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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0260
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3917


Parlamentarische' Diners.

Bülow: Nun den schwersten Sekt, bnmit sie Umfallen!

Hobelspälple.

Die „Räuberbande" hat euch nicht gepaßt,

Auch hat sich da ein Jrrthum eingeschlichcn,
Denn Gentlemen sind ja die Räuber fast,

Die Rinaldiui, wenn mit euch verglichen.

Wenn inan mit euch die Räuberschaar vergleicht.
Die's Schiller einst beliebt, zurecht zu kneten,
So ist es höchstens Schusterte vielleicht,

Der den, Niveau entspricht, das ihr betreten.

Der deutsche Reichstag wird erst dann seinein
Namen Ehre machen, wenn cs im Deutschen
Reiche Tag geworden ist.

Aist Fürstcnpomp und Fiirstenehren haben
Des Kaisers Freund in Essen sie begraben.

Die Trauer macht' man schier zur Bürgerpflicht,

Doch aller Prunk erstickt den Zweifel nicht.

Noch Keiner ward von seiner Schuld gereinigt,

Weit fürstlich Wort den Kläger hat gesteinigt.

Die Ehrfurcht, von der die Menschen gegen Höherstehende erfüllt sind,
besteht zu neun Theilen aus Furcht und nur zu einem Theil aus Ehre.

Es ist korrekt, daß die „crworbnen" Reiche
Freund Chamberlai,i, der Sieger, inspizirt:

Der Mörder wird nnt seines Opfers Leiche
Ja überall und immer konfrontirt.

In der heiligen Nacht hören die Reichen die Englein singen, aber die
Armen hören die Engel pfeifen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

gen und den Zolltarif unter Dach bringen könne.
Der Weg sei zwar nicht reinlich, aber in der
Politik käme es auf den Erfolg an, nicht auf
die Sauberkeit. Er stelle nunmehr den Antrag
Kardorff zur Diskussion.

Abg. Bachem: Ich beantrage die Annahme
des Antrags ohne jede Diskussion. Beim Dis-
kntiren kommt nichts heraus, das erleben ivir
jeden Tag im Reichstag. <Tehr wahr!)

(Der Antrag wird unter heftigen Protesten der Bauern
und des Abgeordneten Heim, der fortwährend schreit: „Wo
bleibt die Gerste?!" angenommen.)

Abg. Mortij (der sein qualmendes Licht schneuzt):

Da Sie uns Bauern um den Gerstenzoll betrogen
haben, was gar nicht christlich ist, so vertreten
Sie den Schwindel nur allein.

(Ein entsetzliches Getöse bricht aus: „So ein G'scheerter!"
„Dummes Luder!" „Bauernfrechheit!" Abgeordneter Heim
ruft erregt: „Advokatengesindel!" „Jesuiten!" „Betrüger!")

Abg. Bachem (kalt wie eine Hundeschnauze): Nach-
dem wir einig geworden sind, gezienit es sich,
daran zu denken, wer den Antrag vor dem Hanse
vertreten soll. Die Bauern haben durch Aich-
bichler bereits unvergänglichen Ruhm einge-
strichen, jetzt sollte man auch einmal an die
Geistlichkeit denken. Ich schlage als Referent
den Kollegen Dasbach vor, der es an Ver-
schlagenheit mit jeden, G'scheerten aufnimmt.

(-ehr richtig!)

Abg.-Dasbach: Ich danke für Ihre gute
Meinung, indessen meine Verhältnisse <Aha, kleiner
Schäker!) gestatten es nicht. Bielleicht ist Graf
v. Ballestrem so gütig-

Der Vorsitzende stlmgeu energisch): v. Ballc-
streni heißt in diesem Falle Hase, der iveiß von
nichts. Bitte um andere Vorschläge.

Abg. Gröber: Meine Herren, gehen wir doch
nicht wie die Katze um den heißen Brei. Alles
nienschliche Wissen ist Stückwerk, das ist richtig;
aber dieses Stückwerk, mosaikartig zusammen-
gesetzt, ergiebt immerhin eine respektable Leistungs-
fähigkeit. Sie ist einzig vorhanden in unserem
Reichsgericht. Wenn wir ein Mitglied dieses
glänzenden Instituts zur Vertretung des Antrags
Kardorff wählen, so können wir versichert sein,
daß er, mit allen Kautelen der Gesetzlichkeit, des

Rechts und der Nothwcndigkeit umgeben, uns
zum Erfolg führen wird.

(In diesem Augenblick wurde ein durchdringender, scharfer,
pfeifender Ton hörbar, der den Anwesenden durch Mark und
Bein fuhr. Eine schwarze Gestalt, deren Herkunft schon allein
durch den Gestank, den sie um sich verbreitete, nicht zweifel-
haft sein konnte, stand vor Herrn Gröber.)

