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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0054
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-'—. 3710


Heilige öräver.

Rudolf Lavant.

Lin Volk ist dann nur tapfrer /Dünner vvertb
And dann allein darf Kokken es auf neue,
Menn es die Todlen nocb im Grabe ebrk
And ibre Dügel pflegt in eebter Treue.

Drum werde dankbar derer auch gedacbt
Die unsre jfabite in den Ilrampt getragen,

Die in Werlin die Warrikadenscblacbt

/Dit festem /Dutb begeistrungsvoll gescblagen.

Das Volk empfindet stark und tief und zart.
Am Innersten gepaekt von jenem Dingen,

Dat sicb's vom /Dund den Wissen abgespart,
Am seinen Todten einen 1Kranz zu bringen.
Ls zog btnans beim ersten Tagesgraun,

Am Frübltngsnebel und in Sturm und Degen,

Am sieb an jener Stätte zu erbau'n

And aut die Dügel seinen ikranz zu legen.

/Dil scbönen Morten, die ja billig sind,

Wegrub man sie und mit erpressten Tbränen,
Dann aber drebte plötzlicb sieb der Mind
Ls ward Verlegenbett, sie zu erwabnen.

Mer bat es laut zu rügen nocb gewagt,

Als die Verleumdung dreist ibr Grab bespieen?
Ls ward das Seblimmste tbnen nacbgesagt,
And jedes /Dakels wurden sie gezieben.

Das Volk allein gedacbte seiner ptlicbt
An jenen trüben, würdelosen Tagen;

Das Volk allein vergass die Todten nicbt,

Die man binaus zum Friedricbsbain getragen.
Dur in den Dellern nocb und unterm Dacb,
Von russgescbwürzten, sebntgen Gestalten,

Gb man sie aucb gebindert bunderttacb,

Mard ibr Gedäebtniss dankbar testgebalten.

And stummer, beisser Derzensdank gebübrt
/Dit vollem Deckt den Docbgemutben, Wraven,
Die in den Ikampt der Freibeit Nut getübrt
And die nun längst Ln tiefem Frieden seblaken.
Mar's docb Kein leerer, trügertseber Mabn,

Für den die Trotzigen, die IKübnen stritten —
Dem Volke bracb der Gptertod die Wabn,

Den freudig sie und obne /Durren litten.

Fübrt eure Iktnder an die Gräberreibn,

Denn rascb entflammt für Grosses sieb die Äugend;
prägt ibnen Lbrturcbt für die Todten ein,'
Lebrt sie bewundern ibre Würgertugend.

Das sei der Dank, den ibr den Wraven zollt
And einen bessern könnt ibr nimmer spenden»
Denn was die Delden jener Leit gewollt,

Lin kommendes Gescblecbt wird es vollenden.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Der Arbeitsmarkt. Illustration. — Einst und Jetzt. Von
Wilhelm Blos (illustrirt). — Allgemeine Leere. Illustration.

Inhalt der zweiten Beilage: Überproduktion.

Von K. D. — Kunstpfleg.e. Von J. 8. — Zur sächsischen
Ministerkrisis. Von K. D. — Lob der Neichshauptstadt. Von
Uno. — Der Schmerz der Witwe. Jllustrakion. — Ent-
schuldigung. Von E. — Briefkasten.

CUasbingtons Geisterstimme.

Als ich mit meinem Beer im Kampfe stand
Da wollt’ erkämpfen ich ein freies Land.

Und wer in diesem Kampf die Waffen trug -
Sie wussten alle, wofür man sieb schlug.

Dann mit dem Zaubernamen Republik
glaubt’ man erreicht ein günstiges Geschick.

Sie dünkten alle da sich frei und gleich
In einem stolzen, starken Riesenreicb,

Das noch so jung und nicht von Sorgen alt
Und trotzen mochte jeglicher Gewalt.

Und Alt-Guropa sollte hier erst sehn,

Dass auch noch neue Wege zu begehn;

Was dort verbraucht und müde und erschlafft,
Sollt hier bewundern frische Jugendkraft —

Heb, schier zu Boden drückt mich heut die Scham,
Dass Alles, Alles gar so anders kam.

Dass all’ die Freiheit, die ich kühn erfocht,
Gin Wirrwarr nur zu werden hat vermocht

Und dass der schlimmste König, den ich kaum’,
Der König Mammon, hier die Beimach fand.

Mein Uaterland, ach, leider bist du nur
Uon Alt-Guropa die Karrikatur —

Und doch, kaum hundert Jahre ist es her,
Seit kühn ich überschritt den Delaware, w.b.

