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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0187
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3844

Holk und Kunst.

von Robert Leidet.

Es geht durchs Volk ein tiefes Sehnen
Nach Schönheit und nach Poesie,

Das keimt selbst unter Noth und Thränen
lind drängt ans Licht voll Energie;

Es wird durch NIode wohl verleitet
And irrgesührt durch Unverstand,

Doch hat's der echten Uunst bereitet
voll Freuden stets ein L;eimathland.

Es herrscht im Volk ein sichres Ahnen
Für schlichte, große, freie Uunst,

Das wandelt auf der Schönheit Bahnen,
Frei von gelehrtem Staub und Dunst;
Das hat in weihevoller Stille
Am Herde Weihrauch schon verbrannt,
Eh' noch der Schule trübe Brille
Das Neue, Große nur erkannt.

Es liegt im Volk ein Spiegel Helle,

Der alle Uünste wiederblinkt,

Es rauscht im Volk die heil'ge Quelle,
woraus die Uunst Verjüngung trinkt.
Und geht einmal die Uunst verloren
Im Urieg ums Gold, im Streit ums Brot,
wird aus dem Volk sie neu geboren
llnd glänzt im frischen Ulorgenroth.

Älter Mann.

Aach einem Kemälde von K. Zundel.

Nebenstehend reproduziren wir ein Gemälde des
jungen Stuttgarter Malers F. Zundel, der sich vor-
zugsweise mit der Wiedergabe von Typen aus der
arbeitenden Klasse beschäftigt. Es gelingt ihm, die
für den flüchtigen Beobachter oft verborgen bleiben-
den Charakterzüge des Proletariers zu finden und in:
Bilde sestzuhalten. Nichts Aeußerliches ist es, was lins
an seinen Figuren fesselt, wohl aber ist es deren see-
lischer Ausdruck, der uns gefangen nimmt. Zundels
Gestalten zeigen weniger die Energie und das Kraft-
bewußtsein des Arbeiters, sondern mehr das Leiden,
das Entbehren und die Sehnsucht nach einer besseren
Zukunft seiner Klasse. Wer dem nebenstehend abgebil-
deten alten Mann in seine großen Augen, in die durch-
furchten Züge blickt, der liest aus ihnen die brennende
Klage heraus über all das Unrecht, das sich häufen
mußte, um ihn ins Armenhaus zu bringen. Vor
solchen Kunstwerken ersteht in uns das „große Mit-
leid", das einst ein deutscher Schriftsteller den neuen
Gott unserer Zeit genannt hat. Das soziale Mitgefühl
ist aber ein guter Bahnbrecher für die Ausbreitung
des sozialen Verständnisses. Und darum ist auch die
Kunst, wenn sie von sozialem Verständniß getragen
wird, ein trefflicher Pionier des Sozialismus.

Wir veröffentlichen das nebenstehende Bild, um
auch weiteren Kreisen der Arbeiterschaft eine Probe
Zundelscher Kunst zu geben. d. h.

ÄNöli Aluuu. Aach einem Kemälde von ß. Zundel.
 
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