4003
Reformen in Rußland.
Der Zar: Künftig wirst du nur an einem Fuß gefesselt vor mir
zu liegen brauchen!
Dobelfpäne. eT>
Ich wüßte kaum mir einen größcrn Spaß
Als zweier Pfaffen zeterndes Gezanke
Und ich ertrüge ein gerüttelt Maß,
Wenn's nur dabei nicht so abscheulich — stänke.
Mehr als der Klinge elegantes Spiel
Bewund're ich am Ritter Ulrich Hutten,
Daß er kein einz'ges mal in Ohnmacht fiel,
Als ausgeklopft er all die Pfaffenkulten.
Bei der gewaltsamen Unterdrückung einer
vonr Volke getragenen Bewegung geht es wie
bei den bekannten Kraftmessern auf den Jahr-
märkten: Je wuchtiger man draufschlägt, desto
mächtiger wächst die treibende Kraft.
Eine jegliche Universität
In Deutschland, o schöne Zeiten,
Wird jetzt von russischen Spitzeln bewacht —
Wie mag solch Zeichen ich dentcn?
Je nun, cs kommt noch 'ne schönere Zeit,
Da wird ein Gruseln uns packen,
Wenn ans den Lehrstühlen sind zu seh'n
Einmal leibhaft'ge Kosacken.
Es ist schade, daß die Hohcnzollern nicht katholisch sind, sonst würde
der alte Wilhelm demnächst heilig gesprochen werden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Russische Freiheit.
Nikoläuschen, Herrscher allmächtigster!
Kriedensfürst, abrüstiglich-bedächtigster!
Welche Runde hört man wiedermal
Schallen her von deinem piedestal!
Weises weißes Väterchen, dein Untertan
§ragt erstaunt: Hat Gott dies Wunder tan,
Daß der Freiheit wonniglicher Hauch
plötzlich zieht durch Rußlands Hungerbanch?
Uch, ganz Rußland wird jetzt überall
fortschrittlich regiert und liberal.
Und des friedenszaren Manifest
Gibt der Unechtschaft den verdienten Rest.
Jedoch darf kein Mensch verlangen gleich.
Daß der Sozialist, der zangengleich
Leine Arme preßt ums Russenland,
Als ein Lhrenmann wird anerkannt.
Aötig ist's drum, daß bei den Libiren
Rach wie vor noch diese Roten frieren.
Aber sonst zieht jetzt ins Land der Reußen
Liberaler Geist ein-wie in Preußen!
Lrich Mühsam.
Lehmann: Nu wollen sich die Agrarier mit
die Weltausstellung in Chicago ooch befreinden.
Piefke: Vielleicht wollen sc e» paar notleidende
Brieder ausstcllen.
Lehmann: Det wäre ja ’n janz jnter Export-
artikel.
Piefke: Da haste Recht! In dem Falle bin
ick sojar for Ausfuhrprämien.
Piefke: Komisch is et doch, daß der Abjeornte
Hasse un seine Freinde sich „AUdeitsche" nennen.
Lehmann: Warum denn?
Piefke: Na, det sin doch jrade die Teitschen,
die „nich alle werden".
Richt möglich!
Durch die Abhaltung einer Antoniobil-Parade
vor dem deutschen Kaiser haben die Automobilisten
versucht, sich nach oben hin in guten Geruch zu
setzen.
Ein Schwabenstreich.
Die katholische Gemeinde Oberstetten (Württemberg) ließ im
protestantischen Nachbarort Bernloch bekannt geben, daß von
jetzt ab die Bernlocher Kühe von dem Bullen von Oberstetten
nicht mehr besprungen würden. Bernloch hat bei der Land-
tagsersatzwahl demokratisch gewählt.
Der Pfarrer von Obersteklen
Ist ein gar frommer Wann,
Wer nichk katholisch wählet,
Der kommt in Acht und Bann.
Der Pfarrer straft die Menschen,
Doch straft er auch das Vieh,
Es trauern in ganz Vernloch
Die prviestanl'fchrn Mh'.
Sie trauern um einen Bullen,
Der fern von ihnen steht,
Sie träumen von feiner Schönheit
Von früh bis abends spät.
Sie werden zusammen nicht kommen,
Vrüll'u sie auch noch so dumpf —
Sv macht man jedem Rindvieh
Es klar, dafz Zentrum Trumpf. j.w.
