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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0188
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3845

„Ja, seih'n Se, Herr Doktor, nix för ungaud,
ober et hört sick denn doch bätcr an, wenn nahsten
de Poster up 'e Kanzel seggt: Trotz aller ange-
wandten ärztlichen Hilfe gelang es nicht, ihn am
Leben zu erhalten."

Nvlnillh-drllksrhr Verständigung.

Na, jetzt will ja unsere wohllöbliche Regie-
rung mit den altbewährten Polizeimittcln den
Polen die Liebe zum preußischen Staate und
zur deutschen Sprache einbläuen, sagte der alte
Dorfarzt. Wird ihr auch wieder vorbeigelingcn.
Gerade das Gegeutheil wird sie erreichen. Doch
sie ist das ja nicht anders gewohnt bei ihren
Haupt- und Staatsaktionen.
Ließe man die Polen reden, wie
ihnen der Schnabel gewachsen
ist, dann würden sie aus eigenem
Antrieb deutsch nach Kräften
lernen. Geben sich doch die pol-
nischen Sachsengänger, die jetzt
auch schon zu uns ins Lüne-
burgische kommen, alle Mühe,
in die Geheimnisse der deutschen
Sprache einzudringen.

Sitze ich da neulich bei unse- ■'
rem Apotheker, da kommt eine
Polin herein, Mannssticfel an
den Füßen, buntes Kopftuch,
breite Backenknochen, Stumpf-
nase: Will sich was habben
fürr, fürr... vergeblich schnappt
sie nach dem richtigen deutschen
Ausdruck. Schließlich niest sie
uns ein paar polnische Worte
vor, die mir nicht verstehen.

Na, so'n Landapotheker, der
kennt sich schon aus mit der
Kundensprache, besonders hier-
zulande, wo das verfluchte Apo-
thekerlatein auf Hochdeutsch und
Plattdeutsch umgekrempeltwird,
daß das Futter nach außen
koinmt.

Mein Pflasterkasten also zählt
alle möglichen Hausmittel auf,
im Haidschnucken-Latein, ver-
steht sich: „Umgewendten Napo-
lium", „fliegende Elemente"
und so 'ne schöne Sachen mehr.
Hilft nichts. Marianka sperrt
den Mund auf, plinkert mit den
wasserblauen Schlitzaugen und
zupft verlegen am Schürzenband.

Da geht er zur Zeichensprache
über. Er legt die Hand an die
Denkerstirn und schneidet eine
wehleidige Grünmasse; er klopft sich auf seinen
negativen Bauch; er reißt den Mund auf und
deutet mit dem Zeigefinger in den Schlund.

Marianka schüttelt mit dem Kopfe, fängt aber
nunniehr selbst an zu fingern. Sie scheuert sich
init der rechten Hand den Rücken der linken; sie
scheuert sich mit beiden Händen die Flanken.

„Aha, es juckt", sagt der Apotheker, „jetzt
kommen ivir der Sache näher. Die Spur führt
auf das Gebiet der Insektenkunde." Verständniß-
innig blickt er der Schönen von unten herauf ins
Auge — er ist man ein kleiner Kerl — und ver-
richtet mit dem rechten Daumennagcl auf dem linken
das internationale Symbol des Flohknackens.

Ein freudiges Grinsen erweitert Mariankas
Mundspalte. Hastig sagt sie: „Jsse nich Hopp-
hopp! Jsse auch nich Spazier-langsam! Abberr
beißt sich wie Deibel!"

Die Verständigung war erzielt. Befriedigt kla-
basterte die Polin mit einem Fläschchen von dannen.
Ob's geholfen hat, weiß ich nicht; glaub's aber
kaum. Ich habe kein Zutrauen zu Patentmedizinen,
am allerwenigsten zu Wanzcntinktur. gi.

Ans der Lüneburger Haide.

Wann der Nrzk grholk wird.

Für Aerztc und Medikamente, erzählte der
ulte Dorfarzt, giebt der Bauer nicht gern was
aus. Nicht daß er Mißtrauen hätte gegen die
Aerzte. Aber zunächst wartet er ab, ob es nicht
von selbst besser wird. Dann wendet er Haus-
und Sympathieinittel an. Reichen die nicht hin,
so läuft er zum Schäfer und erst, wenn der nicht
durch Besprechen, Handauflegen oder sonstige ge-
heimuißvolle Künste helfen kann, holt er den
Arzt, aber erst in der höchsten Noch. Nur wenn's
sich um sein Ansehen handelt in der Gemeinde,
da läßt er was draufgehen selbst für einen Arzt.
Da ist mir doch was passirt, was sogar mich
alten Praktiker verblüfft hat.

