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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0039
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3961 - -—-

•Ns/t? Vergeblich.

Hobelspänr.

Das „Schweineglück", mit dem mir jederzeit
Den großen Kampf ums ew'ge Recht erneuen,
Worin besteht's? In der Erbärmlichkeit
Der patentierten Reichs- und Kaisertreuen.

Ihr habt, was unsre Kampfesfreudc nährt,
Die Lumperei in Permanenz erklärt;

Ihr sorgt dafür, daß Lämmer selbst ergrimmen
Und nur »och Lumpe können für euch stimmen.

Undankbare Welt! klagte ein Berliner Polizei-
kommissar. Die verfluchten Sozialdemokraten
jammern immer, det der Verdienst so kleene is.
Will mau den Kerls aber mal uff de Beene
helfen, dann wird man im „Vorwärts" blamiert.

Daß man Fort Carlos Lombardiert
Und zwar durch drei Blockadeschiffe,

Hat manchen etwas konsterniert
Und geht ihm gegen die Begriffe.

Und doch ist alles klar und glatt
Für alle, die nicht blind uns hassen —

Wer solche teure Kähne hat,

Der muß sie doch auch schießen lassen.

Die Blumen der Unschuld, die am Grabe Krupps gepflanzt worden sind,
werden zwar eifrig begossen, verwelken aber mehr und mehr.

Ein Hauslehrer im Bett ist besser als eine Krone auf dem Kopf.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Delitzsch & Co.

Hörtet ihr, was Delitzsch sprach? —
Delitzsch sprach: Es stammt die Bibel
Nichk au» Cokkes Schreiberstnbel —
Delitzsch sprach: Dies sei 'ne Fabel

Wohl sür eine Linderfibel ;-

Höret wohl, was Delitzsch sprach:

Gottes Bibel stammt aus Babel,

Traget drum dir Babel-Bibel
Rasch zurück zum Bibel-Babel. —

Und als Delitzsch solches sprach,

Standen am Portal Karossen
Ungezählter Fhnrnsproffen.

Ist r» möglich denn? — Was seh' ich?
Was verachtete Genossen
Längst gesagt, ward schlotzplatzsähig?
Reiben seh' ich sroh die Flossen
— Und dabei voll Wehmut steh' ich —
Stillvergnügt sich Rudolf Müssen,
Bibel-Babel selbst entsprossen.

Hörtet ihr, was Delitzsch sprach?

Nie erschlug der Kain den Abel!

O, bewegt die Crdball-Kabrl!

Uber Dächer, über Giebel

Schall' es! — Rassel, deutscher Sabel!

Denn der große Delitzsch sprach:

Schon aus Babel stamm! dir Bibel,
Darum kragt uach Bibel-Babel
Rasch zurück die Babel-Bibel.

—Lrich Mühsam.

Das Bürgertum.

Meyer: Bebel erklärt uns für Feiglinge und
Kriecher. Ich bin es nicht, aber der Müller.

Müller: Ich bin auch nicht feige, aber der
Schmidt.

Schmidt: Ich bin nicht feige, aber der Piepen-
brink.

Piepenbrink: Der Schulze ist feige.
Schulze: Nein, der Haase.

Haase: Was, ich? Der Zimmermann ist der
große Feigling.

Zimmermann: Der größte Feigling ist der
Meyer.

Arbeiter: Bemühen Sie sich nicht weiter, meine
ehrenwerten Herren Bürger. Ich glaub' es Ihnen
allen aufs Wort, daß Sie keine Kourage haben!

Die Cänzerin.

„Erklär’ mir Jreund, was will der Lärm besagen,
Dies tolle treiben, atemlose Jagen?

Gs glänzen fasbionable Seideubütc,

Und hoffnungsvoll in distinguiertem Kreise
Drängt dort sieb unsrer Jugend edle Blüte
Man kämpft um Karten wie um Rennerpreise,
wem gilt der Sturm der eleganten lüe.lt?

Gewiss ist dort — komm, lass uns näher geh n
Grbabenes zu hören und zu sehn.

Gewiss tritt auf ein kühner Schlachtenheld,

Der niederwarf des Uaterlandes Jeinde!

Uielleicbt ein Mann, der für die Uolksgemeinde
Der Freiheit Gut in beissem Kampf erstritten
Und unter der Tyrannen hass gelitten!

Uielleicbt ein Denker, der aus tiefem Schacht
Der Forschung Schätze bat ans Licht gebracht!
UJobl gar ein Dichter, dem die bleiche Stirne
Sein Uolk mit dem verdienten Kranze schmückt!"