Lieber Jacob!
Als Windhcim wegjing, dachie ick, wir würden
ihm sehr vermissen un ick würde mir oft nach
ihn bangen. Aber wat unser ncierPollczeipräsidenl
is, det is so'n schenialer Beamter, det ick schon
janz jetröstet bin, un ooch du, lieber Jacob, kannst
mit dem Wechsel zufrieden sind. Der neie Herr
wird, jloobe ick, dir noch ebenso ville Freide machen,
wie der alte. Jetz hat er zum Schutz jejen jemisse
wilde Menschen, die immer Hurra schreien un mit
ihre Taschentücher wedeln, de Linden mit doppelte
Wäscheleinen absperrcn lassen. Ick finde diese
Maßrejel sehr scheen un praktisch, aber se hat
doch ooch ihre Schattenseiten. Wie mein Freind
Edemard neilich in de Morjcndämmerung de
Linden durchquerte, is er icber de pollezeilichen
Schutzstrippcn, die er bei die mangelhafte Be-
leuchtung nich sehen konnte, längelang hinjeschlagen
un hat sich 'ne schwere innere Verletzung in seine
Kauwerkzeuge zujezogen. Eenen Vorderzahn spuckte
er noch mit Jeistesjejenwart von sich, aber den
Backzahn hat er leider runnerjeschluckt un ihn
bis heite nich miederjesch'n. Ick traf ihn zwei
Dage nach det Ereignis, un ick sage dir, er sah
aus, als wenn er die Jeneralversammlnng von 'n
Tierschutzverein mitjemacht hätte. Et märe doch
jut, wenn de Pollezei uff ihre unsichtbaren Schutz-
vorrichtungen det Publikum aufmerksam machen
möchte, vielleicht indem se, wie bei de Parforce-
jagden in 'n Jrunewald, alle zwee Schritte 'ne
kleine Fahne an die Strippen befestigen läßt. Det
wirde den Linden zugleich 'n festlichen Anstrich
jeden. Uff die Fahnen könnten patriotische In-
schriften stehen, zum Beispiel: „Wir Deitsche
fürchten Jott un sonst nischt in de Welt". Det
wäre sinnreich, dekorativ und zweckentsprechend.
Det Jeschäft niit de Bülow-Heringe soll jlän-
zend jehen. Mein Freind Schultze, der Jrien-
kramhändler oben aus de Müllerstraße, erzählte
mir, det er alleenc an de Mitjlieder von de
Nazarethjemeinde, wo doch jetzt so'n jroßer Katzen-
jammer ausjebrochen is, zwee Zentner von det
staatserhaltende Nahrungsmittel verkooft hätte.
Aber nu meldet sich schon de Konkurrenz. De
andern Minister wollen sich ooch durch die reichs-
treue Frcßsucht von ihre Mitmenschen Unsterblich-
keit erwerben. Der Möller-Spargel (sehr lang,
aber holzig) soll allerdings nur sehr wenije Freinde
finden, dajejen wird det Podbielsky-Bauchstick
reißend jckooft, objleich sein Jcnuß bei Kanal-
freinde Uffstoßen erregt.
Nu haben se doch in'n Reichstag ooch endlich
festjestellt, wer denn eejentlich anno 70 de Fran-
zosen besiegt hat. Krupp is et jewesen — daran
darf nn nich mehr jezmcifelt werden. Det is doch
'ne vielseitije Firma! De Franzosen haut se in
de Pfanne mit ihren Kanonen, un de Deitschen
haut sc ieber't Ohr mit ihre Armeelieferungen.
'N wahret Jlick is et bloß, det Napoleon dunne-
mals nich Krupp seine Kanonenofferte anjenommen
hat. Dann wäre die Sache doch natierlich nm-
jekehrt jckommen; wir hätten de Schmiere besehen
un Krupp wirde heite in't franzeesische Parlament
als Razjonalhcld jefeiert werden. Man sieht, der
wahre Patriotismus hängt manchmal von 'ne
Kleenigkeit ab. Uff Lager is er immer, et kommt
bloß druff an, wer ihm bestellt.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jetreier
Jotthilf Ranke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
Wir ersuchen die Parteigenossen, eine rechl kräftige Agitation für den wahren jZacov m entfalten. Q
ü ^ • « « rroliennmmern werden auf vorhergehende vefteilung oratis und franko geliefert. « • •
Reformen in Rußland.