Wird da eines Nachts die Nachtglocke bei mir
gezogen. Nun müssen Sie wissen. Nachts werde
ich fast nie geholt. Das kostet ja doppelt. Pres-
sirt's auch noch so sehr, da wartet man lieber
bis zum anderen Tag. Ich stecke den Kopf zum

„Dat glöw ick, süß harr'n Sei mick nich holt.
Aber wo kuiept'n denn dat? Hat hei 't in't Lief,
oder in'n Kopp, oder is et süß wat?"

Fuhreukamp ruft „Hüh!" zieht den Pferden
mit der Peitsche eins über, ruft wieder „Hüh!"
und — schweigt!

„Aber Minschcnskind", sage ich ärgerlich, „Sri
sünn doch süß nich up't Muul 'efallen. Sei
känen inick doch dat vertellen, wat Ehren Vadder
fehlt!"

Fuhrenkamp klatscht wieder mit der Peitsche,
kratzt sich am Kopfe und sagt schließlich: „Ja,
seihen Se, Herr Dokter, nix för ungaud, aber —
eigentlich is ’c all bot!"

„Wat! - dot is ’e?"

„Ja dat is 'e woll!"

„Ja aber, Dunnerkiel noch cmal! Sei wullen
doch nich scggen, dat Ehr Vadder all dot was,
wenn Sei wegfahren sünn?"

„Ja dat kann 'k nich anners seggen."

„Na, dat fall mick doch glick! Watiör kloppen
Se mick denn noch 'rut bi düsse nachtslapene Tid
un in socken Wedder?!"

Der kluge Hund.

Line Parabel.

Es war einmal ein Mann, der hieß Mammon,
und der Mann hatte einen Hund, der hieß Plebs.
Der Mann liebte den Hund sehr, denn er brauchte
ihn. Um sich auch seinerseits die Liebe und
Treue des Hundes zu sichern, ging er mit chm
an den Fluß und warf ihn ins Wasser. Wenn
aber der Hund nahe am Ertrinken war, rettete
er ihn aus den Fluchen. So that er alle Tage,
also daß ihm der Hund täglich sein Leben ver-
dankte. Das rührte natürlich die treue Hunde-
seele. Die Dankbarkeit und Liebe des armen
Plebs seinem Herrn gegenüber
kannte keine Grenzen. Wenig-
stens im Anfang. Mit der Zeit
aber verfiel der Hund aufs Philo-
sophiren. „Daß mich mein Herr
tagtäglich vor dem Untergang
bewahrt und sich sogar die
Stiefel dabei naß macht, ist ja
ohne Zweifel sehr hübsch von
ihm. Aber ivenn ihm so sehr
viel an mir liegt, warum wirft
er mich denn dann immer erst
vorher ins Wasser? Das hätte
er doch gar nicht nöthig!" Als
der Hund mit seiner Philosophie
so weit gekommen war, verließ
er seinen Herrn und suchte sich
ein anderweites Unterkommen,
ivo nian ihn mit so lebensgefähr-
lichen Rettungen verschonte.

Wer Ohren hat zu hören,

'der höre! k. d.

Höchster Optimismus.

Gendarm (dem ein Sträfling
in der Richtung nach dem Ablieferungs-
orte entläuft)' Sie... Sie. ♦.

Unteranger 14 ist's Gefängniß!

Auf dem Jahrmarkt.

A. : Was ist denn das für ein
schrecklicher Ausrufer vor der
Thierbude? Der überschreit ja
den ganzen Markt!

B. : Wissen Sie, das ist ein
nothleidender Agrarier, der die-
sen Posten angenommen hat,
unr während der Sommerferien
im Schreien nicht aus der Uc-
bung zu kommen.

Fenster hinaus. Es regnet in Strömen. Vor
der Thüre hält ein Wagen. Es ist der reiche
Bauer Fuhrenkamp aus dem Nachbardorf. Ich
sollte gleich mitkommen, sein Vater sei sehr krank.
Nun wußte ich, daß der Alte schon lange bett-
lägerig war. Da mußte es sich also jedenfalls
um Leben oder Sterben handeln. Ich fahre in
die Kleider und klettere zu Fuhrenkamp auf den
Wagen. Die Gäule gehen im Zuckeltrab los.

„Na", sage ich, „Fuhrenkamp, nn vertellen Se
mal, wo is denn dat med Ehren Vadder? Wat
fchlt'n denn?"

„In, Herr Doktor", sagt Fuhrenkamp, „med
Vaddern is dat man sihr stimm!"

Auf der
Düsseldorfer
Ausstellung.

Fremder: Hören Sie mal! Sind das jetzt die prak-
tischen oder die idealen Aufgaben Deutschlands?
 
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