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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0235
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3892

-§> D<rs Lnöe vorn Lieöe.

Sie raffeln noch mit Schwert und Speer,
Die reinsten Eisenfresser,

Inöeß, es fürchtet sie Niemand mehr:
wir kennen die Heide,r besser!

Sie sitzen noch auf hohem Gaul,

Agrarier und Junker,

Und nehmen noch immer voll das Maul —
wir kennen das Geflunker!

Heut' rufen sie noch in dreistem Ton:

„wir sterben oder wir siegen!"

Und morgen, ach! da heißt es schon:

„wir nehmen, was wir kriegen!"

So machten sie es stets; es war
Ihr einträglich Gewerbe;

Zugleich ein schönes Inventar
Aus ihrer Väter Erbe.

Die lauerten fröhlich, fromm und frei
Verborgen hinter der: Decken,

Gb etwa käme ein Zug vorbei
Von reichen Pfeffersäcken.

Die Junker von heute, wie man sieht,

Sie wandeln in gleichen Bahnen:

Ls liegt i,n adligen Geblüt
Zu folgen dem Brauche der Ahnen.

Sie werden noch eine kurze Zeit
Ihr „Unannehmbar!" brüllen
Und dann in aller Bescheidenheit
Sich ihre Taschen füllen.

Zum Denker! wenn sich nichts Besseres bot,
So muß man sich begnügen!

Ls geht nicht anders — in der Noth,

Da frißt der Teufel Fliegen.

Herr Bülow lächelt in sich hinein
Zufrieden und voll Behagen,

Er freut sich auf den Sonnenschein,

Der kommt nach stürmischen Tagen.

Er denkt: Bald weht mir ein günstiger wind,
Die Wolken werden verschwinden:
wenn wir bei der dritten Lesung sind,

Dann wird sich Alles finden!

Doch wenn nichts Beffres vorüberkam
Und keine reichere Beute,

Dann plünderten sie ohne Scham
Landfahrer und kleine Leute.

Herr Bülow hat Recht: es geht zu Lnd'

Das Spiel in wenig Tagen:

Weh' dir, du armer Aonfument,

Du hast die Rosten zu tragen! 3gnotu5.

Inhalt der Nnterhaltungs-Beilage.

Kulturdünger. Illustration. — Wilhelm Hauff. Von -d. -g.
(mit dem Porträt Hauffs). — Der Lichtenstein. Illustration.
Redaktions-Hygiene. Illustration. — Neue Griffe. Von Ludwig
Frank. — Pech. Illustration. — Was ich habe. Von J. 8. —
Eine ehrwürdige Einrichtung. — Ein Ausweg. — Briefkasten.

Lin Lied der Ueker;eugungstreue.

von M. W.

Melodie: V alte Burschenherrlichkeit —

Den Doktor Heim im Parlament
Hört man beweglich klagen.

Ihn hätte jüngst „ein großer Schreck
Beinahe umgeschlagen",

And traurig fing der Zentrumsmann
Zu schimpfen und zu wettern an:

0 jerum, jerum, jerum,

0 quae mutatio rerum!

Lin Landwirthsbündler, sagt er, hätt'
Mit gift'gem Hohn und Trimme
Verlangt, daß er „die gräßliche
Rriegsflotte" niederstimme.

Und als er's that, fiel er hinein,

Denn jener selbst sagt' „ja" statt „nein"!
0 jerrnn — — —

Solch Ueberzeugungsschwindel kränkt
Den Mann von festem Willen
And muß ein braves Zentrumsherz
Mt tiefem Lkel füllen;

Weil doch ein Patriot und Thrist
Roch niemals umgefallen ist.

0 jerum — — —

Bei jeder Heervorlage könnt'

Man hören, seh'n und lesen:

Das Zentrum lehn' sie sicher ab!

And — stets ist's so gewesen.

Ich hoffe, daß hier Reiner lacht
And etwa schlechte Witze macht.

0 jerum —■ — —

Und gar erst jetzt, beim Wucherzoll,

Wie überzeugungsherrlich

Ist da die Doktor Heim-Fraktion,

Wie stimmt sie treu und ehrlich:

Lrst Wangenheims, dann Herolds, dann
Traf Bülows Satz nimmt mancher an.

0 jerum — — —

Ia hätten wir der Doktor Heims
Recht viel im Parlamente,

Wie dann das deutsche Volk so fein
Und ruhig schlafen könnte.

Die Ueberzeugungssestigkeit
Mär' dann gewahrt für alle Zeit.

0 jerum — — —■

Doch da 's so weit mit uns'rer Pracht
Roch leider nicht gediehen,

Ist's rathfam, uns're Männer uns
Aus ander'm Holz zu ziehen.

Die sagen ohne Bündlerbrief:

„Der Teufel hol den Zolltarif!"

0 jerum, jerum, jerum,

0 quae mutatio rerum!

Der Ideal-Kandidat.

Auf dem Festmahl des Kolonialkongresses äußerte
der Staatssekretär von Richthofen, die Herren
sollten dafür sorgen, daß der Kandidat, den jeder
von ihnen in den Reichstag zu wählen beabsichtigt,
mit einem Tropfen kolonialen Oelcs gesalbt sei.

Falls die anderen Ressorikollegen ähnliche
Wünsche wie Herr von Richthofen auf dem Herzen
haben, könnte leicht ein „geölter" Reichstag zu-
stande kommen. Ei.

Der Wahrheitsbeweis.

In einem morgenländischen Reiche erkühnte
sich einst ein Schriftgelehrter, in einem Poem
den Herrscher anzugreifen und ihn als grausain
und beschränkt hinzustellen. Der Fürst erfuhr
davon und sandte sofort zwei Häscher aus, die
den verwegenen Spötter verhaften sollten.

Als dieser vor den Thron gebracht wurde,
fuhr der Fürst ihn an:

„Elender, Du erdreistest Dich, mich einen
Dummkopf und Narren zu heißen — ahnst Du,
was Dir bevorsteht?"

„Ich werde den Wahrheitsbeweis erbringen",
entgegnete ruhig der Schriftgelehrte, „und dann
kannst Du mir nach den Gesetzen unseres Landes
nichts mehr anhaben."

„Ah — soweit wird es nicht kommen! Sklaven,
führt ihn auf den Richthof und legt ihm das
Haupt vor die Füße!"

„Also willst Du ihn erbringen ...!" rief der
Schriftgelchrte dem Fürsten zu, als die Häscher
ihn abführten. m. e.

Moderne Politik.

Was als leitendes Prinzip
Unsrer Phrasenmacher
Heutzutage übrig blieb.

Ist der nackte Schacher.

Heute stellen sie sich noch
Rauh- und borstenbeinig —

Morgen werden sie ja doch
Schmunzelnd handelseinig.

Doch dem dummen Publikum
Läßt man das nicht wissen;

Jeder klagt, daß wiederum
Schamlos er besch—ummelt.

In der Stille aber lacht
Jeder frohen Muthes:

Wieder ein Geschäft gemacht,

Roch dazu ein gutes!

L.
 
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