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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0069
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3468

Die Mell lm Wilde.

Nach „Cocorico“, Paris.

-»> Nach Sibirien!

(Liehe nebenstehendes Bild.)

- Und Sonnenlicht und eine letzte Ruh'!.

Auf diesem weg voll Schmerzen und voll Wunden,
voll Schweiß und Blut, unselig Rind, hast Du
In engen wänden kurze Rast gesunden.

Und schrill ein pfiff - und lauernd über Dir
Die Rohheit und die Gier bezahlter Schergen -
wo ist die Nacht, die tiefe Nacht, vor ihr
Der zarten Linien Schönheit zu verbergen?

Unselig Rind! - ich steh' im tiefen Thal
Und seh' im Grauen fahler Morgenlichte
Dein blasses Bild mir leuchteir wie ein Mal,

Gin ehern Denkmal in der Weltgeschichte.

Und aus dem Dämmer taucht ein zweites Bild:
Ich hör' im Geist der röm'schen Tuba Dröhnen
Und seh' des Zirkus weites Rund gefüllt
von Messalinen und Zäsarenföhnen.

Und schau' entsetzt aus rothgesärbtem Sand
Jungsrauenglieder unter Tigerpranken

Aufzucken-Rind I an Deines Rerkers wand

Schreiben mit Blut die stürmenden Gedanken.

Ob sie Dich peitschen mit Skorpionen auch,

Ob sie Dich schänden und zu Tode jagen, -
Um Deine Stirne weht der Sonnenhauch,

Der reine Hauch aus gold'nen Zukunftstagen!

Dein Auge träumt in schwer erkämpfter Zeit:

Da trennt kein Markstein mehr der Völker Kerzen,
Zum Abgrund floß ein tausendfältig Leid, -
Der Menschheit Glück erblüht aus Marthrschmerzen.
Geh' leuchtend denn in ewige Rnsterniß:

Sibiriens Gis zerschmilzt in Freiheitsflammen -
Und über Deinem Grab - deß sei gewiß -
Bricht krachend die vermorschte Welt zusammen!

Llara Müller.
 
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