3741
'N5vt5N
Hovrlspähne.
Graf Posa hat mit den Finanzministern
Verständigt sich in diesen Ostertagen.
Hört man da nicht bereits im Geiste knistern
Ein Feuerwerk von neuen Steuerplagen?
Sie merdcu tief in Michels Tasche fassen.
Der Gute wird es ganz geduldig leiden,
Wenn die Minister aus der Haut der Massen
Zu deren Kneblung neue Riemen schneiden.
Die Einen geben die Gesetze, die Anderen
leiden darunter. Muß das der Lauf der Welt
sein?
Wenn Lieber zum Staatssekretär cs gebracht,
Was hätt' er wohl aus Deutschland gemacht?
Es wäre ein Pfaffengarten geworden
Für den heiligen Jesuitenorden!
Wenn Einer sagt: „Das Glück muß man nehmen, wo man's findet.
Man lebt ja nur einmal" — — so braucht man ihn gar nicht mehr
daraufhin zu prüfen, ob er ein Glücksritter ist.
Weil wieder Alles blühet im Mai,
Blüht auch die Weisheit der Polizei;
Sie würde, ging es nach ihrem Willen,
Mit alten Nachtwächtersinänteln verhüllen
Die Maiensonne; das däucht' ihr gut,
Zu steuern des Volkes Uebermuth!
Zehn Millionen Hektoliter Bier haben die deutschen Philister auf Es wird so viel von menschlicher Größe gesprochen und doch ist das
das Wohl der Buren getrunken und noch immer ist kein Frieden zustande Größte immer noch die menschliche Dummheit,
gekommen. Unbegreiflich! Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Der nordische Koloß.
Habt von dem Frevel ihr gehört,
der jüngst im Zarenreich gescheh'n?
Den Säbel und die Lnute hat
in emsiger Arbeit man geseh'n.
Man schonte Frau'n und Linder nicht,
in Strömen floß das Menschenblut,
Und alle Lerker pfropfte voll
der rohen Henkersknechte Wuth.
Was war gescheh'n? Lin Bruderbund,
den Uebermaß des Elends schuf,
Arbeiter- und Studentenschaft
erhob voll Ruth den Freiheitsruf,
Die Lirchhofsruh nach altem Brauch
stellt her drauf das Losakenthum;
Nun ist es still. Es freuen sich
die Henker stolz in ihrem Buhm.
Tang wird's nicht still sein, denn gespornt
von seinem 8ram und seiner Noth
Erhebt bald wiederum das Volk
den Schrei nach Freiheit und nach Brot.
So oft der Schergen rohe Faust
auch der Verzweiflung Laut erstickt.
Unmöglich, daß auf alle Zeit
die Freiheitsregung man erdrückt.
Es kommt die Zeit, da dieser Schrei
von einem Meer zum andern gellt,
Daß ihn vernimmt die leidende,
die kämpfende, die ganze Welt.
?at der Loloß im Norden auch
auf Völkernacken noch den Fuß,
wir wissen, daß er seiner Zeit
m's Schwanken auch gerathen muß.
Denn seine Füße plump und breit
sind nicht aus Eisen, sind aus Thc>»,
Daß ste nicht fest sind, sah man auch
zu andren Zeiten deutlich schon;
iud^ oft empfand mit Schaudern er,
wie angcweht vom blassen Tod,
Daß unter ihm der alte Krund
Wenn auch des Volkes bestes Blut
dahin in rothen Strömen stoß.
Auf seinen Füßen fester nicht
steht drum der schaurige Loloß,
Und wenn er einst mit großem Lrach
in ungezählte Trümmer fällt.
Es jauchzt, von ihrem Alp befreit,
verjüngt empor die alte Welt. x.
Der weise Ansspruch.
Serenissimus: „Aeh, — verstehe jar nich,
was Leute nur immer mit achtstündiger Arbeits-
zeit wollen. Volk kann nie jenug kriegen!"
Lieber Jacob!
