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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0017
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. 3415

^ie Erziehung jur Gottesfurcht und frommen Sitte.

Hobelspähnr. DvD^

Der sittlichen Entrüstung
Ganz Deutschlands hielt Posa Stand,

Es schützte ihn noch immer
Von oben die starke Hand.

Hat selbst Lukanus gezaudert, —

Verloren ist dennoch der Mann,

Es ist ihm vom Schleifstein-Verbände
Der Deckel vom Hafen gethan.

„Die Welt will betrogen sein!" Diesen
schönen Spruch befolgen nicht nur Lacisz und
Konsorten, sondern auch Sanden, Pnchmüller,
Schmidt & Co.

Lange hat man sich gestritten,

Wer in Lippe herrschen soll.

Sprossen zweier Linien fühlten
Gotiesgnadenthums sich voll.

Endlich hat es sich bekundet
Wer im Lippeschcn regiert,

Für die rothen Sozialisten
Hat die Wählerschaft votirt!

Je frömmelnder und heuchlerischer so ein Tugendbold ist, desto mehr
heimliche Laster und Niederträchtigkeiten mag er auf dem Gewissen haben.

Der fromnre Direktor Sanden,
Mit Orden und Titeln geziert,
Er ward zu gemeinen Thaten
Vom Terifel Bitrn verführt.

Und als es trat zu Tage,

Da sperrt man den Frommen ein,
Die Zelle wird sanft erleuchtet
Von seinem Heiligenschein.

Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Holz und Holz — zwischen
unbestochen und unbestechlich.

Ihr getreuer Sage, Schreiner.

Die Einigung der Bergarbeiter.

Es lodern der Brgeifl'rung Flammen;
Nun hat dir alte Schmach und Nvkh
Geführt euch schließlich doch zusammen,
Der alte Zwist ist endlich todt.

Es rütteln hunderttausend Hündr
Gewaltig an dem alten Joch
Lastlos, aus daß zum guten Ende
Da« große Werk gelangt nun doch.

Umsonst nicht mehr aus dunkler Tiefe,
Wie lange Zeit hindurch zuvor,

Steigt ihr mit eurem Vollmachtsbrirfe
Zum reitend goldnrn Licht empor.

Bald wird man gute Kunde hören,

Daß ihr vergebens nicht geschafft;

Die neue Zeit mutz Kaum gewähren
Der festgeschlossnen Maffenkraft.

Venus-Theater.

Herr v. Hammerstein-Kreuzzcitung ist auf
den Gedanken gekomnien, ein Venus-Theater zu
begründen. Die Woyda und die Schnörwangc
werden daselbst als „8tars" figurircn und als
erstes Zugstück wird ein von Hammerstein und
von Flora Gaß gemeinsam verfaßtes Drama
aufgeführt werden, das den Titel hat:

Ster,ibc^rgs Leide» oder Die gekränkte llnschnld.

Die Fischer wird dabei die bekannten fünfzig
Modelle in Trikots vorführen.

Das zweite Stück wird heißen:

Hammerfteins Leiden oder Thut Buße!
4n, Stück wird Flora Gaß als Frau
Potiphar auftreten und Hammerstcin als der
unschuldige Josef.

Man glaubt, daß das Venns-Theater auf
einen großartigen Erfolg rechnen kann. Herr
Direktor v. Hammerstein soll sogar daran denken,
einen Theil der Erträgnisse der Berliner Kirchen-
baukasse zuzuiveisen.

Berlin, Anfang Januar.

Lieber Jacob!

Det neie Jahr is nu also wirklich anjerissen
un der janze Festzauber liegt hinter uns. Det
olle hat uns noch eene Haupt- un Staatsaktion
jebracht, ick meine det Bejräbniß von den Jeneral-
feldmarschall Jrafen Blmncnthal, wat von eene
militärische un polizeiliche Massenhastigkeit war,
det sich der olle Moltke, wenn er neidisch ver-
anlagt iväre, in seinem Sarg hätte umdrehen
missen. Allens wat in zweeerlei Tuch war uff-
jeboten, um mitzumachen un hinter det Spalier
von Soldaten stand een Spalier von Schutz-
leite, aber mit de Oogen nach de andere Seite,
so det se keens uff den Trauerzug schmeißen
konnten. Det is wie in de Tirkei. Wenn der
Sultan det Bcdirfniß hat, sich in 'n heiße»
Sommer mit seine Haremsdamen im Freien 'n
bisken zu amisiren, denn wird um det betreffende
Jehölz een jroßer Kreis von Soldaten jezogen,
die aber den Sultan und seine Damen blos mit
'n Ricken ansehn derfen. Womit ick aber beileibe
nich sagen will, det wir uns sojenannte tirksche
Verhältnisse crfrei'n. Een Bejräbniß is ja ooch
keen Amüsemang.

