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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0027
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3169

Das Kchreckensjhier der Menieil.

-evt? Hobelspälpre.

Saarabiens Fürst, den grimmen,

Erfasset Angst und Graus,

Er hört: Die Sozialisten,

Sie toben jetzt sich aus.

Aus ist's mit dein Scharfmachcn
Durch Zuchthauspolitik,

Es wendet ihm den Rücken
Des Hofes Glanz und Glück.

Für Handelsangestellte wird eine Sitzgelegen-
heit verordnet; das ist eine halbe Maßregel.
An Sitzgelegenheit für Schildwachen denkt
Niemand. . ^ *

Hoch über allem Tagsgezänke
Steht nur der Krupp, ein Ideal!

Er liefert seine Mordgewehre

Für England und auch für Transvaal.

Der Wassersport nimmt überhand. Jetzt will alle Welt im Trüben
fischen.

Heiß ist's int schwarzen Afrika, das iveiß bald Jedermann,

Und doch verbrennen Alle sich die krumnten Finger dran.

* * *

Ich möchte wohl wissen, warum sich die bürgerlichen Parteien so
aufregen über die Durchsuchungen und Konfiskationen deutscher
Dampfer durch die Engländer. — Wir Sozialisten haben uns ohne Kriegs-
zustand das Durchsuchen und Konfisziren jahrelang im eigenen Vaterland
gefallen lassen müssen.

Womit ich verbleibe Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Xte Sitzung im ßaschingsmonat.

Am Tische des Bundesraths: Niemand.

Eingcgangen: Nichts.

Auf der Tagesordnung stehen Etat und andere
Kleinigkeiten.

Präsident Graf Ballestrem eröffnet die
Sitzung. Mein Herr! Ich schlage vor, den Etat
von der Tagesordnung abzusetzen und die Flotten-
vorlage mit dem dazti gehörigen Jesuitengesetz zt,
berathen. Wenn sich kein Widerspruch erhebt, so
ertheile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten
Grafen Ballestrem.

Abgeordneter Graf Ballestrem sZentrum):
Mein Herr! Es thut mir leid, daß ich diese
wichtige Materie mutterseelenallein erörtern muß,
(Der Abgeordnete Graf Ballestrem ruft: Sehr wahr!)

aber ich selbst brauche mir auch nichts vorzureden
und so hat es sich die faule Gesellschaft — —

Präsident Graf Ballestrem: Der Herr Ab-
geordnete Graf Ballestrem hat die abwesenden
Mitglieder des hohen Hauses faule Gesellschaft
genannt. Ich rtffe ihn dafür zur Ordnung.

Abgeordneter Graf Ballestrem (sortsahrend):
— also der Reichstag selbst zuzuschreiben, wenn
ich beantrage, die Flottcnvorlagc und die Auf-
hebung des Jesuitengesetzes en bloc anzunehmen.

Präsident Graf Ballestrem: Da sich Nie-
mand weiter zum Worte meldet, schreiten wir
zur Abstimmung. — Der Antrag wird einstimmig
angenommen und die Sitzung unter lebhafter
Bewegung des Abgeordneten geschlossen.

Der Präsident verläßt in angelegentlichem
Selbstgespräch das Haus.

An den

Herrn Staatsanwalt Nomen in Berlin.

Theuerster Sennor!

