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Die reaktionäre Masse.
Ihr meint noch jetzt, öaß es ein Rätsel sei
And daß des Volkes Spruch euch überrasche?
War Reich und Kaiser nicht das Feldgeschrei?
Jawohl, doch meintet ihr — die eigne Tasche!
Inr Volke aber tagt es furchtbar jetzt,
Darum vollzog es die gewalt'ge Schwenkung,
And euch, die Schwindler des Kartells, verseht
Wil einem Fußtritt es in die Versenkung.
Durch drei Jahrzehnte hielt die Vhrase vor,
Doch liegt pi viel, pi Klotziges dazwischen,
Und die Vergoldung, die sich doch verlor,
Gelang es nicht bei Feiten auftufrischen.
Ihr habt euch redlich damit abgeplagt
And jeden Tag die Arbeit vorgenommen,
Doch endlich hat der Apparat versagt
Und wie's gekommen ist, so mußt es kommen.
Wer den Vetrug, den schmählichen, erkannt,
Der hat in Hellem und gerechtem Grimme
Für immer sich den Fälschern abgewandt
Und den Verleumdeten gab er die Stimme.
Ihr standet da, ein kläglich Jammerbild
Und eurer schlaffen Land entsank der Zügel;
Das Volk fuhr auf, die Waffen wurden wild
Und ihr bekamt die wohlverdienten Vrügel.
Den Schwarten nur hat's noch einmal geglückt.
Doch herrscht auch hier die Furcht bereits, die blasse;
Auch ihnen ist der Stempel aufgedrückt,
(Ls hat getagt auch in der „Vfaffengasse".
Die Wahrheit bricht stch Wahn; hilflos erliegt
Dem Wanneswort die Vredigt der Verschwornen,
Und wie wir die Gescheitelten besiegt,
Wesiegen wir dereinst auch die Geschornen.
Da hilft kein Zetern und kein Wutgebell,
Und Vapst und Wischof mahnen da vergebens;
In Willionen Köpfen ward es hell
Und in die Stickluft drang der Lauch des Lebens.
Uns hemmt kein Damm, kein noch so fester Turm,
Denn unterwühlt bereits ist jede Feste;
Wir nehmen sie das nächste Wal mit Sturm
Und sprengen in die Luft der Zwingburg Reste. R.L.
0 welche Luft, Soldat zu fein.
Soldat sein heißt: Zu jeder Zeit
An gottgefällig reinem Leben,
An Sitte und Gehorsamkeit
Der Welt ein gutes Beispiel geben;
Und unbedingt muß weit und breit
Die Stimme man zum Lob erheben,
Wenn man vernimmt, was Preußens Staat
Zllr prächtige Soldaten hat,
Lin jeder Knopf ift blank geputzt,
Lin jedes Beinkleid stramm gefaltet,
Lin jeder Schnurrbart forsch gestutzt —
Das kommt nur, weil so schneidig waltet
Der Vorgesetzte, wenn beschmutzt
Lr einen Kock sieht und veraltet,
Zn diesem Zall steht's bombenfest:
Der Übeltäter kriegt Arrest!
Denn der Herr Hauptmann ist gewillt,
Daß tadellos sei seine Truppe,
Zst's nicht der Zall, der Zorn ihm schwillt.
Die Züsilier genannte Puppe
Sei darum unentwegt gedrillt,
Wie es geschieht, das ist ihm schnuppe,
Dafür weiß ja der Herr Sergeant
Manch Mittel, das sonst unbekannt.
Die Große, Warnecke und Kisch,
Die Hüssener und andre Leute,
Die zeigten uns, wie jugendfrisch
Der Militärgeist ist von heute.
Was jüngst an der Gerichte Tisch
verhandelt ward — wen das nicht freute,
Dem fehlt der rechte Sinn und Geist
Zür das, was Schneid und Lhre heißt.
Was liegt an einem Magenpuff,
An einem Stoß der Degenscheide?
Was liegt daran, trifft dich ein Puff
Zn eine Lende oder beide?
Und wenn auch wirklich wer im Suff
Durchpikt dir deine Lingeweide —
So woll'n wir doch begeistert schrein:
D welche Lust, Soldat zu sein!
Lrich Mühsam,
Wriefe moderner Dunkelmänner.
Traf Bodo von Rnippenbur an Pastor Immanuel Duck.
Monte Carlo, Anfang Juli.
Lieber Pastor! Habe mich leider bei Abreise nicht
verabschieden können. Boden brannte mir tat-
sächlich unter Füßen. Jott sei Dank, daß ver-
fluchter Wahlrummel vorüber ist!
Nehmen Sie, verehrter Seelsorger, unjeistliche
Redewendung nicht übel. Können sich aber denken,
daß höchst indigniert und fatiguiert bin. Dreißig
Reden an Bauernkerls und struppige Taglöhner
jehaltcn, Wahlkreis von einen: bis zum anderen
Ende durchjeklappert bei trauriger Verpflegung!
Was tut man nicht für Jott, König und Vater-
land! Na, wenigstens Jenugtuung jehabt, daß
mit riesiger Majorität jewählt. Höchst unerfreulich
allerdings, daß sozialdemokratische Bande auch bei
»ns einzunisten besinnt. Jesellschaft wird immer
frecher und bin fester Überzeugung, daß einmal
stündlich aufjeräumt werden muß.