Parlamentarische Blumensprache.

Die Dresdener Stadtverordneten Haben ihrem
Vorsitzenden, demRechtsanwalt und Ministertödter
Stöckel, jüngst einen Huldigungsblumenstrauß
überreicht, der, aus Flieder, Alpenveilchen und
Aaronstab bestehend, in symbolischer Form die
Verdienste des betreffenden Herrn um das sächsische
Vaterland verherrlichte.

Die Einführung der parlamentarischen Blnmen-
sprache wird hoffentlich nicht auf die Grenzen des
Bliemchenlandes beschränkt bleiben. Wäre cs z. B.
nicht charmant, wenn der Präsident des deutschen
Reichstags statt durch einen brüsken Ordnungs-
ruf die allzu temperamentvollen Parlamentarier
zur Mäßigung zu ermahnen, ihnen ein Sträußchen
Sanfter Heinrich zuwerfen wollte? Würde der
Reichstag nicht einen ungleich freundlicheren Ein-
druck machen, wenn man nach dem Dresdener
Vorbild die Plätze der Regiernngsvertretcr und
der Parteiführer mit symbolischen Blumen-
arrangements schmückte? Geschmackvolle Kränze
aus Liebäugel, Schaumkraut und Platterbsen für
die Nationalliberalen; Männertreu, Schwarz-
kümmel und Teufelszwirn für das Zentrum;
Filzkraut, Dickkopf und Pechnelke für den Führer
der freisinnigen Volkspartei; Rittersporn, Ochsen-
zunge und Bettlertasche für die Agrarier würden
dem Sitzungssaal ein behagliches und zugleich
festliches Gepräge verleihen. Die Plätze älterer,
um die Negierung verdienter Geheimräthe könnte
mau mit Klebekraut und Kriecherpflaumen deko-
riren; auf dem Sessel des Handelsministers
Möller würde sich eine Guirlande von Jelänger-
jelieber sehr hübsch ausnehmen; ein Kranz aus
Kugelranunkel, Donnerbart und Löwenmaul
würde den Sitz des Kriegsmiuisters; einer aus
Dreizack, Seerosen und Schmindelhafcr den des
Marineministers vortrefflich schmücken. Wie würde
Graf Posadowsky sich freuen, wenn er regelmäßig
auf seinem Platz ein duftiges Sträußchen vor-
fände, das aus zwölf Blütheu des Tausendgülden-
krauts zusammengesetzt wäre? Aber auch die Be-

rathungen und Debatten des Parlaments könnten
durch die Einführung der symbolischen Blumeu-
sprache viel reizvoller gestaltet werden. So hätte
z. B. die sozialdemokratische Partei dem Agrar-
philosophcn v. Massow, statt ihn in langen Reden
zu charakteri,streu, nach seiner Jungfernrede einfach
eine Kamelie überreichen könne» u. s. w.

Wir zweifeln nicht, daß unsere Vorschläge all-
seiligen Anklang finden und dem deutschen Reichs-
tag den ihm bis heute leider mangelnden Hauch
von Poesie verleihen werden. j. s.

Der Abgeordnete Zubeil hat sich im Reichstag
darüber beschwert, daß Briefträger bei Festlich-
keiten von Oberbeamten zum Serviren benutzt
werden. Wahrscheinlich thut das der Fiskus aus
Ersparnißrücksichlen. Es ist ja bekannt, daß man
bei der Post „ü lg. Carte“ schon um 5 Pfennig,
„ä la Couvert“ um 10 Pfennig bedient wird,
und verschiedene „Leckereien" ganz umsonst hat_

Stieber im Jenseits.

Verschwunden ist die Betrüblich mein,
Nun kann ich doch wieder fröhlich sein.
Und rufe frohlockend hinunter ;u Luch:
Gvltlob, es stiebert nun wieder im Reich.

Gymnastisches.

Im preußischen Abgeordnetenhanse ist eine
Turnhalle für die Volksvertreter eingerichtet
worden.

Die Regierung verfolgt damit offenbar den
Zweck, die Erkürten des Dreiklassenwahlsystems
in der Geschmeidigkeit des Rückgrats zu vervoll-
kommnen, sowie in Rumpf- und Kniebeugungen,
lieber-1>ie- Schnur -Springen u. s. w. zu üben. Für
das Emporhangeln an der Leiter soll von einigen
strebsamen Mitgliedern des hohen Hauses der
Professor Hasse aus dem Reichstag als Vorturner
gewonnen worden sein. Gut Heil! .7.8.
 
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