Der Zar: Künftig wirst du nur an einem Fuß gefesselt vor mir
zu liegen brauchen!
Dobelfpäne. eT>
Ich wüßte kaum mir einen größcrn Spaß
Als zweier Pfaffen zeterndes Gezanke
Und ich ertrüge ein gerüttelt Maß,
Wenn's nur dabei nicht so abscheulich — stänke.
Mehr als der Klinge elegantes Spiel
Bewund're ich am Ritter Ulrich Hutten,
Daß er kein einz'ges mal in Ohnmacht fiel,
Als ausgeklopft er all die Pfaffenkulten.
Bei der gewaltsamen Unterdrückung einer
vonr Volke getragenen Bewegung geht es wie
bei den bekannten Kraftmessern auf den Jahr-
märkten: Je wuchtiger man draufschlägt, desto
mächtiger wächst die treibende Kraft.
Eine jegliche Universität
In Deutschland, o schöne Zeiten,
Wird jetzt von russischen Spitzeln bewacht —
Wie mag solch Zeichen ich dentcn?
Je nun, cs kommt noch 'ne schönere Zeit,
Da wird ein Gruseln uns packen,
Wenn ans den Lehrstühlen sind zu seh'n
Einmal leibhaft'ge Kosacken.
Es ist schade, daß die Hohcnzollern nicht katholisch sind, sonst würde
der alte Wilhelm demnächst heilig gesprochen werden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Russische Freiheit.
Nikoläuschen, Herrscher allmächtigster!
Kriedensfürst, abrüstiglich-bedächtigster!
Welche Runde hört man wiedermal
Schallen her von deinem piedestal!
Weises weißes Väterchen, dein Untertan
§ragt erstaunt: Hat Gott dies Wunder tan,
Daß der Freiheit wonniglicher Hauch
plötzlich zieht durch Rußlands Hungerbanch?
Uch, ganz Rußland wird jetzt überall
fortschrittlich regiert und liberal.
Und des friedenszaren Manifest
Gibt der Unechtschaft den verdienten Rest.
Jedoch darf kein Mensch verlangen gleich.
Daß der Sozialist, der zangengleich
Leine Arme preßt ums Russenland,
Als ein Lhrenmann wird anerkannt.
Aötig ist's drum, daß bei den Libiren
Rach wie vor noch diese Roten frieren.
Aber sonst zieht jetzt ins Land der Reußen
Liberaler Geist ein-wie in Preußen!
Lrich Mühsam.
Lehmann: Nu wollen sich die Agrarier mit
die Weltausstellung in Chicago ooch befreinden.
Piefke: Vielleicht wollen sc e» paar notleidende
Brieder ausstcllen.
Lehmann: Det wäre ja ’n janz jnter Export-
artikel.
Piefke: Da haste Recht! In dem Falle bin
ick sojar for Ausfuhrprämien.
Piefke: Komisch is et doch, daß der Abjeornte
Hasse un seine Freinde sich „AUdeitsche" nennen.
Lehmann: Warum denn?
Piefke: Na, det sin doch jrade die Teitschen,
die „nich alle werden".
Richt möglich!
Durch die Abhaltung einer Antoniobil-Parade
vor dem deutschen Kaiser haben die Automobilisten
versucht, sich nach oben hin in guten Geruch zu
setzen.
Ein Schwabenstreich.
Die katholische Gemeinde Oberstetten (Württemberg) ließ im
protestantischen Nachbarort Bernloch bekannt geben, daß von
jetzt ab die Bernlocher Kühe von dem Bullen von Oberstetten
nicht mehr besprungen würden. Bernloch hat bei der Land-
tagsersatzwahl demokratisch gewählt.
Der Pfarrer von Obersteklen
Ist ein gar frommer Wann,
Wer nichk katholisch wählet,
Der kommt in Acht und Bann.
Der Pfarrer straft die Menschen,
Doch straft er auch das Vieh,
Es trauern in ganz Vernloch
Die prviestanl'fchrn Mh'.
Sie trauern um einen Bullen,
Der fern von ihnen steht,
Sie träumen von feiner Schönheit
Von früh bis abends spät.
Sie werden zusammen nicht kommen,
Vrüll'u sie auch noch so dumpf —
Sv macht man jedem Rindvieh
Es klar, dafz Zentrum Trumpf. j.w.
