3362
Alke und neue Mode.
Ein großer preußischer Herrscher
— So meldet uns rin Bericht —
Der sprach einmal das Work aus:
„Gazetten grnirr man nicht!"
O Friedrich, großer König,
Wie hast Du Dich doch blamirk!
Du ahntest nicht, wie heute
Gazetten man genirt.
Gazetten zu grniren,
Wird heute methodisch gelehrt,
Es ist eine Kunst, des Schweißes
Der Allrrrdrlsten werth.
Es ist der Gipfel der Weisheit,
Die Vlülhe der Staatspolitik —
O Friedrich, großer König,
Wir weit warst Du zurück!
Dichter und Richter.
Line Fabel.
Es waren einmal zwei Männer. Der eine
war ein Richter, der andere war ein Dichter.
Diese beiden Männer konnten sich gar nicht
miteinander vertragen.
Eigentlich zwar war dem Dichter der Richter
sehr gleichgiltig, aber der Richter konnte den
Dichter nicht leiden.
Dafür hatte der Richter aber auch einen
schwerwiegenden Grund. Sehr häufig sang
der Dichter lustig vor sich hin: „Ich bin ein
freier Mann und singe", und wenn er es nicht
sang, so stand es ihm doch deutlich an der
Stirn geschrieben. Darüber ärgerte sich der
Richter sehr, denn er war kein freier Mann
und singen konnte er höchstens wie der Esel,
der die Laute schlägt.
Tag für Tag mußte er sich mit dem trockenen
Buchstaben des Gesetzes befassen, mit dem er
die Welt und alle menschlichen Verhältnisse
einschnüren zu können glaubte. Das ging aber
nicht, trotzdem die Gesetze schon sehr, sehr alt
waren. Da half er sich durch „Auslegungen",
und in dieser Auslegungskunst hatte es unser
Richter bis zu einer erstaunlichen Höhe gebracht.
Aber trotz der Auslegungen und trotz der
Hunderte und Tausende von Paragraphen
konnte der Richter doch nicht die Hundert-
tausende und Millionen verschiedener Verhält-
nisse des menschlichen Lebens in seine Gesetze
einkapseln.
Am allerwenigsten ging das nun gerade bei
dem Dichter, der fröhlich und wohlgemuth sich
am Sonnenschein und Vogelfang ergötzte und
den Richter bei seinen vermoderten Akten
Grillen fangen ließ.
Weil nun aber der Richter den Dichter gar
zu gern einmal packen und einsperren wollte,
so sann er wüthend über einen Ausweg nach.
„Mit dem Singsang fange ich den Kerl nicht",
so sagte er grimmig, „das ist harmlos und
nicht staatsgefährlich. Aber — aha! ich hab's!
Großartiger Gedanke! Esel, der ich war, daß
ich nicht schon eher darauf kam. Der Dichter
meint ganz etwas anderes als das, was
er sagt. Wenn er schwarz sagt, meint er
eigentlich weiß, und wenn er Kaffeetasse
ruft, so meinter eigentlich Dpnamitbombe,
und wenn er Tulpenstengel sagt, so meint
er damit den König! Nun wollen wir diesen
frechen Burschen schon kriegen."
Eines Tages machte der Dichter einen Spazier-
gang in den Wald. Der Richter schlich aber
immer dicht hinter ihm her. Als die Dämme-
rung hereinbrach und die letzten Sonnenstrahlen
(Siehe 3. Spalte.)
Neues von Serenissimus.
Adjutant (liest vor): „Die Grausamkeit ging
so weit, datz man die ZUM Tode verurtheilten Ge-
fangenen zwang, ihre Gräber selbst auszuschaufeln.
Dann wurden sie vor die Gruben gestellt und er-
schossen." —
Serenissimus: „Aeh, hm .... hat man sie die
Gräber dann auch wieder selbst zuschaufeln lassen?"
