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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0015
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3671

"cvt? Moderne KrnsiMure.


Denkmalsprojekt, um den Sinn für's Ideale bis in die
untersten Volksschichten zu tragen.

-evt? Hovelspälzne. 'DvD-

Warum nicht in polnischer Sprache
Darf beten das polnische Kind,

Da seine Gebete doch einzig
Zum Himmel gerichtet sind?

Der Himmel zu allen Zeiten
War international,

Die preußische Sprachenvcrordnnng
Gilt dort auf keinen Fall.

„Minimaltarif ist Unsinn —!" daran
läßt sich freilich nichts ändern, aber Schiller
sagt schon in der Jungfrau von Orleans: „Un-
sinn, — Du siegst!" — Darin liegt eben das
Gefährliche.

Stell' nur nicht dar der armen Leute Noth,
Das heißt verstoßen gegen's Kunstgebot;

Stell' dar die Menschheit wohlgenährt und dick,

Dann weichst du aus jedwedem Mißgeschick.

Der Reichstag ist in seiner Präsenz häufig so schwach, daß in Re-
gierungskreisen ernste Besorgniß herrscht, ob er ivohl die Kraft finden
werde, beim Zolltarif über den Stock zu springen.

Der Fasching hat begonnen
Will lustig sich entfalten —

Nun kann das fromme Zentrum
Die Wähler zrnn Narren halten.

Im österreichischen Parlament hat kürzlich ein Parlamentarier dem
anderen das bekannte Zitat aus dem „Götz" zugerufen. Er hätte es lieber —
der Kultur zurusen sollen, denn von der Kultur ist das österreichische
Parlament noch nicht „beleckt" worden.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Phystkalischrs.

Der russische Gelehrte Lebedef hat nachgewiesen,
daß die Lichtstrahlen auf Flächen, auf die sie anf-
fallen, einen mechanischen Druck ausüben.

Alle Welt staunt über diese Entdeckung, nur
unsere Reaktionäre und Dunkelmänner zucken mit-
leidig die Achseln. „Uns offenbart ihr damit
nichts Neues", hörte ich einen orthodoxen Kon-
sjstorialrath sagen, „wir kennen das längst, denn
wir haben seit Jahrhunderten unter dem Druck
des Lichts zu leiden gehabt." a. 8.

Schon lange besteht der Schillerpreis,

Der Dichtkunst zu Nutz und Froinmen,
Doch hätt' ihn Gotthold Lessing nicht,

Noch Heinrich Heine bekommen.

Koloristische Injurie.

Der Vorsitzende eines sozialdeniokratischen Ver-
eins im Wahlkreis Teltow-Beeskow ist mit einem
polizeilichen Strafmandat über zehn Mark bedacht
worden, weil er Eingaben an den Amtsvorsteher
init rother Tinte geschrieben hatte und dadurch
groben Unfug verübt haben sollte. Auf seinen
Einspruch hob das Gericht das Strafmandat zwar
auf, wies aber darauf hin, daß die Anfertigung
von Eingaben mit rother Tinte als eine Belei-
digung des Amtsvorstchers anzusehen sei.

Diese Ausdehnung des Strafrechts auf das
Gebiet der Farbenlehre begrüßen wir als durchaus
zeitgemäß. Zugleich aber müssen wir aufrichtig
bedauern, daß strenggercgelte Vorschriften über
die im Verkehr mit der Obrigkeit zu benutzenden
Schreibutensilien für die preußischen Unterthanen
noch immer nicht existiren. In einigen Bezirken
soll freilich bereits ein Anfang dadurch gemacht
sein, daß „vertrauliche Mittheilungen politischen
Inhalts" an die Polizeibehörden nur auf reinem
Lumpenpapier niedergeschrieben werden dürfen.

J. 8.

Eine Geschichte.

Serenissimus wandelte eines schönen Tages vor
seinem Schlosse auf und ab. Da sah er einen
Bettler am Wcgesrand tiefbekümmert sitzen,

„Was fehlt Dir, mein Sohn?" erkundigte der
Fürst sich huldvollst.

„Eure durchlauchtigste Hoheit", erwiderte der
Angeredete, „ich habe seit drei Tagen nichts ge-
gessen und weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen
werde."

Der gütige Fürst sann einen Augenblick nach
und sagte: „Siehst Du jenes Thier dort mit grauem
Felle und langen Ohren?"

„Ick sehe es", antwortete der Bettler.

„Nun, dann rede mich einmal mit dem Namen
des Grauthiers an."

Der Bettler that, wie ihm geheißen, worauf
ihm der Fürst leutselig auf die Schulter klopfte:
„So, mein Freund, jetzt bist Du auf mindestens
sechs Monate versorgt."

Kaum hatte der Fürst dies gesagt, als ein
Gendarin den Bettler ergriff und ihn wegen
Majestätsbeleidigung in Arrest brachte, m. e.

Noch eine Stimme
zu Gunsten des neuen Zolltarifs.

Brief der Lhansonetten-Sängerin §ift an ihren Freund
Ulrich Freiherrn von Lchnodderitz.

Lihber Ulrich! teihle dir mit, daß ich mang Di
eihnzige meglichgeit sehe dier Meine ljhbe zu er-
hallen indem das Du dein taschngelt aufbeserst,
dan kanstu mier auch die buthons kaufn wi der
Mizi ir verercr was ein fahbrigant is und kaust
sekt knaln lasn un nich imer schofln Rotspon wi
gehstern. Du must ahlso deinen onkl was ihm
reichsdack sitz bitn, das er führ hehern zol stimm
tuht, sonst wende ik mier auch der industri
zu grazo wi di Mizi ik Hades sat, lengr noht zu
leiden. Wehle ahlso zwischen den hehern zol un deiner
dichlihbendn Fist, Schansonete.

WoMeimigen für das IaZr *902.

von Dr. Lnlenspiegel.

Im Jahre 1902 wird eine große Sonne ufinster-
niß eintreten: dieselbe dauert bis zum 31. Dezember
und wird am deutlichsten in den Zentrumswahl-
kreisen zu beobachten sein.

Die Völker Europas werden auch in diesem
Jahre an der Suppe zu löffeln haben, die ihnen
die Diplomatie in China eingebrockt hat.

Krupp wird sich um den Nobelschen Friedens-
preis bewerben mit der Begründung, daß der
„bewaffnete Friede" ihnt zu danken sei.

Die verschiedenen Bankkrache und Arbeits-
einstellungen werden eine schlimme geschäftliche
Krise herbciführen. Reichskanzler Graf Bülow
macht, um dem allgemeinen Nothstand abzuhelfen,
den Vorschlag, die Getrcidezölle zu verdoppeln
und die sämmtlichen Lebensmittel gründlich zu
besteuern. Die deutschen Universitäten überreichen
ihm darauf gemeinsam durch eine Deputation
den Ehrendoktorhut, den der weiland berühmte
vr. Eisenbarth getragen hat.

Graf Arnim hat glücklich in Hinterpommern
einen Vater entdeckt, der all das Seinige ver-
soffen hat, so daß seine Familie in Noth ge-
rathen ist. Bei näherem Zusehen stellt sich aber
heraus, daß es kein armer Arbeiter, sondern ein
junkerlicher Rittergutsbesitzer ist, der sein Elend
im Sekt ertränkt hat.

In Oesterreich dauern die parlamentarischen
Katzbalgereien und Prügeleien immer noch an.
Ein Antrag, für den Rcichsrath ein Exemplar
von Knigges „Umgang mit Menschen" anzu-
schaffen, wird mit großer Majorität abgelehnt.
 
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