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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0055
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— 3711

Ätn Grabe des Sündenbocks.

Hobelspälznr.

^ill Haft du meine Schuld getragen,

£er Himmel lohne dich dafür!

wußte fein — denn Bülow wollt' es,
>ihm darfst du zürnen, doch nicht mir!

Lr

weinte, wenn ich jetzt verschwände.

^äm' mit dem Zoll er nicht vom Kleck.
^0 schwieg ich still, als man dich schmähte.
Und dennoch steckt der Zoll im Dreck!

Kürwahr, es will nichts mehr gelingen.
D käme doch Lukanus bald!
voll Wunsch nach Ruhe würde weichen
Ich seiner höheren Gewalt.

Lrst wenn ich mich zu dir gefunden,
Richt mehr von Lebensmühsal krank.
Dann werd' ich die zwälftausend Närker
vergessen erst im Lethetrank.

In Barcelona und in Triest
Hat man auf's Volk geschossen
Und hat das rothc Menschenblut
Gerade wie Wasser vergossen;

Darauf that den Belag'ruugszustand
Man eiligst proklamiren —

Auf diese recht bequeme Art
Kann jeder Esel regieren.

Da reden sie von Byzantinismus in der
nordamerikanischen Republik — aber das ist
doch keine Republik; dort sitzt längst König
Dollar auf seinem Thron.

Den Zolltarif so mitten durch
Zu sägen Lust wohl hätt' ich,

Schad't nichts, geht runter mit dabei
Ein Stück auch von dem — Rettich.

Siebenzigtausend Arbeitslose — das ist die Strafe des Himmels für
das gottlose Berlin, sagte die fromme Frau Kommerzienrath und strickte
eifrig Strümpfe für arme Negerkinder in Südafrika.

Es ist der Mensch, der Stechschritt geht,

Der herrlichste auf Erden,

Und wer den Stechschritt nicht versteht,

Kann Feldmarschall nicht werden.

Agrarier sind grobe Leute. Der sanfte Bülow will sie streicheln und
sie schlagen ihm mit dem Dreschflegel auf seine Glacehandschuhe.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Vas Neichsmogelniinisterium.

(Line Lnthüllung.)

Die Ereignisse der jüngsten Gegenwart haben
die Konstituirung eines eigenen „Ministeriums für
Mogelei" als unabiveisliche Nothwendigkeit ge-
jagt. Wie der betreffende strengvertrauliche Erlaß,
jn dessen Besitz wir uns zu setzen wußten, aus-
lührt, fällt in das Ressort des neuen Ministeriums
ausschließlich die Aufgabe, den deutschen Reichstag
"uch Kräften zu beschummeln und hineinzulegen.

Das Mogelamt hat beispielsweise dafür zu
°rgen, daß die dem Reichstag zugehenden Vor-
. 0s» „>it sogenannter sympathetischer Tinte ge-
schrieben werden, bei welcher die Zeichen anfangs
"»sichtbar bleiben und erst später, d. h. nach der
Zunahme, deutlich hervortreten. Desgleichen
lallt jhm tzjx Obliegenheit zu, Ziffernkolonnen
durch Anhängen oder Ausradiren von Nullen
Unterher zu verändern, und werden zu diesem
oeiHufe eitu genügende Anzahl Radir-Adjunkten
u'nerzeit ernannt werden. Bewerber um eine
^ichsmogelkonzeptsstelle haben nebst den sonstigen
Erfordernissen den Nachweis eines. mindestens
""luhrigeu Aufenthalts in einer preußischen Straf-
ustalt ivegen Urkundenverbcsserung zu erbringen.
Der Zeitpunkt des Jnslebentretens des neuen
- wgelministeriums steht noch nicht fest. m. e.

®Er Geheimrakh in Verlegenheit.

DJ?Icm0en die Sozialdemokraten in einem-
, °rkürzung der Arbeitszeit, — und nun, wo
.,,s • 1 ßnv feinc Arbeit gicbt, sind sie auch nicht

..... n■*• Also wie soll man es ihnen eigentlich
recht machen?"

sein!.» hörte, daß 5000 Chinesen von

.... } Gruppen in den Amur gedrängt und cr-
b« 'rjru, konnte er seine Wehmuth nicht ver-
saat>"^ev"t f JoU.3um letzten Mal geschehen sein",
sm[[r r hochherzige Monarch, „ich Iverde meine
vo, uuweisen, daß sic den armen Teufeln

M Schwimmunterricht crtheilen lassen!" E.