„Erschrecken Sie nicht, meine Herren, Bitru
ist es, nur Bitru, Ich wollte Ihnen einen guten
Abend wünschen und von Herrn Gröber, meinem
geschätzten Freunde und Gönner, etwas Feuer
erbitten. Gestatten Sie gütigst-"

(Bitru zündete sich an dem Lichte des Herrn Landgerichl-
raths Gröber eine Zigarette au, schlug mit dem Schweife ein
Kompliment, das; Allen Hören und Sehen verging und die
Lichter auslöschten. Eine blaue Schwefelflamme huschle am
Kreuzgewölbe des Saales entlang' und verschwand. Tiefste
Finsterniß herrschte.)

Am nächsten Tage vertrat Reichsgerichtsrath
Spahn im Reichstag den Antrag Kardorff.

Den Junkern.

Man fand den Zoll, den ihr geheischt, enorm,

Doch laßt den tropf nicht hängen, bleibt hübsch munter;
Man giebt euch gern, wenn auch in andrer §ovm:

Man setzt den Zoll, den ihr bezahlt, herunter.

Lin allerliebster Ausweg ward entdeckt,

Luch doch zu füllen eure leere Pinke:

A)as man nicht in die rechte Lasche steckt.

Das steckt man euch freundwillig in die linke. li.. L.

Lieber Jacob!

Nus maugelt seit lauge 'n zweiter Birjer-
mcester, un et fällt unsere vorsichtije Stadtväter
sehr schwer, die dazu jeeijncte Perseenlichkcit zu
finden. Sc haben schon alle orthopädische An-
stalten durchjcsncht, um eene» init'n recht krum-
men Buckel zu finden, aber et stellte sich immer
heraus, bet bet Rickjrat for den bevorzugten Posten
doch noch ville zu fest war. Nu sin se schließlich
uff Reicke'n verfallen, der de richt'je Vorbildung
dazu hat, denn er is Konsistorjalrath un zujleich
Dichter. Als Konsistorjalrath wird er bei die
häufige Kircheueiuweihungen dct nöthije Verständ-
uiß zcijen, un als Dichter wird ihm de Phan-

tasie nich mangeln, die zum Abfasscn von tom
munalc Jlickwunsch- un Lobjesänge bei allcr-
heechste Jcburts- un sonstije Feste ja sehr noth-
wendig ist.

In Jebrijen hat unser armet Berlin 'n jroßet
Unjlick betroffen. Man wollte lange nich mit de
Sprache raus, aber nu Hilst kecn Vertuschen un
Verbcrjen nich, bet schon lange Besuchtcte is
injctröffcn: Windheim jeht. Der scheenste un
kliegste Mann von Berlin, der Liebling von all
die Dauseudc, die jeiuals von eenen Schutzmann
zu Unrecht arrctirt worden sin, wird uns in kir-
zesie Zeit verlassen, un mir bleiben verwaist zurick.
'Als der Mann au't Ruder kam, wußte man
noch »ich jenau, ivat bet for'n Talen! war. Erst
bei den jlorreichen Tausch-Prozeß erkannten die
bestickten Berliner, bet se sich ieber seine Fähig-
keiten kcene „Täuschung" nich hinjejebcn hatten.
Bon da an konnte dct Erstaunlichste passiven —
man ivundcrte sich über nischt mehr. Un der
Mann soll nu von uns jerissen werden! Wird
er ooch, so frage ick mir, in eene andre Stellung
kommen, die seine Bcjabnng anjemessen is? Er
hat bei de Borussen in Bonn ausstudirt, is also
zu de allerhcechstcn Aeinter befähigt. Vielleicht
machen se ihn, zum Direkter von't Mumien-
Museum, ivcil er doch bei de Ausjrabungcn von
uralte Pollezeiverordnungen so'ne scheene Erfah-
rungen jcsammelt hat. Wejen seine jediejenc
Kenntnisse in de neiste Literatur, die er bei ver-
schiedene Ansfiehrungsverbote bewiesen hat, kennte
man ihm zum Theaterkritiker bei de Tante Voß
ernennen. Ooch zum Chäusscejcldeinnehmer ivirde
er sich eijnen von wejen sein jroßet Jeschick ini
Straßenabsperren. Wenn ick aber an die ville
sittliche Konfiskationen von Fotojrafien nn sonstije
Schaufensterbilder denke, so scheint et-mir doch
am besten, wenn ihm de Joldne Hundertzehn als
Kommis engaschiren ivirde, damit er seine Ab-
neijung jejen de unbekleidete Weiblichkeit durch Ver-
kauf von Sommer-, Winter-, Herbst- un Frihlings-
jardrobc iit de nitzlichste Weise bethätigen kann.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein je-
treier Jotthilf Ranke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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