>1
Dichter und Richter.
verschwanden, murmelte der Dichter, dem etwas
wehmüthig zu Muthe geworden war, das
Goethesche Gedicht vor sich hin:
„Ueber allen Gipseln ist Ruh',
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch,
Die Vöglein schweigen im Walde,
Warte nur, balde ruhest du auch."
Noch hatte er die letzten Worte nicht aus-
gesprochen, als sich plötzlich drei Sbirren auf
ihn stürzten und ihn knebelten. Der Richter
aber trat vor ihn hin und rief schadenfroh:
„Endlich bist Du uns ins Garn gegangen, Du
Umstürzler! Die Majestätsbeleidigung, die Du
da eben allsgesprochen hast, bringt Dich an
den Galgen!"
„Majestätsbeleidigung?" fragte der Dichter
überrascht, „ich hätte —"
„Maul gehalten! Wir haben die revolutio-
nären, königsmörderischen Worte wohl gehört."
„Königsmörder? Aber, lieber Mann, die
Verse waren ja von Goethe, und Goethe war
doch kein Königsmörder!"
„Goethe, Goethe, Papperlapapp! Was geht
mich Ihr Goethe an! Ich kenne den Bruder
noch nicht, aber wenn das gerade so ein
Anarchist ist, wie Sie, so werde ich ihn schon
fassen. Ich will mit Euch Umsturzbande auf-
räumen, daß Euch Hören und Sehen vergeht."
Da der Dichter sah, daß der Richter in der
Literatur nicht allzusehr bewandert war, machte
er auf die Harmlosigkeit des Gedichtes auf-
merksam. Aber da kam er schön an!
„Ja, so dumm sind wir nicht", schrie ihn
der Richter an, „daß wir auf Eure,harmlosen'
Worte reinfallen! Wir wissen längst, daß man
Euch ailders fassen muß. Dafür haben wir
den Dolus eventualis erfunden. Der sagt uns
immer ganz genau das, was Ihr nach unserer
Meinung eigentlich gesagt haben wollt, wenn
Ihr es auch nicht gethan habt."
„Aber, Herr Richter — —"
„Halten Sie den Mund! Ich rede, und ich
weiß ganz genau, was für schreckliche Drohungen
gegen den König Sie eben ausgestoßeu haben!"
„Da wäre ich aber neugierig!"
„Neugierig? Frech sind Sie! Aber damit
Sie sehen, daß ich Ihre Geschichte durchschaut
habe, will ich Ihnen sagen, was Sie nach
dem Dolus eventualis eigentlich gesagt haben.
Erstens: Weber allen Gipfeln ist Ruh'!' Gipfel
ist das höchste bei den Bäumen, ist also bei
den Menschen der König. Also meinen Sie
eigentlich: Ueber allen Königen ist Ruh'; das
heißt, daß Ihre Komplizen in den anderen
Ländern inzwischen die Könige abgemurkst
haben. Zweitens: ,Jn allen Wipfeln spürest
du kaum einen Hauch.' Wipfel sitzt gleich
unter dem Gipfel. Damit meinen Sie also
die Minister, die kaum noch hauchen können,
also beinahe schon todt sind. Drittens: ,Die
Vöglein schweigen im Walde.' Durch Zeugen
ist festgestellt, daß noch einige Vögel singen.
Sie haben sich also der Verbreitung unwahrer
Thatsachen schuldig gemacht. Viertens: ,Warte
nur, balde ruhest du auch!' Damit haben Sie
nur unfern guten alten König gemeint —"
„Halt, das ist doch zu viel-"
„Maul halten! Das Gericht ist sich
darüber einig, daß Sie damit den König
gemeint haben. Ich habe Seine Majestät vor
dem sicheren Tode gerettet und dafür wird er
mich belohnen. Sie aber, Sie werden zunächst
wegen Fluchtverdachts sofort verhaftet und
das Weitere wird sich finden."
Der arme Dichter hatte zwar gehofft, daß
es „noch Richter" in seinem Lande gäbe, aber
er hatte sich getäuscht. Die anderen Richter
waren ebenso gesinnt wie sein „Freund" und
nach drei Tagen baumelte er anl Galgen.
li. 8.