Bei den Germanen war cs Brauch, Dem-
jenigen die rechte Hand abzuhaueu, der sie nach
fremdem Gute ausgestreckt. Wenn dieses Gesetz
noch heute 31t Recht bestände, würden in den
Kreisen der Edelsten und Besten die meisten —
mit der linken Hand essen.

Der Regierung sind Ministerkrisen weit wich-
tiger als Wirthschaftskrisen.

Der Junker von Laudschaden hat eine sehr
interessante Reliquiensammlung. Das hervor-
ragendste Stück derselben ist der Strick, mit dem
einer seiner Ahnen wegen Straßenräuberei ge-
hängt morden ist. x.

Lieber Jacob!

In de Stadtoerornten - Versammlung haben se
neilich den Majistrat vorjeschmissen, bet er seine
Anjestellte, wenn se zu millctärische Uebuugcn
un Kontrollversammlungen berufen wer'n, immer
von ihren Lohn abkuappst. Ick hätte daran an
sich nischt nich auszusetzen, aberst se mißten denn
ooch Kirschnern det Jehalt sperren vor die Dage,
wo er zu Kontrollversammlungen bei Hofe be-
fohlen oder aber zu milletärische Uebungen an't
Brandenburger Thor injezogen wird. Im Ihrigen
hat de städtische Obrigkeet doch nu beschlossen,
in'n Treptower Park 'nen Scherbelberg anzulegen.
Den Müllhaufen uff'n Abladeplatz vor't Stralauer
Thor wollen se dazu verwenden un et soll zu-
jlcich 'ne monumentale Zierde vor de Stadt be-
decken. Ick nieene aberst, wenn se den janzen
Dreck aus den Bereich der städtischen Verwaltung
da zusammenkarren wollen, denn wird det Denk-
mal 'n bisken sehr umfangreich wer'n. Villeicht
bejniegen se sich erst mal mit det Material,
det de Berliner Kraukenhausverwaltung se liefern
kann; det jiebt schon 'nen janz netten Schimborasso.

De Balbierer-Innungen haben unlängst erklärt,
wenn de Pollezci sc nich mit ihre Proppertee in

Ruhe läßt, denn wer'n se ihre Berufsthätlichkeet
vor „chirurgische Operationen" ansehen un se sich
dementsprechend berappen lassen. Ick weeß nich,
ob de Pollezci mit die Brieder fertig wer'n wird;
se hat jetzt so ville anderes zu thun. Vor alle
Dinge inuß se uff de Pollacken uffpassen, dic't
sich jarnich abjemehnen kennen, jeden Dag 'n paar
Mal den preißischen Staat zu verrathen. Neilich
haben se doch in de Linienstraßc 'n janz vater-
laudsloset Festinahl mit Damens abjehalten,
aberst unsere wachsame Pollezci kam da bei Zeiten
mang, un et hat 'ne knollije Untersuchung je-
jeben. Se haben uff't Revier allens anjeben
missen, wat se jejessen un wat se jetrunken haben,
UN NU soll uff Jrund von dieset magenbelastende
Material 'n Hochverrathsprozeß injeleitet wer'n.

'nen schweren Stoß hat unser nationalet Em-
finden ooch durch den statistischen Nachweis er-
litten, det die Vieh- und Schweineseichen nich aus
det eesterreichische Ausland stammen, sondern
ihren Uuterstitzungswohnsitz in't ostelbische Ajra-
rierparadies haben. Namentlich Schweinburg soll
darieber janz melancholisch jeworden sind. Er
hatte doch noch neilich den Vorschlag jemacht, alle
unsere Jrenzen jegen die fremdsprachigen Schweine
abzusperren. Et sollten in alle vier Himmels-
richtungen veterinärische Befestigungen anjclegt un
janz Deitschland in eene nationale Schweineburg
verwandelt wer'n. Er ließ in seinen Moniteer
schonst mehrmals in patriotische Bejeisterung de
Wacht am Schwein anstimmen — un nu is
allens vor umsonst jcwcsen.

Neilich bin ick zu'n ersten Mal mit de neie
Hochbahn jefahren. Kinner, is det 'n doller Feez!
Bald jeht et bergauf un bald bergab, un bald
unten durch un bald drieber weg, un bald links
um UN bald rechts um — ejal, lvie de deitsche
Reichspolletik. Wir wollen blos hoffen, det uff
de Hochbahn de Entgleisungen nich janz so heifig
stattfinden inechten.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße

Dein jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

wir ersuchen die Parteigenossen, eine rechl Kräftige Agitation für den wahren Jacob zu entfalten.
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