„Was faselst du, mein Jreund? Bist du verrückt?
Sie warten hier auf eines Königs Dirne!“

Ignotus.

Die Chauvinisten.

wer nicht mit ihnen tobt und brüllt,

Auf Engländer nicht und Franzosen schilt,

Äicht Venezuela zum frühstück verzehrt
Und auch im Chinesen den Menschen ehrt —

Ist Vaterlandsfeind, das ist ganz klar,

- Der Ltöcker sagt es und darum ist's wahr.

Lieber Jacob!

Der Professor Delitzsch, wat'n bcrichmtcr Hof-
un Jotiesmann is, hat neilich in de Singakademie
die Entdeckung jemacht, det de Jrundlagen von
unsre janze Kultur babylonischen Ursprungs sei.

"Der Mann hat janz recht; man sieht det noch
heile zum Beispiel an unsre offizielle Sittlichkeit,
die janz jewiß aus Babel stammt, an die baby-
lonische Jefangenschaft, in die sich de Jntellijenz
von unsre inaßjebenden Kreise befindet, nn an
die babylonische Verwirrung in unsre jlorreiche
Reichspolletik. Ooch in den beriehmten Zentrums-
turm kann man den lejitimen Nachkommen von
den Turm zu Babel erkennen, an den ja ooch
allerhand Jesindel ruinhantierte und der doch
nich bis in den Himmel rinwachsen konnte, ob-

wohl seine Meister immer jloobten, det se mit
den lieben Jott schon in direkte Fiehlung ständen.

Den heilijen Paasche wollen se nu in seinen
eijnen anjestamnrten Wahlkreis Kreuznach nich
mehr ufstellen. Ick kann mir dadrieber nich wundern.
De Kreuznacher, die an ihre Mutterlauge jewohnt
sind, wollen natürlich ooch 'neu Abjeornten mit'n
bisken Salz haben, und der Zuckerheilije wird se
woll zu sießlich sind.

Der freisinnich vereinijte Doktor Barth hat
neilich sein jeistreichet Bedauern dadrieber a»s-
jesprochen, det et an den Hof von den deitschen
Kaiser keene offiziellen Hofnarren nich mehr jibt.
Ick weeß nu »ich, ob et jrade noch neetig is,
bestimmte Perseenlichkeiten zu dieset verantwort-
liche Amt extra zu ernennen. Mir scheint, man
kommt ooch so janz jut aus, und der Mangel
an Hofnarren is noch nie fiehlbar jeworden.

Det Ordensfest is nu ooch wieder vorieber-
jejangen, ohne det mir'n Piepvogel beschert wurde.
De Uffahrt soll jroßartig jewesen sind. Neben
ville andere Wirdenträjer war ooch'n Jimnasiast
aus Ostpreißen erschienen, der sich det zu diese
patriotische Spritztur neetije Reisejeld aus de väter-
liche Kasse entnommen hatte. Der Olle erjriff ihm
noch kurz vor't Schloßportal un expedierte ihm
in de heimatlichen Jefilde zurück. Statt'» roten
Adlerorden soll der zeitjemäße Knabe von der
Hand seines Erzeijers 'n roten Hintern davon-
jetragen haben. Aber im Jrunde kann ick den
Jungen seinen Streich janich so iebel nich nehmen.
Er dachte, in Berlin is jroße Kinderbescherung,
un wollte ooch mit dabei sind. Jedenfalls paßte
er da besser hin, wie die Villen Jrauköppe, die sich
ihren ehrwirdijen Speckbauch mit blanket Spiel-
zeug behängen lassen.

Jn't keenijliche Opernhaus trat 'ne richtije
englische Miß uff, die vor allet Volk mit nackte
Beene 'ruintanzt. In de Zeitungen stand, det
wäre 'ne sejensreiche Reform von de Tanzkunst.
Wie ick nu letzten Sonntag in Tempelhof uff'n
Schivoof war, wollte ick mir diese Neueruirg ooch
zu eijen machen. Aber kaum hatte ick mir meine
Stiebeln, Fußlappen un Hosen entledijt, da kriejten
se mir zu packen un schmissen mir 'raus! De
Leite haben da noch keene moderne Bildung nich.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

wir ersuchen die rarleigenossen, eine recht kräftige Agitation sür den Mahren Jacob ru entfalten. rjvj/jjs

• • • rrobctmmmmi werden aus vorhergehende vesteliung gratis und franko geliefert. » »
 
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