Bilow is scheene raus. Er hat so ville Orden
jekriegt, det er jar keen Platz mehr vorne hat
un nu hinten anfangen muß, wenn er de
Dinger alle anbammeln will. Un jemalt is er
ooch noch jeivorden, von Lcnbach'n nämlich, un
zwar for umsonst. Man sagt, det Lenbach 'ne
janz neie Methode anjewandt hat, indem er Bilow
in Aßfalt pinselte. Wenn't nu man nich hecßt
„Aßfalltör Bilow". So'n Eckelnamen hat der
Mensch in Berlin bald weg.

Man weeß ja freilich heile schon ziemlich all-
jemein, det Orden nich blos sor Verdienste ver-
liehen werden, sondernmanchuialooch forjroßen
Verdienst, den sich eener jemacht hat. Ick denke
da jradc an den Kommerzienrath Sanden aus
Potsdam, der mit seine Pfandbrief-Banken so
ville an so ville kleene Leite verdient hat, det se

heile sor Rinnfall nich mehr aus de Oogen
sehn kenn'n. Der Mann hat 'n paar Dage for
seine Verhaftung noch 'n Rothen Adler vierter
Jiete jekriegt. Der hat ihn ja nich vor Moabit
jeschitzt, aber 'n Trost magst ihn doch in sein
Unjlick jewesen sind, denn eener, der de Mensch-
heit im Jroßen leimt un dabei zufällig selber
mal uff'n Leim jeräth, is natirlich immer sti
Unjlicklicher. Wie sein intimer Fremd, der Frei-
herr von Mirbach, von die Verhaftung jelescn
hatte, soll er ausjeruf'n haben: „So'n Rhino-
zeros!" Womit er aber diesmal nich uff de
polit'sche Jesinnung von seinen Fremd anjespielt
hat. Seine Orden un seine sonstigen irdischen
Jieter hat der Herr Kommerzienrath natirlich in
Moabit draußen lassen missen, aber seine Jottes-
fnrcht hat er mit 'rinn jenommeu. Denn er is
mächtig jottesfirchtig un dadrum hat er ooch for
die von ihm bedrogenen Menschen keenc Bange je-
habt. Er hat jedenfalls den Beweis jeliefert, det ooch
'n Potsdamer een janz jeriebener Junge sin kann.

Kennste Wilbrandt? Dämelack! Wilbrandt
is 'n jroßer vaterländscher Dichter, dessen Uffjabe
et is, for alle jroße Leite Reklame zu machen.
Nu hat er sich Bilow ausjesucht un polkt nu an
den rum. Neilich erzählt er, det er von eener
jungen Dame die Worte jeheert hat: „Ick mecht
'n jroßes Panzerschiff sind, damit ick meinem
Vatcrlande nitzen kennte!" Haste Worte, Jacob!
Ick muß mir Luft machen un uff den Pegasuß
klettern. Also ick laß'de „junge Dame" deklamiren:

Ach, war' ick een jroßes Panzerschiff
Mit vielen starken Jeschitzen,

Un vielen tapfer» Männern im Bauch
Dem Vaterlande zu nitzen.

Ach, war' ick een jroßes Panzerschiff
Mit janz modernen Haubitzen,

Und kennte ick fahren bis Berlin,

Det wirde 'n Bilow wat nitzen.

Doch bin ick leider keen Panzerschiff,

Ick bin blos 'ne junge Dame,

Un diene Adolf Wilbrandt nur
Als neiste Bilow-Neklame.

Dein treier Jotthilf Nauke,

an'n Zörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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