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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0246
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3650

Weihnachtsfeier.

Merkt auf, ihr Rinder, große, kleine!

Ls naht der alte Märchentrauin,

Ls funkelt in der Rerzen Scheine
In bunter Pracht der weihnachtsbaum.

Da kommt der Friede auf die Lrde,

Da flammt des Mitleids mildes Licht,

Man spricht mit segnender Geberde
Von Menschenliebe, Bruderpflicht.

Die Welt durchfliegt die Friedenskunde —
In Transvaals blut'gen wüstenei'n
Stellt Ritchener auf eine Stunde
Vielleicht sogar das Morden ein.

Und, eine Rührungsthrän' iin Blicke,

Beim Rlang der weihnachts-Liturgie
Fällt Rönig Lduard der Dicke
Vor Onkel Rrüger auf die Rnie.

Der Weihrauch dampft, die Orgeln brauseir,
Ls tönt, wie himmlischer Gesang —

Des wuchrers Herz erfaßt ein Grausen
Bei diesem wundersamen Rlang.

Denn er gedenket seiner Sünde
Und fühlt, daß er sie sühnen muß,

Drum schenkt er einem armen Rinde
In Gnaden eine Pfeffernuß.

Der Weihnacht freudenreiche Tage,

Ja, das ist eine heil'ge Zeit
Da fühlt sich von des Alltags Plage
Das arme Menschcnhcrz befreit;

Da werden selig unsre Seelen
Versenken sich in Andacht tief —

Man wird indeß das Brot uns stehlen
Beim Schachern um den Zolltarif.

Auch du sollst mir das Fest nicht meiden,

Du hartgefottner Sozialist,

Sollst nrit dem Sonntagsrock dich kleiden,
Sofern er nicht im Leihhaus ist.

Und dringt die Botschaft dir zu Ohren
Der Rirche, der Vcrkünderin,

Daß der Erlöser sei geboren,

Du stimmst ihr zu - in deinem Sinn. m.k.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

An das englische Volk. — Gedankenbalken. — Traum eines
Redakteurs. Illustration. — Ich wollt' ich war' das Christus-
kind . . . Von M. E. — Weihe-Nacht. — Ein Weihnachts-
geschenk. Von Clara Müller. — Mitleid. Illustration. —
Der grüne Wagen. Von M. E. — Momentbilder. Von Max
Kegel. — Vorm Kurszettel. Illustration. — Wenn er wieder-
käme! Illustration. — Plötzenseer Bilderbuch. — Der Toast
zweier Henker. Illustration. — High-life. Von M. E. —
Die Welt der Kleinen am Weihnachlssest. Illustration. —
Zwiegespräch. Von D. R. — Sächsisches. Von D. R.

Arbeite und bete!

Line chinesische Legende.

Ein Missionar, der unverhohlen,

Geraubt, geplündert und gestohlen,

Traf einen zweiten Ordensmann,
vor einem llreuze kniend an.

„Jetzt", ruft er, „ist nicht Zeit zum Beten,
Jetzt schaff' Dir, Freundchen, doch Moneten,
Koftbarc Seidenkleider, Schmuck.
Gelegenheit macht mit 'nem Kuck
Uns beide zu schwerreichen Leuten!"

Da spricht der Andre mit Bedeuten:
„Das, lieber Bruder, that ich schon,

Nun fleh' ich — um Absolution!"

__ M. E.

Zur Durllfrage.

Leutnant v.Klapps: Was sagen Sie, Herr
Kamerad, zur Entrüstung des Reichstags über
das Duell?

Leutnant v. Tapps: Einfach lächerlich —
was verstehen denn diese Leute von unseren An-
gelegenheiten! Avancementsoerhältnisse sind in
der faulen Friedenszeit einfach miserabel! Können
daher unmöglich auf den Glücksfall verzichten,
daß 'mal ein Vormann im Duell erschossen wird.

, M. K.

Mildernder Umstand.

Richter: Sie sind wegen groben Unfugs, viel-
facher Beleidigung und zahlreicher Körperver-
letzungen angcklagt. Was haben Sie zu Ihrer
Entschuldigung anzuführen?

Angeklagter: Ich mar während einergänzen
Session Mitglied des österreichischen Reichsraths.

M. K.

Meschen.

Ihr Polen habt als Deutsche euch zu fühlen,

Gin polnisch Uolk und Reich besieht nicht mehr;
Lasst also ab vom Hetzen und vom wühlen,
Sonst spornt ihr uns zu sebarfer Gegenwehr!

