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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0044
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3443

Eduard VII. von England beim Regieren.

-©/t? Hobelspahne.

»In welchem Koftüm werde ich heute wohl am forschesten aussehen?"

Und ob auch Millionen
Zu unserer Fahne stehn,

Es giebt noch zu wenig Rothe —

Da muß etwas geschehn.

Man muß das Brot vertheuern
In Deutschland Jedermann,

Dann wird bald roth ein Jeder,

Der klar noch denken kann.

Ein Gesetzentwurf gegen das Trinkgelder-
unwesen wurde in der Presse kürzlich angeregt.
Es ist aber höchst unwahrscheinlich, daß ein
solcher Gesetzentwurf vorgelegt wird, denn man
kann dem Reichsamt des Innern nicht zu-
muthen, daß es eine seiner eigenen Einnahmequellen verstopft.

Ob man Alt-Oesterreichs Lage
Auch längst als traurig kennt —

Es hat doch ohne Zweifel
Das lustigste Parlaiuent.

Die Zentrumsabgeordneten wollen nichts von der Abschaffung der
Theater-Zensur wissen, iveil sie durch dieselbe noch niemals gehindert
wurden, ihren Wählern eine Komödie vorzuspielen.

Gekommen ist die Fastenzeit, Man hat die Steuer auf das Fleisch

Doch sollst du, Mensch, nicht fasten. Dir reichlich zugewogen,

Gedenken sollst du immerdar Und wenn du fastest, hättest du
An deine Steuerlasten. Die'Steuer hinterzogen.

Arbeit macht das Leben süß — besonders das Leben der Aus-
beuter. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Zunkerlied.

Sic sollen ihn nicht haben,

Den Mittellandkanal,

Mag Miguel und Illbeinbabcn
Auch reden dutzendmal!

Sie sollen sie nicht kriegen.

Die Lippe-Masserstrass'»

Mag die Illegierung liegen
vor uns auch aut der Das'!

Solange nickt die Lölle
Gestiegen aut zehn Mark,

Solang dark keine Ikelle
Sieb rühren, Axt und Dark';

Solange Dotb muss leiden
Das kleinste Iunkerlein,

Sebn niemals sieb die beiden,

Die Llbe und der Ikbeln!

Sie sollen ihn nicht haben,

Den Mittellandkanal,

Mir lassen tbn nicht graben,

Der Staat ist uns egal! m. e.

Dumraths Abschied.

Die Zensur.

will sich Dumrath ewig von mir wenden,

Weil der Reichstag mit Plebejerhänden
Stets dem Zeitgeist schrecklich Opfer bringt?
wer wird künftig unsre Räthe lehren,
wie den Rothslift führt man und die Scheren,
wenn hinunter dich der Osten schlingt?

Dumrath.

Theures Weib, gebiete deinen Thränen,

Nur nach Ruhe geht jetzt noch mein Sehnen,
Denn zerfleischt bin ich am ganzen skeib.

Ach, ich ward — wie brennen mich die Wunden! -
<£rft gehängt, verbrannt und dann geschunden!
Such' dir einen Andern, theures Weib.

Lieber Jacob!

Siehste, det kommt davon, wenn man Reichs-
tagsabjeor'nter is un krank wird un nich in 'n
Reichstag kann, wo daun der infamichtc Sozja-
lismus die anständigsten Leite ansteckt, wie den
Freiherrn von Hcyl. So meent wenigstens König
Stumm. Andre Leite haben von Sozjalisinus
bei den Freiherrn von Heyl ooch nich det Jeringste
jemorken, höchstens det er mal'» paar vernünftige
Anwandlungen in Bezug uff unsre sozjalpolit'sche
Jesetzjebung von sich jejeben hat, wat aber schon
jenügt, um ihn in Stumm seine Oogen als
Sozialisten erscheinen zu lassen. Un deshalb is
et de höchste Zeit, det Stumm jesund wird, sonst
schwimmt mit eenmal der janze Reichstag in roth.

