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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0220
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3623

Lairdrsväkerliche Fürsorge.

„Laßt die Kinblctn zu mir kommen!"
Sagte Serenissimus,

„Denn sie sollen jetzt genießen
Meiner Gnade tzeilserguß."

Und die armen Rindlein kamen.
Und sie zitterten enorm.

Denn die Gnade winkte ihnen
Leider hier in Ruthenform.

-ex? Hovrlspölnie.

Herr Eduard der Dicke,

Er sprach mit trübem Sinn:

Wie tief kam ich herunter,

Seitdem ich König bin.

Gefangne mordet Kitch'ner
Und schickt Rapport mir ein —

Ich muß der Chef und Kriegsherr
Gemeiner Mörder sein.

Der Reichskanzler Graf Bülow feierte kürz-
lich in voller körperlicher Rüstigkeit und geistiger
Frische das Jubiläum seiner einjährigen Kanzler-
schaft. Die zahlreichen Gratulanten vereinigten
sich in dem Wunsche, daß er die nächstjährige
Wiederkehr des Festtages noch erleben möge.


Ein kathol'scher Tanzkurs wurde
In Berlin jüngst etablirt,

Und es heißt, daß sich die Jugend
Dabei schönstens amüsirt.

Dort lernt man auch Eiertänze,
Und wer dabei exzcllirt,

Darf erwarten, daß fürs Zentrum
Er zum Reichstag kandidirt.

Die Frage, wofür eigentlich Graf Waldcrsee seinen jüngsten Orden
erhielt, ist sehr leicht zu beantworten: für unerschrockenes Benehmen bei
Feuersgefahr. . .

Wer annahm, daß irgend ein Vogel
Den Weg zu Virchow fand,

Der hat es vergessen, daß dieser
Ja nie bei der Garde stand.

Ein südamerikanischcr Polizist wurde von einem deutschen Matrosen
geprügelt. Und da redet man noch gegen die Flotteupolitik! Wer hätte
den Kerl prügeln sollen, wenn wir keine Flotte hätten?

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Vom politischen Jahrmarkt.

Die Iunker woll'n den Thielen spießen,
Veil der -Ranal sie thut verdrießen.

Var schlimm ist das kaudin'sche Joch,
Leicht schlüpft hindurch der Freisinn doch.

podbielski giebt die Milch nicht her.
Das ärgert unfern Ring gar sehr.

Lauf', Mädchen, hinter Männern nicht.
Sonst sperrt dich ein das Landgericht.

Schnitzel.

Verschiedene sächsische Industrielle wollen ihre
Betriebe nach Rußland verlegen, um die Lasten
des Zolles zu ersparen. Die Sache wird sich ohne
Schwierigkeit einrichten lassen, da die sächsischen Ar-
beiter an russische Zustände schon gewöhnt sind.

Dem Emir von Afghanistan
Ward nicht gestohlen sein Thron,

Denn anderswo war beschäftigt
Die Zivilisation.

Sie hatte nicht Zeit für Herat
Zu einer Teufelei,

Sie würgt in Afrikas Süden,

Sie stiehlt in der Mandschurei.

Die Virchow-Feier in Berlin hatte einen recht
wehmllthigen Beigeschmack. Es wurde vielfach
an die schönen Zeiten erinnert, da der Berliner
Fortschritt noch Rückgrat besaß. Die Abwesen-
heit dieses Artikels ist in neuerer Zeit durch An-
wendung von Röntgenstrahlen endgiltig festgestellt
worden. .

Amerika hat die Philippinen schon lange in die
Tasche gesteckt, aber sie fallen immer wieder heraus.

De Berliner Stadtväter sind mehrschtendecls
interessante Leute. Wenn man so verschiedene
davon unter die Brille nimmt, denn bejrcift man
nianchet, wat man sonst nich versteht. Da is
zum Beispiel eene Jröße, der Stadtveror'ncte
Jakobi, der durch seine Tochter berihmt jeworden
is, die mal vor'n Kaiser von Oesterreich, wie er
't letzte Mal hier war, bei die Bejrießuug eenen
Vers hcrsagcn durfte, wosor se eene brillaut'uc
Brosche jekriegt hat. Wat nu ihr Vater is, von
den is jesagt wor'n, bet er sich in seine Eijen-
schaft als Stadtveror'nter un Inhaber von so

un so ville städt'sche Ehrenämter uff janz be-
sondere Weise ausjezeichnet hat. Von wejen eene
Hand wäscht de andere un so wat. Trotzdem
hat er in eene Wählerversammlung noch mächtig
uff 't hohe Ferd jesessen un hat dabei een paar
sozjalpolit'sche Ansichten losjelasseu, for die er
eejentlich noch rasch for die Wahlen ’tt Orden
hätte kriegen missen. Er meente, bet eigentlich
de janzen Steiern von een Drittel von die Ein-
wohnerschaft uffjebracht wirden, bet aber de
andern zwee Drittel, wat de besitzlosen Klassen
sind, for alle Wohlthaten nich mal Danke scheen
sagten. Wenn ick nu dabei jewesen wäre, den»
Hütte ick jesagt: „Entschuldijen Sie man, bet ick
jeboren bin, indem bet ick nich dafor kann. Un
denn haben Sie jar keenc Ahnung, mit wat for'n
Hochjenuß ick recht ville Steicr» zahlen wirde,
wenn ick den nöthigen Draht dazu hätte. Aber
ick habe ihn nich, indem dct ick in die Wahl von
meine Eltern nich so vorsichtig jewesen bin, wie
Sie. Un dafor soll ick nu ooch noch Danke scheen
sagen? Nich zu machen!"

Det wirde ick jesagt haben, aber indem bet ick
nich dabei war, is et nich jesagt wor'n.

Eener hat ne jute Jesinnung, un dafor kriegt
seine Tochter 'ne brillant'ne Brosche, andre kriegen
for jute Jesinnung 'n jutcs Mittagessen un jute
Behandlung, wat ooch nich ohne is. Ick meene
hierbei Kirschneru un Hoffman». De Folgen
von so 'n jutes Essen mit frcindliche Behandlung
nennt man jetzt in Berlin „den anjedeiteten
Winschen Rechnung tragen ohne Aufjabe der
Jrundidee un unter Wahrung des Rcchtsstnnd-
punkts". Wat det is, wccß ick nich jenau; aber
ick jlobe, det soll soll Heeßen: der eijentliche Ober-
birjermeester von Berlin thront nich in 't rothe
Haus un heeßt ooch »ich Kirschncr.

Womit ick verbleibe

Dein jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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