Ihr reizt die Kinder auf, nicht deutsch zu beten,
Doch für die Jolgen seid ihr einfach blind;

So blast ihr frech die polnischen Drommeten,
wofür die Schläge kriegt das dumme Kind.

Dann sucht ihr gar gewaltsam zu verhindern,
was renitenten Polen ähnlich sieht,

Dass in der Schule an besagten Kindern
Streng, doch gerecht die Strafe man vollzieht.

Die Häscher »ahn, nun ihr die Schuld begangen,
Und des gerechten Zornes Stimme spricht:
„Dehmt dieUerbrecljer, IDann wieweit», gefangen
Und überliefert alle dem Gericht!“

Der gahre sechzehn waren das Grgebniss,

Die zu verbüssen sind im Sträflingskleid;
vielleicht verhütt euch Polen dies Grlcbniss
Zu der Grkenntniss, dass ihr — Deutsche seid!

r. r.

Die Haager Friedenskonferenz.

Der Verwaltungsrath des Haager Schieds-
gerichts, ivelches von der Friedenskonferenz ein-
gesetzt wurde, hat sich für unzuständig erklärt,
in Sachen der Buren irgend etivas zu thun.
Darin haben die Schiedsrichter ganz Recht, denn
es ist keineswegs die Aufgabe eines Friedens-
gerichts, Frieden zu stiften. Was es denn sonst thun
solle? fragt der geehrte Leser. Es soll alles thun,
ivas die Mächtigen der Erde nicht belästigt; es
soll also Kaninchen züchten, Affen dressiren, Auto-
mobilsport treiben, Zigarrenabschnitte sammeln,
ein Resornr-Korsett erfinden, mit alten Hosen
handeln, Sandflöhe fangen, Rennpferde prä-
miren, Schnee schippen, lebende Elephanten mit
Röntgenstrahlen photographiren, Karten schlagen,
Kneippsd-e Güsse verabreichen und holländische
Waffeln backen. Zn diesen und ähnlichen Be-
schäftigungen sind die Friedensstifter zuständig,
nur der Völkerfriede geht sie nichts an. m.k.

Uns einer Vertheidignngsrede.

Rechtsanwalt (bei der Vertheidigung eines Falsch-
münzers) : Ich bitte Sie zu bedenken, meine Herrn
Geschworenen, daß der Angeklagte aus edlen
Motiven gehandelt hat. Er hat nur dem bei der
jetzigen Krise sehr lästig werdenden Geldmangel
etwas abhelfen wollen. n. p.

A. : Was halten Sie von dem Streit zwischen
Chamberlain und den deutschen Philistern?

B. : Ein Wettbewerb, wer den Mund am

weitesten aufreißen kann. m. k.

Die Speichellecker (nach Darwin).

„Gliedmaßen, die stark im Gebrauch sind, wie
z. B. die Beine der Balleteuse, werden muskulös
und dick."

„Na, dann möchte ich mal die Zungen mancher
Hofleute sehen." , f.

Aus der ReichshaupMadk

wird uns geschrieben: Nachdem der beliebte Hu-
morist des Naüonal-Varietös, Herr Fr. Ege,
seine definitive Kündigung eingereicht hat, muß
leider jeder Versuch als aussichtslos bezeichnet
werden, genannten Herrn, der dem bekannten
Hause am Königsplatz so manche Stunde un-
getrübten, heitersten Genusses bereitet hat, diesenr
noch länger zu erhalten. So schmerzlich diese
Kunde aber auch alle Besucher und Freunde
unserer Reichshauptstadt berühren wird, so er-
freulich dürste es ihnen sein, zu erfahren, welche
Schritte die Direktiorr bereits gethan hat, die
Lücke ausznfüllen. In Erinnerung an die durch-
schlagenden Erfolge eines anderen Mitglieds des
Hauses, des beliebten Klowns A. H. L. Wahrdt,
hat man nämlich bereits mit einer anderen erst-
klassigen Kraft: dem in letzter Zeit viel genannten
Groteskkomiker Pückler-Klein-Tschirne Verhand-
lungen angeknüpft, deren Abschluß in Bälde zu
erwarten ist. Ja, wie uns von zuverlässiger
Seite berichtet wird, ist ein solcher bereits erfolgt
und soll es sich nur noch um die Frage handeln,
ob die Glanznummer des Pücklerschen Pro-
gramms: „Eine gräfliche Verhaftung. Große
humoristisch-pantomimische Szene", das Pro-
gramm einleiten oder beschließen soll. d. r.
 
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