Alke und neue Mode.
Ein großer preußischer Herrscher
— So meldet uns rin Bericht —
Der sprach einmal das Work aus:
„Gazetten grnirr man nicht!"
O Friedrich, großer König,
Wie hast Du Dich doch blamirk!
Du ahntest nicht, wie heute
Gazetten man genirt.
Gazetten zu grniren,
Wird heute methodisch gelehrt,
Es ist eine Kunst, des Schweißes
Der Allrrrdrlsten werth.
Es ist der Gipfel der Weisheit,
Die Vlülhe der Staatspolitik —
O Friedrich, großer König,
Wir weit warst Du zurück!
Dichter und Richter.
Line Fabel.
Es waren einmal zwei Männer. Der eine
war ein Richter, der andere war ein Dichter.
Diese beiden Männer konnten sich gar nicht
miteinander vertragen.
Eigentlich zwar war dem Dichter der Richter
sehr gleichgiltig, aber der Richter konnte den
Dichter nicht leiden.
Dafür hatte der Richter aber auch einen
schwerwiegenden Grund. Sehr häufig sang
der Dichter lustig vor sich hin: „Ich bin ein
freier Mann und singe", und wenn er es nicht
sang, so stand es ihm doch deutlich an der
Stirn geschrieben. Darüber ärgerte sich der
Richter sehr, denn er war kein freier Mann
und singen konnte er höchstens wie der Esel,
der die Laute schlägt.
Tag für Tag mußte er sich mit dem trockenen
Buchstaben des Gesetzes befassen, mit dem er
die Welt und alle menschlichen Verhältnisse
einschnüren zu können glaubte. Das ging aber
nicht, trotzdem die Gesetze schon sehr, sehr alt
waren. Da half er sich durch „Auslegungen",
und in dieser Auslegungskunst hatte es unser
Richter bis zu einer erstaunlichen Höhe gebracht.
Aber trotz der Auslegungen und trotz der
Hunderte und Tausende von Paragraphen
konnte der Richter doch nicht die Hundert-
tausende und Millionen verschiedener Verhält-
nisse des menschlichen Lebens in seine Gesetze
einkapseln.
Am allerwenigsten ging das nun gerade bei
dem Dichter, der fröhlich und wohlgemuth sich
am Sonnenschein und Vogelfang ergötzte und
den Richter bei seinen vermoderten Akten
Grillen fangen ließ.
Weil nun aber der Richter den Dichter gar
zu gern einmal packen und einsperren wollte,
so sann er wüthend über einen Ausweg nach.
„Mit dem Singsang fange ich den Kerl nicht",
so sagte er grimmig, „das ist harmlos und
nicht staatsgefährlich. Aber — aha! ich hab's!
Großartiger Gedanke! Esel, der ich war, daß
ich nicht schon eher darauf kam. Der Dichter
meint ganz etwas anderes als das, was
er sagt. Wenn er schwarz sagt, meint er
eigentlich weiß, und wenn er Kaffeetasse
ruft, so meinter eigentlich Dpnamitbombe,
und wenn er Tulpenstengel sagt, so meint
er damit den König! Nun wollen wir diesen
frechen Burschen schon kriegen."
Eines Tages machte der Dichter einen Spazier-
gang in den Wald. Der Richter schlich aber
immer dicht hinter ihm her. Als die Dämme-
rung hereinbrach und die letzten Sonnenstrahlen
(Siehe 3. Spalte.)
Neues von Serenissimus.
Adjutant (liest vor): „Die Grausamkeit ging
so weit, datz man die ZUM Tode verurtheilten Ge-
fangenen zwang, ihre Gräber selbst auszuschaufeln.
Dann wurden sie vor die Gruben gestellt und er-
schossen." —
Serenissimus: „Aeh, hm .... hat man sie die
Gräber dann auch wieder selbst zuschaufeln lassen?"