Wie eine erquickende kühle Brise hat mich
Ihre geistreiche Rede gegen den Ulkredaktelir in
der sengenden Hitze nteines Domizils angeweht.
O, Sie Blume und Krone aller Staatsanwälte,
wie danke ich Ihnen, daß Sie den von mir ge-
stifteten, so vielfach angefeindeten imb selbst von
Päpsten verfolgten Orden als Einrichtung der
katholischen Kirche erklärt und unter den Schutz
des § 166 gestellt haben! Endlich einmal eine
ungetrübte Freudenbotschaft aus km neuen
Deutschen Reiche, die reichlich entschädigt für die
uns seit seiner Gründung widerfahrenen Un-
bilden. Nun tvcrden bald die Lästerer der mittel-
alterlichen Scheiterhaufen, der Auto-da-fö's, der
Hepcnprozesse, des Tetzelablasses und ähnlicher
„zur größeren Ehre Gottes" von uns angewandten
und durch den frommen Zweck geheiligten Mittel
verstummen müssen, denn Ihre scharfsinnige Logik,
theuerster Sennor, stempelt auch Sic zu ge-
heiligten Einrichtungen der katholischen Kirche.
Ich wage sogar zu hoffen, daß Sie und Ihre
hochgeschätzten Kollegen fortan auch jede Belei-
digung einer Pfarrersköchin auf Grund Ihres
8 166 unter Anklage stellen werden. Denn ist
nicht das Zölibat eine Einrichtung der katholischen
Kirche, und gehört nicht die Pfarrersköchin zuni
Zölibat wie das Salz zur Suppe mtd das Gewürz
zur Wurst?!

Tausend Dank von Ihrem Sie hochschätzenden
Ignatius von Loyola.

Hölle, Abtheilung für Jesuiten, im Januarius 1S00.

P.8. Luzifer läßt Sie grüßen.

Das schreckliche Gesicht.

Durchlaucht geruhten, zu ruhen. Obwohl
die Vorhänge zugezogen ivareit, auf daß der
höchste Schlaf durch keinerlei Erleuchtung beein-
trächtigt werde, erfüllte sich das Zimmer den-
noch plötzlich mit magischem Licht — und an

Durchlaucht seidenem Pfühl vorüber bewegte sich
ein seltsamer Zug.

Er sah das Volk seines Ländchens als jauchzen-
den Vorspann an einem hochragenden Gefährt,
auf dem ein Weib thronte, dessen Antlitz rein
und blendend leuchtete wie die Sonne. Ihr Haupt
umstrahlte in flammender Gloriole das Wort:
Gerechtigkeit. Das Volk zog und drängte und
jubelte zu ihr auf, und die Gerechtigkeit lächelte.

Gegeir die Speichen des Wagens aber stemmten
sich keuchend die Großen des Landes, die Lehens-
leute und Lakaien, angespornt von den edlen
Herren der Kirche und unterstützt von sonder-
baren Wesen, die statt der Köpfe und Herzen je
einen mystisch verschnörkelten Paragraphen trugen.

Aber trotz dieser Hemmnisse, die da rückwärts
zu schieben glaubten, trotz mannigfacher Stockungen
und trotz des vielen Volkes, das unter die Rädel
kam, bewegte sich das Gefährt unaufhaltsam vor-
wärts —

Da es Durchlaucht Lager fast berührte, fuhr
dieser entsetzt entpor, und als er sich die Nase
an seinen Szepter stieß, der auf dem Nachttische
lag, tvard er vollends wach.

Das schreckliche Gesicht verschwand — und um
Durchlaucht ward es so bunfcl wie immer-

Der hohe Herr läutete Sturm. Und als der
Vize-Oberhofschlafmeister herbeistürzte, schrie er
ihn an:

„Sind Sie des Teufels, Herr v. Krebstrottel,
wie kommt die Gerechtigkeit unangemeldet in
meine Appartements!?"

„Die — die Ge—rech—tig—keit-? Habe

nichts davon gesehen, Durchlaucht —", stotterte
die verängstigte Schranze.

„Nichts gesehen? — Hm, na dann können
Sie wieder gehen, lieber Krcbstrottel."

Damit drehten sich Durchlaucht nach der
Wand um. DerHerrMze-Oberhofschlafmeister ver-
beugte sich tief vor den: Allerwerthestcn mtd ent-
schlich. Durchlaucht zogen die Zipfelmütze über beide
Ohren und Augen und brummten: „Eine vor-
übergehende Erscheinung — weiter nichts."
 
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