Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0230
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3128

Zu Beimich Beines hundertjährigem Geburtstag. ^

Und trägt seinen Jrack mit den Orden nicht
Krähwinkels Bürgermeister,

Es üben des treuen Gedenkens Pflicht
Doch Deutschlands freie Geister.

Und geht durch die Strassen kein festlicberZug
Mit Jahnen und Burrahschreiern —

Doch Deute giebt es in Deutschland genug,
Die Beines Geburtstag feiern.

Du lieber Beine — o kämst du zurück
Und könntest heut' unter uns sitzen,

(Die würdest du schauen mit staunendem Blick,
UJie würdest die Ohren du spitzen.

Dicht herrscht mehr die alte Kleinkrämerei,
Die einst dich konnte erbosen,

6s treibt die deutsche Polizei
Jetzt ihr Geschäft im Grossen.

Air haben auch die Zensur nicht mehr,

Air haben die Pressprozesse,

Uiel nahrhafter sind sie dem Redakteur,

Jfls jener Zensoren Jinesse.

Der Redakteur bekommt Quartier
Und Kost für Sünden und Jeble,

Ruch steht eine Schildwache vor der thür,
Damit man ihn nicht stehle.

Air sind keine schwache, zerriss’ne Dation,
Stark sind wir zu Land und zu Meere,

Air haben sogar in China schon
Eine „Interessen-Sphäre“.

Air sind eine Aeltmacht, es ist kein Aahn,
Kein kolonialer Schwindel,

Air herrschen im stillen Ozean
Ueber allerlei braunes Gesindel.

Der Metternich ist nicht mehr da,

Den liess man mit Pomp bestatten,

Die UJiirmer bekamen die Cholera,

Als sie ihn gefressen hatten.

Air haben den Miguel dafür als Ersatz,

Der Miguel würde dich freuen,

Er weiss des Staates verpulverten Schatz
Durch Pumpen stets zu erneuen.

Air haben den Posadowsky zudem,

Jfls eine der würdigsten Grossen,

Der will die soziale Jrage beguem
In preußischen Zuchthäusern lösen.

Und seinen Spuren folgt zornesvoll
Der Stumm in Deunkirchischen Landen,
ln ihm ist dein wackerer Jftta troll
ln neuer Schönheit erstanden.

Er schlägt mit Bärentatzen darein,

Sein Brummen ist sehr melodisch,
Jllljährlich sackt er Millionen ein,

Doch sonst ist er patriotisch.

0 Beinrich Beine, o kehrtest du noch
Zurück in unseren tagen,

Aie wuchtig würdest du heute doch
Mit deiner Geissei schlagen.

Aie würdest du züchtigen bis aufs Blut
Des Cages falsche Götter
Und schüren des Uolkes 5reiheitsgluth,
Du grosser, unsterblicher Spötter! m

Inhalt der Unterhallnngs-Beilage.

Heinrich Heine. Eine biographische Skizze. Mit
Porträt. — Aus Heines Werken: Der Kaiser von China.
(Jllustrirt.) — Im Oktober 1849. — Die Wanderratten.
(Jllustrirt.) — Das goldene Kalb. (Jllustrirt.) — Das Heine-
Denkmal (Loreley-Brunnen) in New Pork. (Illustration.)

Dieser Nummer liegt der Schlußbogen von „Kunde von
Nirgendwo" bei.

Unser Titelblatt

ist wie unsere Beilage dem Dichter Heinrich Heine gewidmet,
dessen hundertjährigen Geburtstag die Welt am 12. Dezember
d. I. feiert. Der Zeichner des Titelblattes hat in stimmungs-
voller Weise den Dichter selbst unter die Gestalten versetzt,
die in seinen Dichtungen am schärfsten hervortreten, sei es,
daß sie ihm als Ziel seines Spottes gedient haben, sei es,
daß er ihnen ganz zu eigen gegeben war.

Vom sagenumwobenen Nheinstrom erhebt sich der Loreley-
felsen. Vorne auf duftiger Waldwiese ruht der Dichter, vor
sich die Sphinx, von der er sagt:

Lebendig ward das Marmorbild,

Der Stein begann zu ächzen —

Sie trank meiner Küsse lodernde Gluth
Mit Dürsten und mit Lechzen.

Sie trank mir fast den Odem aus —

Und endlich, wollustheischend.

Umschlang sie mich, meinen armen Leib
Mit den Löwentatzen zerfleischend.

Neben der Sphinx sitzt eine Traumgestalt, die auf weiter
Haide ein Grab geschaufelt hat.

Ich ging und nahete mich ihr.

Und flüsterte, o sage nrir.

Du wunderschöne, süße Maid,

Was diese Grube hier bedeut't?

Da sprach sie schnell: „Sei still, ich Hab'

Geschaufelt dir ein kühles Grab."

Und als so sprach die schöne Maid,

Da öffnet sich die Grube weit.

Das ist das Schicksal Heines! Die nächste Gruppe stammt aus
dem „Wintermärchen". „In der stillen Mondnacht zu Köllen"
begegnet der Dichter dem Scharfrichter, der sich als sein „Büttel"
vorstellt:

Ich bin dein Liktor, und ich geh'

Beständig mit dem blanken
Richtbeil hinter dir — ich bin
Die Thal von deinen Gedanken.

Dann der alte Barbarossa im Kyfshänser, der sich entsetzt,
als ihm erklärt wird, wie man mit der Guillotine köpft.

