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— B494 . •-

Der schwarze Freund.

In unsrer Erde Jammerthale,

Da ist ein Freund uns zngefellt,

Der Schwarze ist's, der Klerikale,

Der zu dem Wähler treulich hält.

Mit den Besitz- und Heinrathslosen
Kämpft er „für Freiheit und für Recht",
Und mit den Reichen, mit den Großen
Steht er sich nebenbei nicht schlecht.

Merk', Wähler, wo der Schuh dich drücket,
Und was dir nöthig, weiß nur er,

Lr ahnt, daß dich allein beglücket
Die Freude an dem Militär.

Lr glaubt, du liebst den Flottensegen
Und nach Torpedos schmachtest du,

Drum kommt dem Tirpitz er entgegen
Und stimmet jeder Ford'rung zu.

Auch wird er nimmermehr vergessen,
was deines Leibes Wohl begehrt.

Lr weiß, daß allzu vieles Lffen
Den Magen lästig dir beschwert,

Lr will, weil üpx'gen Schwelgereien
Manch' schweres Leiden schon entquoll,
vonr Ueberflusse dich befreien,

Drunr stimmt er für den Nahrungszoll.

wenn er vertritt der Wähler Massen
Im Reichstag, schlägt er tapfer drein,

Du kannst dich fest auf ihn verlassen:

Sein „Nein" ist „Ja", sein „Ja" ist „Nein".
Mit Nachdruck wird er opponiren,

Doch strebt er gutem Lnde zu,

Und weiß zuletzt zu xrofitiren
Im schlauen Handel um die Ruh.

Lr hütet deinen Seelenfrieden,

Lr sorgt, daß nichts dir Zweifel schafft,
Drum will er, daß vom Volk gemieden
Sei Bildung, Kunst und Wissenschaft.
Lr will, daß seiner Herde Schafen
Die heil'ge Einfalt dient als Zier,

So sollst in seiner Hut du schlafen
Als wie ein frommes Murmelthier.

So kannst du ihn am Werke sehen,

So strengt er für dein Heil sich an,

Du aber willst ihn nicht verstehen,

Du aufgeklärter Arbeitsmann.

Du läßt vom Rothen dich umgarnen,
weil er nach Wahrheit ringt, nach Licht,
Jedoch dem liebevollen warnen
Des schwarzen Freundes folgst du nicht. m.k.

Inhalt der Antrrlzaltungs-Veilage.

Schrecklicher Traum eines Berliner Spießbürgers. Illu-
stration. — Korn-Märlein. Von M. E. — Der Futtersack.
Von Max Eitelberg. — Der verlorene Sohn. Von M. K.
— Die wässerige Zukunft. Illustration. — Aus einer Sitzung
des Bundesraths. Von E. R. — Kein Schuhmacher! Illu-
stration. — Ostasiatische Stimmungen. Von M. K. — Der vor-
sichtige Minister. — Das Mädchen für Alles. — Zukunftsbild.
Von H. E. — Briefkasten.

Der Marlchsllsslab.

O Jemine, jemine, jemine!

Was machen Sie denn, Herr v. Walderser,
Sie aller, besonnener Knabe?

Sie lassen sich räuchern aus warmem Nest,
Es verbrannte Ihr Zelkhaus ans Asbest
Und die sämmlliche fahrende Habe!

De« Laiserxalastes genießbarsten Theil
Verzehrte bei Nacht in gespenstischer Cil'
Die Flamme, dir gierige, rasche?

Die Gründe des Brandes sind noch nicht klar;
Es verbrannte, unglaublich klingt es, sogar
Lin General mit zu Asche!

Bei näherem Zusehn genügt uns nicht
Ihr stüchtig-lakvnischer Drahtbericht, —
Das Wichtigste bleibt uns verschwiegen.
Wir wüßten so gern, ward der Marschallsstab
Entrissen dem wabernden Flammengrab
Oder blieb er versehentlich liegen?

De« obersten Führers Rettung gelang,
Indem er behende durchs Fenster sprang, —
Wir preisen der Vorsehung Walten,

Doch wüßten wir gern, ob den Marschallsstab,
Den ihm beim Auszug sein Kaiser gab,

Lr dabei in der Faust gehalten.

Ging verloren in Pekings schreckensnacht
Vas Zeichen der Würde, dasZeichrn derMacht,
Wir würden uns härmen und grämen.

Wir hoffen, die Rettung wird festgestellt,
Sonst müßten wir Deutschen vor aller Welt
Vis ins Mark der Knochen uns schämen.

