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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0008
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-—. 3406


^ Der Zeiten wcrnöel.

wir Deutschen sind voll Rern und Mark,
Germanias ritterliche Rinder;
wir sind zu Lande mehr als stark
Und neuerdings zur See nicht minder,
wir singen unsre wacht am Rhein,

Der Boden bebt von unsern Tritten;

wir Deutsche fürchten Gott allein

Und — Großmama, die Oueen -er Britten.

wir hätten jenem alten Herrn,

Den seines Volkes Loos verwundet,

Auf deutschem Bodeu nur zu gern
Das wärmste Mitgefühl bekundet,

Doch haben wir es nicht gewagt —
wir hätten uns hineingeritten;
wir Deutsche fürchten, wie gesagt,

Nächst Gott die Rönigin der Britten.

Wohl grenzte stark an Ungebühr
Die Art, in der wir uns betragen;

Man hat Ohm Paul -es Dauses Thür
Dicht vor der Nase zugeschlagen.

Ls überhäuft die Welt mit Spott
Uns ob so jammervoller Sitten —

Doch gelt, wir fürchte,! neben Gott
Noch Großmama, die Oueen der Britten.

wir haben einmal aufgemnckt,

Jedoch geschah's zu unferm Grame;
wir wurden nämlich bald geduckt
Von jener resoluten Dame.

Daß ihrem Fein- wir Hurrah schrei'n,
Das darf sie sich mit Recht verbitten;
wir Deutsche fürchten Gott allein
Nebst Großmama, der Oueen -er Britten.

was früher Nikolaus, der Zar,

Das strenge „Väterchen" im Norden,

Den Unterthanen Preußens war,

Das ist Viktoria uns geworden.

Stets hat, sei grob es oder fein,

Den Widerspruch sie abgeschnitten;
wir fürchten nicht nur Gott allein,

Auch Großmama, die Oueen -er Britten.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Dem zwanzigsten Jahrhundert. Gedicht. — 1901. Kopf-
leiste. — Schreiner Säge. — Die frommen Wünsche. — Syl-
vester-Wünsche. — Neue Klapphornverse. — Auf der Polizei-
station Ozeanien. — Agrarisches Liebeswerben. (Illustration.)
— Am Sylvesterabend. — Schadenfreude. — Lumpenbagasch.
(Illustration.)

$cbwarz-Rotl).

Sonst pflegten nur im tThisterlande
Sachsen

Uon (Dahl zu Cüabl die Rothen stark
zu wachsen.

Dun rührten sich auch unsre Schwaben
tüchtig -

Man wird in Sachsen beinah eifer-
süchtig.

Doch wird der Fall mit Gründlichkeit
erwogen,

So hat sich nur, was kommen muss,
vollzogen.

nicht nötbig ist, dass man die

Schwaben mahne -

Sie haben ja das Roth schon in
der Fahne.

Das Schwarz, das Fledermaus und
€ule lieben,

Das Schwarz ist freilich ungeschwächt
geblieben.

So gilt es denn, mit resolutem Herzen

fluch d i e Couleur noch gründlich aus-
zumerzen.

Zer Zoleran^Kntrag des Zentrums.

An mancherlei Wandlungen kann ich glauben:

DajZ in Sachsen sie ro(l)e Zahnen erlauben,

Daß Werkel gegen die Prügelstrafe wekkerk,

Daß waldersee alle Barer zerschmettert,

Daß die lireuzzeitung schreibt gegen hohe Zölle,

Daß das Dfsizierkorps verpönt die Duelle,

Daß Ravaliere das Spielen meiden,

Daß der Graf Purkler sich läßt beschneiden
Und Göerraköiner wird in Posen.

Daß die Berliner Pauke duftet nach Aase»,

Daß Miquel wieder Kommunist wird,

Und der Baiser von China ein frommer Christ wird,
Daß Briege verhindert die Haager Bonserenz,

Daß Birkert wird preußische Exzellenz,

Daß Buerk wird guter Sozialdemokrat,

Daß nicht mehr bgzantinert ein Magistrat,

Daß Stöcker das tilgen jich abgewöhnt,

Daß nach Titel und wrden kein Profestor sich lehnt,
Daß Major taust noch tut nächsten Jahrhundert
Als Dichter genannt wird und bewundert,

An die Reinheit der Rriminalpolizei
Rönnt' ich glauben sogar, und noch inancherlei,

Doch nie und niinmer glaub' ich, daß ehrlich
Das Zentrum ist loleranzöegehrlich.

Wohlthätiglreitspflichien.

Er: Hast Du die Neujahrsgeschenke schon
sämmtlich vertheilt?

Sie: Warte — der Schornsteinfeger war da,
der Straßenkehrer, der Ausgeher, die Putzfrau —
jetzt kairn nur »och der Bund der Laudmirthe
kommen. ——

Handelspokikrsrhes.

A. : Wie kommen die Europäer dazu, den
Chinesen ihre astronomischen Instrumente zu
nehmen und dieselben nach Europa zu befördern?

B. : Ganz einfach — sie wollen die Ausfuhr
aus China heben.

Steigerung.

Der Kaufmann Aron betrieb wie sein Kon-
kurrent Levi in derselben Gasse ein Kolonial-
waarengeschäft. Beide hatten einen neuen Glaser-
kitt unter ihre Maaren ausgenommen und ver-
suchten sich gegenseitig die Kunden abzufangen.

Wenn Levi behauptete, sein Kitt sei so gut,
daß nicht zwei Pferde eine damit zusammengekittete
Platte auseinanderreißen könnten, so prangte am
folgenden Tage auf Arons Auslage die Anpreisung,
daß der hier feilgebotene Kitt auch dem Zug einer
Lokomotive widerstehen würde. Levi gab die
Hoffnung nicht auf. An demselben Abend war
aus seinem Schaufenster ein Papierstreifen be-
festigt, welcher nur die Worte enthielt: „Mein
Kitt klebt so gut, wie Graf Posadowsky auf
seinem Ministersessel."

Damit war Aron endgiltig aus dem Felde
geschlagen, denn diese Reklame war nicht mehr
zu überbietcn.

„Es ist richtig, für die Invaliden muß etwas
geschehen", sagte der Kriegsminister, da ließ er
sich die neuesten Leierkasteumodelle vorlegen.

*

Die Buren kämpfen noch immer. Die Hoff-
nung, daß sie sich über die Angstmeierei der
deutschen Offiziellen bei Krügers Besuch todtlachen
würden, hat sich also nicht erfüllt.

*

„Auch der Humor muß zum Rechte kommen",
sagten die Schiffsrheder, da niachten sie sich über
die Unfallverhütung lustig.

*

Auch Bülorv ist ein Mann, der keinen Pardon
giebt. Er redet Alles todt.

Der Großherzog von Oldenburg verlangt eine
Erhöhung seiner Zivilliste. Wenn es in dieser
Sache zum Streik kommen sollte, so kann es der
Schildwache vor dem großherzoglichen Schlosse
passiren, daß sie als Streikposten verhaftet wird.

Dieser ganzen Auflage liegt der „Lustige Mlmanach des Wahren Zacov für das Jahr tSSI" öei.
 
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