Ick wünsche ja nu als jebor'ner Jemiithsmensch
keen'n wat Bceset, ooch nich den Freiherrn von
Stumm. Der Manu hat uns ja schon so ville
jeuützt, det wir wirklich uffrichtig wünschen kenn'»,
er möchte bald wieder sein'» Sitz in 'n Reichs-
tag einnehmen un mal wieder 'ne jroße Rede
loslasseu. Aber aus Furcht, det der Reichstag
sozialistisch wcr'u kennte, brauchte er wirklich nich
wieder jesund zu wer'n. Bilow wacht schon janz
allccne iber't Wohlerjehen von't Deitschc Reich,
un de Konservativen sehen nu ooch sachtekcn inn,
wat se an ihn haben.

Denn er poussirt de Landwirthschaft mächtig
un hat sich for de Uffbess'rung von die Jetreide-
zölle erklärt, blos um wieville hat er noch nich
jesagt, aber det werden die Ajrarier schon fingern,
wie sie 't haben woll'n, un det deitsche Volk
kann sich den Schmachtriemen noch 'n bisken
enger zieh», von wejcn dheiret Brot. Det kommt
jrade zurechtc in die Zeit, wo det svjenannte
wirthschaftliche Leben so 'n jlänzenden Uffschwung
nach unten hin jcnommen hat un die Arbcets-
loseu alle Dage ’it Leben wie die Jroßjrundbesitzer
un die Kohlenbarone führ'n kennen. Dadrum
is denn ooch diesmal die sojenannte landwirth-
schaftlichc Woche in Berlin, wo der Bund der
Landwirthe seine Jahresparade abhält, besonders

jlänzcnd ausjefall'n un et is wieder 'n bisken Jeld
unter die Leite jekommen, die det verjniegte Berlin
bedecken; et soll ooch mancher Pump uff de neien
Jetreidezölle bei Moses & Co. anjelegt wor'n
sind. Sauer uffjestoßen is ihnen dabei die rothe
Parade, die von den Sozialdemokraten abje-
halten wurde. Stramm marschirte de rothe
Jarde ran wie immer, wenn't sich darum han-
delt, de Junker iebers unjewaschene Maul zu
fahr'». Blos Kanitz, wat de Jeriebenste unter
die Ajrarier is, hat sich ieber de Massen jefreit
un jcmeent: Brot müssen de Leite doch haben un
se soll'n et ooch haben, aber berappen missen se.

Det dümmste Jesicht aber macht der Waden-
strümpf-Freisinn. Der hatte sich, wie Bilow
antrat, schon wieder mal rejierungsfähig jesehn
un sicher jejloobt, det Bilow die Ajrarier nu den
Daumen uff 't Ooge drücken wird. Darum
haben sie 'n ooch reeneweg in 'n Himmel jehoben.
Un un kommt det dicke Ende nach un se sitzen
da, wie de betribten Lohjerber, die ihre Felle
haben wegschwinnnen seh'n. Speziell Siemens
soll sich 'ne dicke Thräne aus 't Ooge jewischt
haben, er hatte sich nu eenmal mit den Jedanken
au een Ministerportefeuille vertraut jemacht un
nu war 't ivieder Essig. So wat is bitter.

Im Jbrijen aber is det deitsche Volk mächtig
uffjekratzt von wejen de Freundschaft, die jetzt
wieder mit England anjeknippert is. Schade,
det erst de olle Königin wegsterben mußte, ehe
wir uns bewußt wurden, wie verliebt wir in
de Engländer sind. Wie haben wir uns jefreut,
wie wir jehört haben, det Lord Roberts den
schwarzen Adlerorden jekriegt haben soll, ver-
muthlich dafor, det er de Buren so jrindlich
besiegt hat, det se nu seinen Nachfolger det Leben
schwer machen kennen. Un ooch det is uns een
Trost, det der Kaiser jetzt der populärste Mann in
England is. Nach König Edeward'n, versteht sich.

Womit ick verbleibe

Dein treier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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