Geheime Versammlung der Agrarier.

Hahn: Der Reichskanzler verspricht uns Alles,
aber er thut nichts; es kann so nicht weiter
gehen. Wir müssen zur Sozialdemokratie
übertreten. Da wird die Regierung erschrecken
und mit dem Zolltarif Herausrücken.

Rösicke: Und uns einen Achtmarkzoll auf
Roggen zugestehen.

Wangenheim: Von da bis zum Zehnmark-
zoll ist nur ein Schritt. Ich habe nur ein Be-
denken: Die verfluchten Kerls, die Sozialdemo-
kraten, sind im Stande, uns gar nicht aufzunehmen.

Hahn: Dann bilden wir eine eigene sozial-
deniokratische Fraktion.

Kardorff: Und wie nennen wir uns?

Hahn: Partei der ländlichen Tagelöhner!

Oertel: Tagelöhner? — Da muß ich ja meine
weiße Weste ablegen!

Wangenheim: Grundrcntensozialisten! Das
klingt schön in Bezug aufs Ziel.

Ein Unbekannter: Da weiß ich einen Na-
men, der gleich populär werden wird: Agrar -
Sozialdemagogen! (Furchtbarer Lürm.z

Alle: Ein Spion! Ein Verräther!

Der Unbekannte: Sozialdemagogen ge-
nügt auch; die Bauern werden es schon verstehen.
Es genügt auch Demagogen allein!

Alle: Haut ihn! (Der Unbekannte wird geprügelt
und hinausgeworfen.) __

Wer war Bismarck?

Bekanntlich wird von Zeit zu Zeit ein kleines
Frage- und Antwortspiel in der Armee veran-
staltet, und so las man denn kürzlich wieder eine
Notiz über ein derartiges „Interview", bei
welchem von 78 Rekruten blos 14 auf die
Frage: „Wer war Bismarck?" halbwegs richtig
geantwortet hatten. Die andern machten ihn
zum ersten deutschen Kaiser, zu einem Dichter
und lveiß Gott ivas. Wir haben uns nicht die
Mühe verdrießen lassen, das betreffende Material
zu vervollkommnen und geben hiermit die erste
Blüthenlese unserer Erfahrungen.

Auf die Frage: „Wer ist Bülow?" meinten
einige Rekruten: der Erfinder der Glacehand-
schuhe; ein paar andere: der Herausgeber eines
Witzblattes; ein dritter: der Verfasser von Büch-
mann's Geflügelten Worten. Daß er deutscher
Reichskanzler sei, war nur einem Rekruten bekannt.

Auf die Frage: „Wer ist Posadowskp?"
erfolgten ähnliche Antworten. Zehn Mann hielten
ihn für einen Kommis bei Bueck; drei für den
Direktor eines Zuchthauses. Einer hielt ihn sogar
für ein Mädchen, das eine Mitgift von 12000
Mark von Papa Wuttky zu erwarten habe.

Nicht minder unbefriedigend war das Resultat
der Frage: „Wer ist Miguel?" Einer sagte,
«in Revolutionär und Kommunist, der ans den
Barrikaden gefallen sei; ein zweiter, der offenbar
etwas von einer Steuerschraube läuten gehört
hatte, nannte ihn eine alte Schraube. Wieder ein
anderer hielt ihn für den Entdecker des Dalles u. s. m.

_^_ M. E.

Widersprüche des Lebens.

Ein Asbesthaus ist unverbrennlich»

Mitunter dennoch es verbrennt,

Wie Pärchen» die als unzertrennlich
Gegolten» oft ein Zufall trennt.

So wird dir, Freund, auf deinen Pfaden
Manch Widersprüchlein aufgerollt:

Zum Beispiel, das; „von Gottes Gnaden"

— Siel; Milan — auch der Teufel l;olk.

Das; mancher Zentrums-Volksverkreker
Viel lieber Krupp und Stumm vertritt.

Und mancher Keuschheits-Schwrrenöther
Tief in den Pfuhl der Sünde glitt.

Und dast die „Edelsten und Vesten"

Die Schäbigsten und Schlimmsten fein; —

Den Bauch die Seelenhirken mästen
Und dank der Köchin gut gedeih».

Dah Mauern, die bestimmt „zu trotzen
Der Zeit und Ewigkeit" vergehn.

Mag man davor Kanonen protzen
Und Wächter heihen Wache stehn!

So steckt die kläglichste Misere

Sich oft ein schmuckes Lärvchen vor, —

Das mutz in dieser Zeiten Schwere

Uns frisch erhalten den Humor! E.
 
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