, sich über mich
lustig machen zu dürfen. Nein, die kommt
mir aus dem Hause, und zwar sofort!"

„Du weißt, lieber Johnson," nahm nun
Frau Dora das Wort, „daß in Hamburg
die Mädchen nur vierteljährlich zu- und fort-
ziehen, es wäre doch Unrecht.."

„Ach was, Unrecht! Dieser sozialistischen
Bande gegenüber giebt es überhaupt kein
Unrecht, die steht außerhalb des Gesetzes!"

„Karl!" — Frau Johnsen nannte ihren
Mann sehr selten beim Vornamen, — „ich
kann das Mädchen, das sich nicht das Ge-
ringste hat zu Schulden kommen lassen, nicht
so ohne Weiteres vor die Thür setzen. Das
mußt Du doch einsehen!"

Er näherte sich ihr und sein feistes Ge-
sicht nahm einen beunruhigenden Ausdruck
an. Und als er jetzt seine fleischige, reich-
beringte Hand ihr unters Kinn legen und
sie küssen ivollte, bog sie widerstrebend den
Kopf zur Seite.

Es war ihm anzusehen, wie er wüthend
wurde. Er dachte daran, wie „dieses eigen-
sinnige, stolze Weib" seit Jahr und Tag alle
seine Zudringlichkeiten energisch abmehrte,
nur weil sie ihn einmal auf einer kleinen
Untreue mit dem früheren Zimmermädchen
ertappt hatte. Aber jetzt hatte er eine Waffe
gegen sie in Händen, die er benutzen wollte.
Das Mädchen, die Marianne mußte fort,
aus dem Hause! So schlug er zwei Fliegen
mit einer Klappe. Der dummen Göre konnte
er's endlich einmal heimzahlen, daß sie ihn
kürzlich so niederträchtig hatte abfahren lassen.
Er fühlte den Stoß heute noch, mit deni ihn
die Marianne zurückgeschleudert hatte, als er
ein wenig liebenswürdig zu ihr werden wollte.

Herr Johnson lachte befriedigt. Dann
sagte er in strengem Tone:
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