>1
Dichter und Richter.
verschwanden, murmelte der Dichter, dem etwas
wehmüthig zu Muthe geworden war, das
Goethesche Gedicht vor sich hin:
„Ueber allen Gipseln ist Ruh',
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch,
Die Vöglein schweigen im Walde,
Warte nur, balde ruhest du auch."
Noch hatte er die letzten Worte nicht aus-
gesprochen, als sich plötzlich drei Sbirren auf
ihn stürzten und ihn knebelten. Der Richter
aber trat vor ihn hin und rief schadenfroh:
„Endlich bist Du uns ins Garn gegangen, Du
Umstürzler! Die Majestätsbeleidigung, die Du
da eben allsgesprochen hast, bringt Dich an
den Galgen!"
„Majestätsbeleidigung?" fragte der Dichter
überrascht, „ich hätte —"
„Maul gehalten! Wir haben die revolutio-
nären, königsmörderischen Worte wohl gehört."
„Königsmörder? Aber, lieber Mann, die
Verse waren ja von Goethe, und Goethe war
doch kein Königsmörder!"
„Goethe, Goethe, Papperlapapp! Was geht
mich Ihr Goethe an! Ich kenne den Bruder
noch nicht, aber wenn das gerade so ein
Anarchist ist, wie Sie, so werde ich ihn schon
fassen. Ich will mit Euch Umsturzbande auf-
räumen, daß Euch Hören und Sehen vergeht."
Da der Dichter sah, daß der Richter in der
Literatur nicht allzusehr bewandert war, machte
er auf die Harmlosigkeit des Gedichtes auf-
merksam. Aber da kam er schön an!
„Ja, so dumm sind wir nicht", schrie ihn
der Richter an, „daß wir auf Eure,harmlosen'
Worte reinfallen! Wir wissen längst, daß man
Euch ailders fassen muß. Dafür haben wir
den Dolus eventualis erfunden. Der sagt uns
immer ganz genau das, was Ihr nach unserer
Meinung eigentlich gesagt haben wollt, wenn
Ihr es auch nicht gethan habt."
„Aber, Herr Richter — —"
„Halten Sie den Mund! Ich rede, und ich
weiß ganz genau, was für schreckliche Drohungen
gegen den König Sie eben ausgestoßeu haben!"
„Da wäre ich aber neugierig!"
„Neugierig? Frech sind Sie! Aber damit
Sie sehen, daß ich Ihre Geschichte durchschaut
habe, will ich Ihnen sagen, was Sie nach
dem Dolus eventualis eigentlich gesagt haben.
Erstens: Weber allen Gipfeln ist Ruh'!' Gipfel
ist das höchste bei den Bäumen, ist also bei
den Menschen der König. Also meinen Sie
eigentlich: Ueber allen Königen ist Ruh'; das
heißt, daß Ihre Komplizen in den anderen
Ländern inzwischen die Könige abgemurkst
haben. Zweitens: ,Jn allen Wipfeln spürest
du kaum einen Hauch.' Wipfel sitzt gleich
unter dem Gipfel. Damit meinen Sie also
die Minister, die kaum noch hauchen können,
also beinahe schon todt sind. Drittens: ,Die
Vöglein schweigen im Walde.' Durch Zeugen
ist festgestellt, daß noch einige Vögel singen.
Sie haben sich also der Verbreitung unwahrer
Thatsachen schuldig gemacht. Viertens: ,Warte
nur, balde ruhest du auch!' Damit haben Sie
nur unfern guten alten König gemeint —"
„Halt, das ist doch zu viel-"
„Maul halten! Das Gericht ist sich
darüber einig, daß Sie damit den König
gemeint haben. Ich habe Seine Majestät vor
dem sicheren Tode gerettet und dafür wird er
mich belohnen. Sie aber, Sie werden zunächst
wegen Fluchtverdachts sofort verhaftet und
das Weitere wird sich finden."
Der arme Dichter hatte zwar gehofft, daß
es „noch Richter" in seinem Lande gäbe, aber
er hatte sich getäuscht. Die anderen Richter
waren ebenso gesinnt wie sein „Freund" und
nach drei Tagen baumelte er anl Galgen.
li. 8.