Du wirst hier an ein Brett geschnallt; —

Das senkt sich; — du wirst geschoben
Geschwinde zwischen zwei Pfosten; — es hängt
Ein dreieckig Beil ganz oben; —

Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
Das Beil ganz lustig und munter;

Bei dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
In einen Sack hinunter.

Der Kaiser schnaubt den Dichter darob an, aber dieser
spottet:

Die Republikaner lachen uns aus.

Sehn sie an unserer Spitze

So ein Gespenst mit Szepter und Krön',

Sie rissen schlechte Witze.

Das Beste wäre, du bliebest zu Haus,

Hier in dem alten Kyffhäuser —

Bedenk' ich die Sache ganz genau.

So brauchen mir gar keinen Kaiser.

In Hamburg findet er auf der „Drehbahn" die Ham-
monia mit der Mauerkrone:

Die weltlichste Natürlichkeit
Könnt' man in den Zügen lesen;

Doch das übermenschliche Hintertheil
Verrieth ein höheres Wesen.

Wer bist du, rief ich, du schaust mich an
Wie'n Traum aus alten Zeiten.

Wo wohnst du, großes Frauenbild?

Und darf ich dich begleiten?

Da lächelte das Weib und sprach:

Du irrst dich, ich bin eine feine,

Anständ'ge moralische Person,

Du irrst dich, ich bin nicht so Eine.

Und nun kommt der unsterbliche „Gnmpelino" als guter
Katholik mit der geweihten Kerze und sein ebenso unsterb-
licher Diener „Hyazinth" mit dem „Topf der Nacht". Und
dann ein Gedränge der verschiedensten Gestalten: Lumpen,
Mönche, Juden, Grenadiere, und endlich fehlt auch Atta Troll
nicht, der vom Baume heruntergrunzt:

Ja, ich bin ein Bär, ich bin es.

Bin es, den ihr Zottelbär,

Brummbär, Isegrim und Petz

Und Gott weiß wie sonst noch nennet.

Hört es, hört, ich bin ein Bär,

Nimmer schäm' ich mich des Ursprungs,

Und bin stolz darauf, als stammt' ich
Ab von Moses Mendelssohn.

Wenn am 12. Dezember der Geburtstag Heines gefeiert
werden wird, so fehlen sicherlich nicht die bescheidenen Kränze
der deutschen Arbeiter; die glühenden Farben der Bänder
zeigen am besten die Gefühle, welche die unterdrückte Klaffe
für den Dichter der sozialen Freiheit hegt, der einst sang:
Ein neues Lied, ein besseres Lied,

O Freunde, will ich euch dichten:

Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich sein.

Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.

Der neue „Oberon**.

Der Dichter-Major Laufs in Wiesbaden hat
bekanntlich den, einein längst und tiefgefühlten
Bedürfnisse entsprechenden Auftrag erhalten, das
Textbuch zu Webers „Oberon" umzuarbeiten.
Wir sind in der Lage, eine der bemerkenswerthesten
Aenderungen mitzutheilen, Rezias große Szene
und Arie im zweiten Akt „Ozean, du Ungeheuer!"
lautet in der Umdichtung wie folgt:

Aegir, edler Fluthenherrscher! England gleich
Hältst du umschlungen rund die ganze Welt.

Auf deinem breiten Rücken liegt der Lloyd
Und der packetfahrt große Aktiengesellschaft
Und unsre Zukunft.

So mancher Anoten wird auf dir zurückgelegt
Rach Lhina, Aamerun, Samoa oder
wo sonst man Flaggen hissen kann.

Dann Aegir bist du national; bist unser Aegir,

Den Philipp Lulenburg schon angedichtet. Bedenke:

Graf Philipp, unser Dichter, der

Zwar kein geschickter, aber ein Gesandter. Heil!

plätsch're traurig aus den wogen,

Aegir, greiser wasserkö'nig!

Sag's den Rymphen und den Recken:

Unsre Flotte ist zu wenig!

Für ein halbes Dutzend Jahr' nur
will man Schiffe uns bewill'gen —

Ach, und wieviel Seekadetten
Harren jetzt schon der Aandilljen!

Raum noch eine Herbstparade

Ist mit Glanz zu arrangiren-

Aegir, oller Lhren-Seemann,

Sag', wohin soll das noch führen!?

Doch was kommt dort von Montabaur?

Rahet auf der Rede Schwingen?

Höhnt sein Schwarz Sermaniens Lrau'r,

Oder sollt' er Rettung bringen?

Ja! — Der Lieber ist's. — Lr naht!

Lr schimpft — doch hat er bald genung — —
Und munter segeln ihren Pfad —

Die Aähne — durch den Hammelsprung!

G Wonne! — mein Tirpitz! — Zum Reichstag herbei!
Schnell! Schnell: eh's ihm leid wird! die Aähne sind frei.
Roch murret das Zentrum, jetzt nickt es mit Macht,
Mein Lieber! Mein Liebster! Das hast du vollbracht.

M ^rbeiter-Gezangvemne.

Soeben ist in unserm Uerlag erschienen: Zur Erinnerung an Heinrich Heine; hundertsten Geburtstag: Cendenzlicd
(„ln Ilfarscillerbymnen-lUeisc“) für vierstimmigen Männerchor von Wendelin tUeissheimer. Partitur 20 Pfg.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen