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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0219
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3363

Ihr und Ulir.

Das Schicksal bat Luch schon bereitet
Uor der Geburt ein weiches Nest,

Und seit Ibr durch das Leben schreitet
Ist Euer Gang ein frohes Test.

Ihr wandelt auf geblümten JTuen
empor zum Licht an sichrer Rand,

Ihr könnt des Rimmels Minder schauen
Und meiden Sumpf und Wüstensand.

euch stehen tausend Pforten offen
Zu Kunst und UJissen, JTmt und ehr',

Ihr werdet nicht ins Rerz getroffen
Uom eiendspfeil und Rungerspeer.

Ihr könnt harmonisch euch entfalten
Wie Knospen ohne Lenzesfrost,

Denn über alle Lebensspalten

Baut Reichthum Brücken euch zum Crost.

Der Herr Fabrikdirektor und Di*, phil. Blech-
schmidt dichtete. Er hatte es zwar nicht nöthig,
denn dank der reichen Mitgift seiner Frau nnd
dank seinem glänzenden Gehalt als Direktor
der „Liqueurfabrik i^ova-Zanitas-Aktiengesell-
schaft" lebte er in ganz behaglichen Umständen,

llon Robert Seidel.

Uns aber warf des Schicksals Welle
Tn stürm’scher Nacht auf öden Strand,
UJohin von all der Sonnenhelle
Kein holder Strahl die UJege fand,
Wohin von all den Srühlingswonnen
Sich keine auf die Slur gesenkt,

Und keiner von den Lebensbronnen
Die durst’ge Seele labend tränkt.

Uns hat bereits im IDutterschoosse
Die Noch ihr Zeichen aufgedrückt,

Uns fielen zu die schwarzen Loose,

Uns ward der Jugendtraum zerstückt;
Wir mussten Seuersgluth durchwandeln
Und ächzen in der Gruben Nacht
Und um ein Stückchen Brot verhandeln
Uns selbst an schnöde Goldesmacht.

brauchte also auf Nebenerwerb nicht auszu-
gehen. Es war aber Gewohnheit bei ihm.
Er hatte das Dichten zuerst blos im Geschäfts-
interesse betrieben, insofern er kleine Verse
für die Flaschenetiketten des „Nova-Sanitas-
Liqueurs" verfaßte.

Und dennoch rief das gleiche Werde
Rervor uns aus dem lDutterschoos,

Und dennoch kommt auch Ihr zur Grde
Rilflos und weinend, nackt und bloss.
Warum für euch das Sestgeläute,

3nir uns der Grabgesang der Noch?
Warum für Luch die reiche Beute,

5ür uns die Wunden und der Cod?

Warum? Warum? Genug der Jragen!
Nun stellen wir uns zum Gefecht
Und wollen heil’ge Schlachten schlagen
Sür Sreiheit, Eicht und Menschenrecht.
Dann wird das Unrecht bald verschwinden
Und auferstehn Gerechtigkeit
Und herrlich alles Uolk verbinden
Gin Blütbenkranz der Menschlichkeit.

Wenn dich Sorge plagt und Kummer,

Oder nächtlich flieht der Schlummer,

Dann verlange beim Marqueur
Nova-Sanitas-Liqueur.

Solche und ähnliche Poesien hatten bei dem
schnapstrinkenden Publikum großen Beifall ge-
funden; kein Wunder also, daß der Herr Direk-
tor eitel wurde und seine Ziele allmälig höher
steckte. Er wollte eine literarische Berühmtheit
werden und benutzte deshalb seine freie Zeit,
um die Musen mit einer Ausdauer zu be-
lästigen, die einer besseren Sache würdig ge-
wesen wäre. Leider sind die Musen sehr spröde
Damen und Herr Or. Blechschmidt hatte im
Verkehr mit solchen wenig Uebung. Als Stu-
dent hatte er fast ausschließlich Kellnerinnen
pousstrt; als er später in bessere Kreise kam,
brauchte er nur ein wenig seine Manieren,
keineswegs seine Grundsätze zu ändern. Diese
Grundsätze aber (um im Bilde zu bleiben) ver-
fingen bei den Musen nicht im Geringsten.
Er kam auch nicht weiter, wenn er sich in
Cognac oder Champagner Muth getrunken
hatte; die Göttinnen trieben dann höchstens
ihren Schabernack mit ihm und spielten ihm
allerhand böse Streiche, wie z. B. den, den ich
nunmehr erzählen will.

Herr vr. Blechschmidt schrieb an einem
sozialen Roman. Warum? Weil er auf sozialem
Gebiet Fachmann zu sein glaubte (seine Ar-
beiter meinten freilich, er verstehe so viel da-
von, wie ein Maikäfer von einer Christbanm-
verloosung), und ferner, weil besagte Spezialität
als Zugartikel gilt. Du lieber Gott, man will
doch nicht ganz umsonst arbeiten, auch wenn
man den Mammon nicht gerade zum täglichen
Brote braucht. Es giebt im Menschenleben
Augenblicke. . . ., wie hübsch ist es da, wenn
mau Geld hat, von dem die Frau nichts weiß.
Also, Feder und Tinte her, Papier zurecht-
gelegt, einen Schluck Cognac, noch einen, so,
nun los!! Hören wir, was der Hevr Direktor
eines schönen Abends znsammengebaut hatte:

Veto und arvkite!

Sozialer Roman aus der Gegenwart

von Dr. Vlechschnndt.

Motto: Nur immer fleißig arbeiten.

Der Segen wird nicht ansbleiben.

Erstes Kapitel.

Ein klarer Wiutermorgen lag auf den
Dächern der Hauptstadt. Egon lag noch im

^ Das Verhängnisvolle Manuskript. --E

Humoreske von Uarl Düker.
 
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