Ick bin zwar in die jroßbirjerliche Lcbens-
jewohnhceten nich so recht zu Hause, oberst ick
jiobtc immer, wenn Eener mal sein Testament
macht, denn will er damit die Nachwelt vcr-
kinden, wat er seine Kinner un sonstije trauernde
Leibeserben an Jeld un Int allens zu hinncr-
lassen jedenkt. Ick selber habe leider noch nie-
mals nischt jeerbt, oberst wie ick neilich dem so-
jenannten heilijen Vater sein Testament in de
Zeitung finde, da stiejcn doch kapitalistische Hoff-
nungen in mich uff. Ick dachte mir, wenn Eener,
ohne von't Vormundschaftsjericht dazu jeneetigt
zu sind, sich als Vater von de janze christliche
Menschheit ausjicbt, dann wird er sich doch woll
ooch den Luxus leisten können, jebet von seine
Kinner mit 'n anständijet Erbthecl zu bedenken.
Ja Scheibe! Weder ick, noch du, noch sonst irgend-
cencr hat von Lco'n wat zu erwarten. Er zählt
man blos uff, wat de Menschen ihn un seinen
heilijen Stuhl allens sollen schuldich sind. Un
det nennt der Mensch 'n Testament!
Na, ick dachte, det hohe Alter entschuldigt
manchct, un ick werde mir doch die schcenen Mai-
tage nich mit entteischte Erbschaftshoffnnngen
von den Papst verärjern lassen. Besonders, da
ick mir mit meinen Fremd Edewart zu'n Spritzer
nach Wilniersdors verabredet hatte. Wir wollten
von't Kotbuser Thor mit de Hochbahn bis zu'n
Zolojischen fahren. Mein Freind, der de Hoch-
bahn noch nich kannte, versprach sich ville Ver-
jniejen von die Tour. Et jing ooch allens janz
rejlementsmäßig. 'Ne kleenc halbe Stunde
drängelten wir uns in't scheenste Nejenwetter
vor'n Billetschalter, ließen denn zwelf Zieje ivejen
Jberfillung passiren un wurden schließlich mit
den dreizehnten mitjenommen. Edewart, der von
Natur '» biskcn ängstlich jebaut is un sich vor
de Bahnfritzen jraulte, weil er jeheert hatte, des
det allens vereidigte Beamte wären, redete jlcich
den Biljetknipser mit „Herr Assesser" an, wat
bei den Mann offenbar 'n sehr juten Jndrnck
machte. Aberst et half ihn doch nischt: zwee
Hühneroogen un eenen halben Nockärmel mußte
er in det Jedränge von den Wagen znricklasscn.
Ick hatte et besser jctroffen, indcnr det ick mitten
mang den Vorderranm jcstoppt wurde, un bei
jede Biejnng immer 'ne Weile bei eene alte dicke
Dame uff'n Schoße zu sitzen kam. Die Jriffe
zum Festhalten, die se in de zwectc Klasse an-
jebracht haben, sin in de dritte nänilich nich
vorhanden. De Bahndirekzion denkt jedenfalls,
det de Proletarjer so fest uff ihre Becne stehn,
det sc de offizielle Unnerstitzung nich neetich
haben.
Ick kam also janz verhältnismäßig an un uzte
Edewartcn mit seine zwee Hihneroogen un seinen
halben Rockärmel. Ick hätte aberst lieber de
Schnauze halten sollen, denn hcite verlacht mir
det Luder wejen meine jebrochene Nippe, die ick
mir nich uff de Hochbahn, sondern uff de Post
zujezogen habe, wo ick an'n ersten April den
lebensjefährlichen Versuch machte, mir 'ne neie
Sechsermarkc jejen 'ne alte umzutauschen.
Ick lasse mir aberst dessentwejen nich veralbern, .
denn ick sage mir: wir leben in'n Zeichen det
Verkehrs un da darf et uns uff zwee Hihner-
oogen, ’n halben Rockärmel un eene jebrochene
Rippe nich ankommen.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße
Jotthilf Ranke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
wir ersuchen üie I'artei gen offen, eine recht kräftige Tlgilalion ftir tlen wahren jacob ?u entfalten.
« « « Prolirmimmcrn werclen auf nortzergehentle vestellung grati; unü franko geliefert. « « «
'N5vt5N
Hovrlspähne.
