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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0053
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8195

Merk- und Sittensxrüchlein.

Krei nach Harry v. Pilgrim, Redakteur des Reichsanzeigers.

„Lh'bruch ist verbotenes Raschen,

Laß dich nie dabei erhaschen."

Harry v. Pilgrim in der „Damenspende"
beim Ballfest der Berliner Presse.

Kupplern kann man nichts beweisen,

Stammen sie aus Hähern Kreisen.

Brandstiftung giebt schön zu riechen,

Aber denk' ans Alibichen.

Bauernfänger — Schweinehunde!

Aber nobel sehr-„im Bunde".

Zalschspiel kann nicht Jeder wagen,

Darum lerne Volteschlagen.

Diebstahl, pfui! Wie niederträchtig!

Doch von fünfzig Nill' ab — prächtig!

Neineide sind arge Schliche —

Exklusive: Verfassungsbrüche.

Durch Betrügen wirst du tadelig.

Aber wenigstens — sei adelig!

Trunkenbold nennt man den Lumpen,

Der sich keinen Sekt kann pumpen.

Fälschung ahnden die Gerichte,

Darum fälsch' nur Weltgeschichte.

Norde ohne „Zeugen" ja nicht,

Denn sonst wirst du nicht begnadigt. Kikik.


HobelspLhne.

Sie reden von einem Unterschied
Zwischen prinzlichen Mördern und andern:
Wohlan, so bestellt doch beim Silberschinied
In Deutschland oder in Flandern
Ein silbernes Beil, gar künstlich verziert,

Auch der Stiel sei stilvoll und edel,

Damit haut auf dem Blocke wie sich's gebührt
Den Kopf ab, den prinzlichen Schädel.

„Ist denn kein Stuhl da, Stuhl da?" sang
der Chor der Flottenschwärnier, als Tirpitz aus
einer tödtlichen Verlegenheit in die andere fiel,
— und richtig, jetzt kommt ihm der Heilige
Stuhl zu Hilfe!

Nicht wasserfreundlich ist in Reuß
Die ält're Linie, wie man weiß;

Jedoch die Junioren

Sind feucht bis über die Ohre»!

Das Rattenvolk verläßt zwar zuerst das sinkende Schiff, aber es
weiß sich auch zuerst ein warmes Plätzchen darauf zu sichern. Daraus
erklärt sich die eifrige Flottenagitation der Stumm, Krupp und Konsorten.

Einst wußten auf dein Scheiterhaufen
Die Schwarzen viele Feuertaufen
Den Hexen, Ketzcm zu bereiten.

Doch seht sie heute grimmig wehren,

Daß Flammen nicht den Leib verzehren, —

Ja, ja, — so ändern sich die Zeiten!

Kürzlich sollte ich bei meinem Freund, dem Professor Sombart, eine
Waschkoniniode leimen. „Warten Sie einen Augenblick", sagte das Dienst-
mädchen, „der Herr Professor wechselt soeben seine — Ueberzeugung."
Womit ich verbleibe Ihr getreuer Schreiner.


Literarische Aufgabe.

Pastor Hillmann in Hamburg hat seine Kündi-
gung vom Presbyterium erhalten, weil er wieder-
holt in seinen Predigten soziale Fragen berührt Hai.

Recht so! Aber dabei sollte man es nicht
bewenden lassen. Nicht nur die Pastoren, nein,
auch die ganze Bibel muß rektistzirt werden. Es
finden sich fast auf jeder Seite Stellen, in denen
soziale Fragen behandelt werden, und — leider —
nicht immer in staatserhaltendem Sinne. Hier
bietet sich dem Hamburger Presbyterium eine
dankbare Aufgabe, deren Lösung ihm einen Ruf
sichern wird, wie er bis heute nur erst den, Herrn
Hauptpastor Goeze zu Hamburg, Lessingschen
Angedenkens, zu Theil wurde.

Stallmeister und Zchutmeister.

