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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0248
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3905

Hovrlspäljne.

Der stolze Graf von Hasten-Lengsten
Trabt immer auf Trakehner Hengsten,

Weil er sich stets als wahlvermandt
Mit diesem cdeln Thier empfand.

Er hat — wer hätte das gedacht? —

Ihm selbst das Wiehern nachgemacht;
Drum hat man in den letzten Tagen
Auch ein Mandat ihm angetragen.

Im Reichstag wird er mit der Rechten
Für Deutschlands arme Bauern fechten.
So Einer ist für Paul und Peter
Ja der geborne Volksvertreter.

Inden, kürzlich die elektrische Beleuchtung des Reichstags zu versagen
drohte, bewies sie unwiderleglich, daß die Handlungen dieses Reichstags
das Licht zu scheuen haben. , ,

Die Rechte, sie will keinen Handelsvertrag,

Was immer darauf auch erfolgen mag.

Graf Posa braucht Handelsverträge —

Was knirscht d» so laut, meine Säge?

In Deutschland geschieht, was die Rechte begehrt,

Und wer sich zu ihr nicht bei Zeiten bekehrt,

Den fällt sie von hinten durch Schläge —

Was knirscht du so laut, meine Säge?

König Leopold hat sich über das gegen ihn versuchte Attentat sehr ge-
freut; denn als man den Attentäter fortführte, demonstrirten ordnungs-
liebende Bürger durch den Ruf: Es lebe der König! Leopold hätte so
etwas kaum für möglich gehalten. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Wasserstiefel und Wadristrumpf.

Sich grosse Wasserstiefel an.

Lind lrikk damit, wir's so fein Brauch»
Den Wadelstrnmpfler vor den Bauch.

Giebk Eugen den Freihandel auf.

Er rieht die Wasserstiefel aus,
Srhnhxöllner wird das alte Haus.

Nun schlagen Brünnl, Schräder. Barth,
Pachniclre» Gotheiu ans der Nrt.




Sie ziehn, xvsskausrnd, Mann für Mann
Sirh Virhlers Wasserstiefel an.

And schlag«» in dem Meich«tag<cha»s

Hach hinlen und nach vorne au«.


W

KM


wie lange noch? Bald wird man lehn
Die Wasserstiefel leer dort stehn!

Lieber Jacob!

Unsere Pollezei seht setz endlich janz enerjisch
jejen de Universitäten los. Ecnmal in de Woche
müssen alle Studenten zur pollitesche Sittenkon-
trolle uff'n Alcxanderplatz antreten un bei wen
wat Vcrdächtijet bemerkt wird, der seht jleich per
Schub nach Sibirien ab. Det is sehr weise von
die Obrigkeit, denn ick muß jesteheu, seit mal 'n
Theologe 'n Jahr bei mir jewohnt hat, kann ick
de Studenten nich mehr leiden. Wat det for'n
Luder jewesen is, kann ick leider aus sittliche Jrinde
nich erzählen. Er soll sich inzwischen aber jebessert
haben un jetz ’n sehr frommer Farrer jeworden
sind, der jedet Mächen, det nich wasserdicht is,
vor'» Altar den Mirthenkranz von'n Kopp reißt.

Unser Amtsrath, der konservative Abjcorntc
aus Ostpreißen, der bei meine Schwester in't
Vorderhaus zwce mceblirte Zimmer hat, is nn

jestern wieder injctroffen. Sonst kommt er bloß,
wenn ooch der Landtag tagt, weil er doch for
dem Reichstag allem keene Diäten nich kriegt,
aber diesnral, sagt er, jinge et nich anders, seine
Anwesenheit wäre dringend nothwendig. Er is
bei sehr schlechte Laune un schimpft den janzen
Tag, ooch wenn er keencn Katzenjammer nich hat,
wat hin und wieder vorkommt. Er war frieher
'n Jeguer von de Rcichstagsdiäten, aber jetz
meent er, cs sei die Flicht von de Rejierung,
durch Beivillijung von hohe Diäten dosier zu
sorjen, det alle konservative Patrioten nach Ber-
lin kommen un jejen de Zollvorlage stimmen
kennen. Wat for Opfer seine Fraktsjonskollegen
det Vaterland schon jebracht haben, wäre jarnich
in de Esfcntlichkeit bekannt. Eener hat sojar 'ne
jroße Treibjagd zu Hause versäumen müssen, um
in'» Reichstag als Stimmvieh zu dienen, un een
Anderer mußte mit die jreeßte Eile in seine
Hcimath retnhr transportirt werden, iveil er
anfing, jemiethskrank zu werden. Die ville Ent-
täuschungen ieber de Zollvorlage un der sehr ville
Rothspon bei Kcmpinski, mit den er seinen Jram
zu betäuben versuchte, haben ihm eines Tages zu
Boden jeschmettert. Et verträgt ebcnt nich Jeder
so ville von den Parlamentarismus, wie Massow,
der mit zwee Flaschen Sekt im Leibe eben so'n
Blech red't, als wenn er janz nichtern wäre.
Der eenzije Lichtpunkt in die jetzije Triebsal, sagt
unser Amtsrath, wäre Eugen Richter. In den
Mann hätten je sich alle jetäuscht. Wenn de
Rejierung dunnemals jewnßt hätte, wat det for
'ne Seele is, denn hätte sc ihm sicher nich als
Assesser von sich jcjeben un kennte ihm heite als
offiziellen Kommissar in'n Reichstag schicken, wo
er nu bloß als sreiwillijet Nebenreptil mitlooft.
Ooch det Zentrum soll bedauern, det et den
talentvollen Charakter nich frieher richtig erkannt
hat. Wat hätte der als Jenral von den Jesuiter-
orden for 'ne sejcnsreiche Thätigkeit entwickeln
kennen. Aber nu is et zu spät, un ick jloobe,
er wird nich mal den rochen Adlcrorden kriejen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein je-
treicr Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
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