Graf Posa hat mit den Finanzministern
Verständigt sich in diesen Ostertagen.
Hört man da nicht bereits im Geiste knistern
Ein Feuerwerk von neuen Steuerplagen?
Sie merdcu tief in Michels Tasche fassen.
Der Gute wird es ganz geduldig leiden,
Wenn die Minister aus der Haut der Massen
Zu deren Kneblung neue Riemen schneiden.
Die Einen geben die Gesetze, die Anderen
leiden darunter. Muß das der Lauf der Welt
sein?
Wenn Lieber zum Staatssekretär cs gebracht,
Was hätt' er wohl aus Deutschland gemacht?
Es wäre ein Pfaffengarten geworden
Für den heiligen Jesuitenorden!
Wenn Einer sagt: „Das Glück muß man nehmen, wo man's findet.
Man lebt ja nur einmal" — — so braucht man ihn gar nicht mehr
daraufhin zu prüfen, ob er ein Glücksritter ist.
Weil wieder Alles blühet im Mai,
Blüht auch die Weisheit der Polizei;
Sie würde, ging es nach ihrem Willen,
Mit alten Nachtwächtersinänteln verhüllen
Die Maiensonne; das däucht' ihr gut,
Zu steuern des Volkes Uebermuth!
Zehn Millionen Hektoliter Bier haben die deutschen Philister auf Es wird so viel von menschlicher Größe gesprochen und doch ist das
das Wohl der Buren getrunken und noch immer ist kein Frieden zustande Größte immer noch die menschliche Dummheit,
gekommen. Unbegreiflich! Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Der nordische Koloß.
Habt von dem Frevel ihr gehört,
der jüngst im Zarenreich gescheh'n?
Den Säbel und die Lnute hat
in emsiger Arbeit man geseh'n.
Man schonte Frau'n und Linder nicht,
in Strömen floß das Menschenblut,
Und alle Lerker pfropfte voll
der rohen Henkersknechte Wuth.
Was war gescheh'n? Lin Bruderbund,
den Uebermaß des Elends schuf,
Arbeiter- und Studentenschaft
erhob voll Ruth den Freiheitsruf,
Die Lirchhofsruh nach altem Brauch
stellt her drauf das Losakenthum;
Nun ist es still. Es freuen sich
die Henker stolz in ihrem Buhm.
Tang wird's nicht still sein, denn gespornt
von seinem 8ram und seiner Noth
Erhebt bald wiederum das Volk
den Schrei nach Freiheit und nach Brot.
So oft der Schergen rohe Faust
auch der Verzweiflung Laut erstickt.
Unmöglich, daß auf alle Zeit
die Freiheitsregung man erdrückt.
Es kommt die Zeit, da dieser Schrei
von einem Meer zum andern gellt,
Daß ihn vernimmt die leidende,
die kämpfende, die ganze Welt.
?at der Loloß im Norden auch
auf Völkernacken noch den Fuß,
wir wissen, daß er seiner Zeit
m's Schwanken auch gerathen muß.
Denn seine Füße plump und breit
sind nicht aus Eisen, sind aus Thc>»,
Daß ste nicht fest sind, sah man auch
zu andren Zeiten deutlich schon;
iud^ oft empfand mit Schaudern er,
wie angcweht vom blassen Tod,
Daß unter ihm der alte Krund
Wenn auch des Volkes bestes Blut
dahin in rothen Strömen stoß.
Auf seinen Füßen fester nicht
steht drum der schaurige Loloß,
Und wenn er einst mit großem Lrach
in ungezählte Trümmer fällt.
Es jauchzt, von ihrem Alp befreit,
verjüngt empor die alte Welt. x.
Der weise Ansspruch.
Serenissimus: „Aeh, — verstehe jar nich,
was Leute nur immer mit achtstündiger Arbeits-
zeit wollen. Volk kann nie jenug kriegen!"
Lieber Jacob!