In Ostelbien bekommt ein Stallineister mehr
Gehalt als ein Schulmeister. Darüber regen sich
die Letzteren auf, ohne zu ahnen, wie lächerlich
sic sich damit machen. Der Stallmeister erzieht
Pferde, der Schulmeister blos Menschen. Ein
halbwegs gutes Pferd kostet mindestens tausend
Mark, und es giebt Rennpferde, die ihrem Be-
sitzer Hunderttausende einbringen. Der Stall-
meister hat also offenbar ein bedeutend werth-
volleres Material unter den Händen und eine
weitaus größere Verantwortung zu tragen, als
der Schulmeister? Was kostet so ein Dorfjunge?
Nichts. Was bringt er ein? Fünfundzwanzig
Pfennig den Tag, und das auch nur, wenn er

von Früh 5 bis Abends 9 Uhr mit Rübenziehen
beschäftigt werden kann. Letzteres lernt er aber
noch nicht einmal in der Schule, das muß ihm
der Herr Inspektor erst mühsam mit dem Stocke
beibringen. Der Stallmeister hat seine Zöglinge
in zwei bis drei Jahren ausgebildet, der Schul-
meister bekommt sein Material auf sechs bis
acht Jahre in Dressur. Mit welchem Erfolg?
Die Beugels laufen dem gnädigen Herrn bei
erster Gelegenheit davon, was ein Pferd niemals
thut, obgleich es doch auch ab und zu mal die
Peitsche bekommt» Bei solch kläglichen Resultaten
können die Lehrer sich nicht wundern, daß ihnen
der Herr Stallnicister vorgczogen wird. Er leistet
ungleich werthvollere Dienste.

Bignrtten zur Lex Keinze.

Der menschliche Körper hat wie jedes Ding
seine zwei Seiten. Aber nicht, wie man bisher
geglaubt hat, blos eine Vorder- und eine Rück-
seite. DieBerlinerSittenbehörde theilt den mensch-
lichen Körper ein

a) in ein unsittliches en face,*

b) in ein sittliches Profil.**

Da die Behörde bisher leider noch keine Mittel
und Wege gefunden, das en face des Menschen
überhaupt abzuschaffen und auf die Züchtung
reiner Profil-Individuen hinzuwirken, so soll
ivenigstens aus der Kunst alles Vordere gelöscht
iverden. Man wird also den künstlerisch darge-
stellten Menschen nur noch von der Seite an-
sehen dürfen.

Wie wir von einer dem Abgeordneten Roeren
nahestehenden Profil-Seite erfahren, genügt dem
Zentrum diese „Wendung" noch nicht. Erst wenn
die Kunst vollständig Kehrt gemacht haben wird,

* en face (sprich Angfahs) — Vorderseite.

** Profil ^ Seitenansicht.

dürfte die moralische Opposition zu ihrem
Rechte kommen.

Die Erörterung nackter Thatsachen ist ver-
boten. Desgleichen die bloße Ausübung von
Rechten und Funktionen.

Die Zahl 6 ist aus den Rechnenbüchern der
Jugend auszumerzen, da sie leicht zu sexuellen
Vorstellungen führt. Genus-Regeln und Ge-
schlechtsworte sind streng zu vermeiden.

Zuwiderhandelnde Lehrer werden von ihrem
Anite sofort ent—storcht (für „entbunden"».

Wenn arme Leute, ivelche nur ein Zimmer
haben, ihre Tochter mit einem jungen Mann allein
zu lassen gezwungen sind — so ist das unter
Umständen qualifizirte Kuppelei.

Wenn reiche Leute, welche mehrere Ziminer
haben, dasselbe thun — so ist das schlimmsten
Falls eine Avance.'

Wenn Jemand aus den niederen Volksschich-
ten von dem Gewerbe einer Dirne Nutzen zieht
— so ist er ein Zuhälter und wird bestraft.

Wenn aber der adelige Hofbeamte eines deut-
schen Vaterländchens die Maitresse Serenissimi
heirathet und nie zu Hause ist, wenn Hoheit bei ihm
zu jagen geruhen — so wird er Kammerherr
und bekommt einen Orden.

Fürstliche Statistik.

Serenissimus: Diese Lehrer müssen sich
doch entsetzlich vermehren... ist geradezu un-
glaublich! Nach statistischen Feststellungen kamen
auf jeden Volksschullehrer dreiundsechzig Kinder!
Schauderhaft!
 
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