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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0123
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3267 —-

Desterreicher: V jegerl, nu geht's Wappenviecherl kaput.

»Billiger thut sic's nicht", sagte der französische Chauvinist schadcn-
da legte die Berliner Regierung dem deutschen Volke eine Kontri-
"ution von fünf Milliarden für Flottenzwecke ans.

»Das Christenthum muß sich werkthätig äußern", sagten
Pilger in Rom, da prügelten sie einander.

-cvt? Hovelspähne. -Sv®"

Mag kalt und naß der Sommer,

Mag heiß und dürr er sein.

Der Tirpitz und der Miguel,

Sie haben die Ernte herein.

Noch froher, wie die Beiden
Sind Krupp und Stumm fürwahr —

Sie reiben sich die Hände:

„Wie fruchtbar ist dies Jahr."

Daß die Einfuhr von Pökelfleisch ver-
boten werden soll, gefällt den Ultramontanen
nicht. Sie fürchten, man könnte die unter
Italiens Sonne gedörrten Jesuiten möglicher-
weise zum Pökelfleisch zählen.

Sie wollen die Meere beherrschen,

Die Preußen — wie fatal! —

Sie können nicht einmal erobern
Im Landtag den kleinsten Kanal.

In Afrika will man das Wild durch Einschränkung des Jagdrechts
gegen Vernichtung schützen. Da müssen die Eingeborenen schließlich
noch recht froh sein, wenn sie den Thieren gleich geachtet werden.

Herr Roeren ging denunziren, Doch war sein Gang vergeblich.
Eine Postkarte machte ihn wild, Erstaunt nur fragte man:

Denn Mädchen ohne Kleider Was haben dem frommen Roeren
Sah er darauf im Bild. Die nackten Mädchen gethan?

„Das komnit davon, wenn man einen gefährlichen Menschen
nicht rechtzeitig verbrennt", sagte der Ultramontane, da feierte die
gebildete Welt das Jubiläum Gutenbergs.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

\i/

|j Deutscher


Prinz Ludwig von Bayern wies neulich in
Straubing — unvorbereitet wie er sich hatte
darauf hin, daß Bayern doch wohl eigentlich mehr
Zu Deutschland als zu Preußen gehöre und daß
ein Bayer im Grunde nicht viel was Schlechteres
sei wie der Preutz'.

Die schwarz-weißgestreiftc Hurrah-Kanaille
schimpft ihn darob einen „Bruder Strau-
binger". Das ist nicht hübsch und auch nicht
monarchisch gegenüber einem Manne, der über
kurz oder lang — „von Gottes Gnaden"
sein wird.

Binnen sechs Wochen sind 135 Offiziere der
deutschen Armee theils in Pension gegangen wor-
den, theils sonst abgeschoben — was die Kleinig-
keit von 425000 Mark jährlich erfordert.

Auch m der Armee ist eben nichts ewig als
der — Wechsel. Das Volk hat diesen Wechsel
weder ausgestellt, noch aeceptirt — aber ein-
losen muß es ihn.

In dem Prozeß gegen einen Fachblattredaktcur
erklärte ein Berliner Schöffengericht als straf-
verschärfend, daß der inkriminirte Artikel in einer
Sprache geschrieben sei „wie sie nur in sozial-
demokratischen Kreisen und Zeitungen
geführt zu werden pflegen".

Wir begreifen nicht, was das Gericht vcran-
l^tzl hat, eine mithin anständige und gebildete
Sprache als strafvcrschärfcnd zu betrachten —
sollte es sich an dem korrekten Deutsch ge-
stoßen haben, gegen welches das Juristendeutsch
so blamabel absticht?

Der Kommandeur der Reklame-Torpedoboote
erklärte in Dürkheim die Damen als sehr wich-
tig zur Vergrößerung der Marine.

Der kleine Schäker!

Es ist eine bemerkenswerthe Erscheinung, daß
selbst die wichtigsten diplomatischen Interne all-
mälig sich vor der breitesten Oeffentlichkeit ab-
spielen. So ist beispielsweise über die geheime
Mission des Landraths von Etzdorff nach Eng-
land plötzlich volle Klarheit verbreitet worden.
Die Thatsache, daß derselbe beauftragt wurde,
für die königliche Herrschaft Cadinen Zuchteber
zu kaufen, ist ebenso ehrenvoll für den verdienten
Verwaltungsbeamten, wie geeignet, unsere
Beziehungen zu England in das vortheilhasteste
Licht zu rücken. _

Wenn du noch sechzig Pfennig hast
In Düsseldorf am deutschen Rheine,

So drücke dich aus dieser Stadt

Und mach' dich schleunigst auf die Beine!

Denn meldest du dich mittellos

Zum Stadtquartier, packt beim Schlafittchen

Der Büttel als Betrüger dich

Und sperrt dich munter ein ins Kittchen!

Im Hallenser Maiprozeß wurde geltend
gemacht, daß das Landgericht im Jahre 1896 die
Verweigerung der Arbeit am 1. Mai nur als
eine Unterbrechung der Arbeit betrachtete. Das
Gewerbegcricht stellt sich jetzt dagegen auf den
Standpunkt, daß es sich um eine „beharrliche
Verweigerung" handele.

Ins Arithnietische übertragen, ist also nicht
mehr 1 — 1, sondern 1 (+ Auffassung des Ge-
werbegerichts) — 10.

„Ich bin gestern sechzehn Jahre alt geworden,
Herr Buchhändler", sagte Fräulein Lily, da kaufte
sie sich einen illustrirten Casanova.

Der Viehhändler Feilzer in Heinersdorf, welchem
der hohe Bundesrath noch von anno 71 her das
Kaufgeld für eine Anzahl Ochsen schuldet, hat
einen ihm gebotenen mageren Vergleich (15 Pro-
zent) abgelehnt — und das mit Recht: denn
erstens ist das Deutsche Reich materiell noch
nicht pleite, und dann — weshalb will die Re-
gierung gerade die Ochsen nicht bezahlen?

Vor Kurzem ist abermals eine Reform des
höheren Unterrichtswesens in Preußen erörtert
worden. Es ist das um so nothwcndiger, als
nicht ein einziges Geschichtsbuch cxistirt, das über
die dynastischen Errungenschaften des
Jahres 1900 — und wir haben bereits Juni —
auch nur ein Wort enthält.

Gegen Rassenhaß und -Hetze,

Da giebt cs keine „Majestät der Gesetze"!
Doch wenn das Volk im Lohnkampf steht
Stabilirt ist — des „Gesetzes Majestät".

Die Militärjustiz verurtheilte einen Arbeiter,
welcher am Abend nach der Kontrollversammlung
mit einem sozialdemokratischen Reichstagsabgeord-
neten ein paar Worte gewechselt, zu drei Tagen
Mittelarrest. Aber sonst hat der Arbeiter keinen
Schaden genommen, obwohl er 72 Stunden tief-
sinnig darüber nachgedacht, wieviel solcher Ur-
theile die Militärjustiz noch fällen muß, bis sie
sich selbst auslacht. _

Der Aufstand der Boxer in China wird in
den Kreisen der europäischen Diplomatie um so
ernster genomnien, als die Sekte, wie schon der
Name sagt, aus England stammen muß. Da-
durch ist ihr Blutdurst und ihre Frechheit erklärt.

Von deutscher Seite wird der Vorschlag gemacht,
den immer allgemeiner werdenden Feindseligkeiten
gegen die Weißen durch einige weitere, so w u uder-
voll pazisizirende Laudpachtungen zu be-
gegnen.
 
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