Ick bin zwar in die jroßbirjerliche Lcbens-
jewohnhceten nich so recht zu Hause, oberst ick
jiobtc immer, wenn Eener mal sein Testament
macht, denn will er damit die Nachwelt vcr-
kinden, wat er seine Kinner un sonstije trauernde
Leibeserben an Jeld un Int allens zu hinncr-
lassen jedenkt. Ick selber habe leider noch nie-
mals nischt jeerbt, oberst wie ick neilich dem so-
jenannten heilijen Vater sein Testament in de
Zeitung finde, da stiejcn doch kapitalistische Hoff-
nungen in mich uff. Ick dachte mir, wenn Eener,
ohne von't Vormundschaftsjericht dazu jeneetigt
zu sind, sich als Vater von de janze christliche
Menschheit ausjicbt, dann wird er sich doch woll
ooch den Luxus leisten können, jebet von seine
Kinner mit 'n anständijet Erbthecl zu bedenken.
Ja Scheibe! Weder ick, noch du, noch sonst irgend-
cencr hat von Lco'n wat zu erwarten. Er zählt
man blos uff, wat de Menschen ihn un seinen
heilijen Stuhl allens sollen schuldich sind. Un
det nennt der Mensch 'n Testament!
Na, ick dachte, det hohe Alter entschuldigt
manchct, un ick werde mir doch die schcenen Mai-
tage nich mit entteischte Erbschaftshoffnnngen
von den Papst verärjern lassen. Besonders, da
ick mir mit meinen Fremd Edewart zu'n Spritzer
nach Wilniersdors verabredet hatte. Wir wollten
von't Kotbuser Thor mit de Hochbahn bis zu'n
Zolojischen fahren. Mein Freind, der de Hoch-
bahn noch nich kannte, versprach sich ville Ver-
jniejen von die Tour. Et jing ooch allens janz
rejlementsmäßig. 'Ne kleenc halbe Stunde
drängelten wir uns in't scheenste Nejenwetter
vor'n Billetschalter, ließen denn zwelf Zieje ivejen
Jberfillung passiren un wurden schließlich mit
den dreizehnten mitjenommen. Edewart, der von
Natur '» biskcn ängstlich jebaut is un sich vor
de Bahnfritzen jraulte, weil er jeheert hatte, des
det allens vereidigte Beamte wären, redete jlcich
den Biljetknipser mit „Herr Assesser" an, wat
bei den Mann offenbar 'n sehr juten Jndrnck
machte. Aberst et half ihn doch nischt: zwee
Hühneroogen un eenen halben Nockärmel mußte
er in det Jedränge von den Wagen znricklasscn.
Ick hatte et besser jctroffen, indcnr det ick mitten
mang den Vorderranm jcstoppt wurde, un bei
jede Biejnng immer 'ne Weile bei eene alte dicke
Dame uff'n Schoße zu sitzen kam. Die Jriffe
zum Festhalten, die se in de zwectc Klasse an-
jebracht haben, sin in de dritte nänilich nich
vorhanden. De Bahndirekzion denkt jedenfalls,
det de Proletarjer so fest uff ihre Becne stehn,
det sc de offizielle Unnerstitzung nich neetich
haben.
Ick kam also janz verhältnismäßig an un uzte
Edewartcn mit seine zwee Hihneroogen un seinen
halben Rockärmel. Ick hätte aberst lieber de
Schnauze halten sollen, denn hcite verlacht mir
det Luder wejen meine jebrochene Nippe, die ick
mir nich uff de Hochbahn, sondern uff de Post
zujezogen habe, wo ick an'n ersten April den
lebensjefährlichen Versuch machte, mir 'ne neie
Sechsermarkc jejen 'ne alte umzutauschen.
Ick lasse mir aberst dessentwejen nich veralbern, .
denn ick sage mir: wir leben in'n Zeichen det
Verkehrs un da darf et uns uff zwee Hihner-
oogen, ’n halben Rockärmel un eene jebrochene
Rippe nich ankommen.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße
Jotthilf Ranke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
wir ersuchen üie I'artei gen offen, eine recht kräftige Tlgilalion ftir tlen wahren jacob ?u entfalten.
« « « Prolirmimmcrn werclen auf nortzergehentle vestellung grati; unü franko geliefert. « « «