Lieber Jacob!
Als Windhcim wegjing, dachie ick, wir würden
ihm sehr vermissen un ick würde mir oft nach
ihn bangen. Aber wat unser ncierPollczeipräsidenl
is, det is so'n schenialer Beamter, det ick schon
janz jetröstet bin, un ooch du, lieber Jacob, kannst
mit dem Wechsel zufrieden sind. Der neie Herr
wird, jloobe ick, dir noch ebenso ville Freide machen,
wie der alte. Jetz hat er zum Schutz jejen jemisse
wilde Menschen, die immer Hurra schreien un mit
ihre Taschentücher wedeln, de Linden mit doppelte
Wäscheleinen absperrcn lassen. Ick finde diese
Maßrejel sehr scheen un praktisch, aber se hat
doch ooch ihre Schattenseiten. Wie mein Freind
Edemard neilich in de Morjcndämmerung de
Linden durchquerte, is er icber de pollezeilichen
Schutzstrippcn, die er bei die mangelhafte Be-
leuchtung nich sehen konnte, längelang hinjeschlagen
un hat sich 'ne schwere innere Verletzung in seine
Kauwerkzeuge zujezogen. Eenen Vorderzahn spuckte
er noch mit Jeistesjejenwart von sich, aber den
Backzahn hat er leider runnerjeschluckt un ihn
bis heite nich miederjesch'n. Ick traf ihn zwei
Dage nach det Ereignis, un ick sage dir, er sah
aus, als wenn er die Jeneralversammlnng von 'n
Tierschutzverein mitjemacht hätte. Et märe doch
jut, wenn de Pollezei uff ihre unsichtbaren Schutz-
vorrichtungen det Publikum aufmerksam machen
möchte, vielleicht indem se, wie bei de Parforce-
jagden in 'n Jrunewald, alle zwee Schritte 'ne
kleine Fahne an die Strippen befestigen läßt. Det
wirde den Linden zugleich 'n festlichen Anstrich
jeden. Uff die Fahnen könnten patriotische In-
schriften stehen, zum Beispiel: „Wir Deitsche
fürchten Jott un sonst nischt in de Welt". Det
wäre sinnreich, dekorativ und zweckentsprechend.
Det Jeschäft niit de Bülow-Heringe soll jlän-
zend jehen. Mein Freind Schultze, der Jrien-
kramhändler oben aus de Müllerstraße, erzählte
mir, det er alleenc an de Mitjlieder von de
Nazarethjemeinde, wo doch jetzt so'n jroßer Katzen-
jammer ausjebrochen is, zwee Zentner von det
staatserhaltende Nahrungsmittel verkooft hätte.
Aber nu meldet sich schon de Konkurrenz. De
andern Minister wollen sich ooch durch die reichs-
treue Frcßsucht von ihre Mitmenschen Unsterblich-
keit erwerben. Der Möller-Spargel (sehr lang,
aber holzig) soll allerdings nur sehr wenije Freinde
finden, dajejen wird det Podbielsky-Bauchstick
reißend jckooft, objleich sein Jcnuß bei Kanal-
freinde Uffstoßen erregt.
Nu haben se doch in'n Reichstag ooch endlich
festjestellt, wer denn eejentlich anno 70 de Fran-
zosen besiegt hat. Krupp is et jewesen — daran
darf nn nich mehr jezmcifelt werden. Det is doch
'ne vielseitije Firma! De Franzosen haut se in
de Pfanne mit ihren Kanonen, un de Deitschen
haut sc ieber't Ohr mit ihre Armeelieferungen.
'N wahret Jlick is et bloß, det Napoleon dunne-
mals nich Krupp seine Kanonenofferte anjenommen
hat. Dann wäre die Sache doch natierlich nm-
jekehrt jckommen; wir hätten de Schmiere besehen
un Krupp wirde heite in't franzeesische Parlament
als Razjonalhcld jefeiert werden. Man sieht, der
wahre Patriotismus hängt manchmal von 'ne
Kleenigkeit ab. Uff Lager is er immer, et kommt
bloß druff an, wer ihm bestellt.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jetreier
Jotthilf Ranke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
Wir ersuchen die Parteigenossen, eine rechl kräftige Agitation für den wahren jZacov m entfalten. Q
ü ^ • « « rroliennmmern werden auf vorhergehende vefteilung oratis und franko geliefert. « • •