Reichstagswahlerjebnis ist nicht jradc erbaulich.
Konservative Fraktion zwar ziemlich jut abje-
schnitten, aber vortreffliche Mitkämpfer aus Reihen
Bundes der Landwirte auf Walstatt jcblieben.
Hahn, Lucke, Rösicke und Oertel! Das Schlimmste
aber ist rasende Zunahme sozialdemokratischer
Stimmen. Drei Millionen rote Zettel! Werden
mal sehen, wie Kerle jetzt im Reichstag auftrumpfen
werden!
Und woher all dies Elend? Nur von dem
nichtswürdigen Wahlrecht! Damit muß reine
Bahn jemacht werden, damit uns Kanaille nicht
vollends über Kopf wächst. Leider hat auch kon-
servative Fraktion bisher nicht den Mut jehabt,
diese Pestbeule aus politischem Körper zu ent-
fernen, Ja, muß für nieine Person zujestehen,
daß noch in letzten Wahlreden versichert habe,
Konservative dächten nicht daran, Wahlrecht an-
zutasten. Indes, so eine kleine reservatio men-
talis ist doch wohl mit christlichen Grundsätzen
vereinbar, nicht wahr, lieber Pastor? Situation
ist außerdem durch trauriges Wahlerjebnis völlig
verändert. Hoffe daher, daß konservative Fraktion
frisch, fromm, fröhlich und frei Kampf jejen
nichtsivürdige Institution jejenwärtigen Wahl-
rechtes aufnimmt. Kommt nur drauf an, Zentrum
und Nationalliberale zu Bundcsjcnossen zu je-
winnen. Na, Nationalliberale werden nicht un-
erbittlich sein. Dürsten allerdings erst einige
liberale Bocksprünge machen, um ihr Jcwisscn zu
beruhigen, werden aber schließlich mit sich reden
lassen. Das schöne liberale Mäntelchen hat schon
so viel Löcher und Flicken, daß mau kaum merkt,
wenn noch ein paar Fetzen abjerissen werden.
Und auch Zentrum wird mittun. Berühmte
Turm fängt doch schon infolge sozialdemokratischer
Minicrarbeit an einigen Ecken an zu wackeln und
da werden stamme Zentrumswächter sich schließ-
lich bereit zeigen, uns Hand zu bieten, wenn
Rejierung nötige Jarantien jcwährt.
Rejierung! Da liegt Hund bcjraben, mein
bester Pastor! Man sollte denken, daß sich Rc-
jierung über Erbärmlichkeit unseres Wahlrechtes
völlig im klare». Ist es nicht heller Wahnsinn,
daß irgend ein Strolch, der kein janzes Hemd
aus Leibe hat, ebensoviel Stinunc wie ich, Jraf
Bodo von Knippenbur, Besitzer eines schulden-
freien Ritterguts von 3000 Morgen. (Daß mein
Jut schuldenfrei, lieber Pastor, janz entre nous!
Wissen ja, daß Jroßjrundbesih projranunmäßig
notleidct!) Ist es nicht jeradezu unmoralisch, daß
Taglöhner, der auf meinem Jrund und Boden
sozusagen von meiner Jnadc lebt, seine Stimnie
abjibt, ohne daß in der Lage bin, zu kontrollieren
und zu rektifizieren? Lieber Pastor, darüber be-
steht doch bei anständigen Menschen kein Zweifel.
Nur unsere Rejierung, Jott sei's jeklagt, denkt
Die reaktionäre Masse.
Ihr meint noch jetzt, öaß es ein Rätsel sei
And daß des Volkes Spruch euch überrasche?
War Reich und Kaiser nicht das Feldgeschrei?
Jawohl, doch meintet ihr — die eigne Tasche!
Inr Volke aber tagt es furchtbar jetzt,
Darum vollzog es die gewalt'ge Schwenkung,
And euch, die Schwindler des Kartells, verseht
Wil einem Fußtritt es in die Versenkung.
Durch drei Jahrzehnte hielt die Vhrase vor,
Doch liegt pi viel, pi Klotziges dazwischen,
Und die Vergoldung, die sich doch verlor,
Gelang es nicht bei Feiten auftufrischen.
Ihr habt euch redlich damit abgeplagt
And jeden Tag die Arbeit vorgenommen,
Doch endlich hat der Apparat versagt
Und wie's gekommen ist, so mußt es kommen.
Wer den Vetrug, den schmählichen, erkannt,
Der hat in Hellem und gerechtem Grimme
Für immer sich den Fälschern abgewandt
Und den Verleumdeten gab er die Stimme.
Ihr standet da, ein kläglich Jammerbild
Und eurer schlaffen Land entsank der Zügel;
Das Volk fuhr auf, die Waffen wurden wild
Und ihr bekamt die wohlverdienten Vrügel.
Den Schwarten nur hat's noch einmal geglückt.
Doch herrscht auch hier die Furcht bereits, die blasse;
Auch ihnen ist der Stempel aufgedrückt,
(Ls hat getagt auch in der „Vfaffengasse".
Die Wahrheit bricht stch Wahn; hilflos erliegt
Dem Wanneswort die Vredigt der Verschwornen,
Und wie wir die Gescheitelten besiegt,
Wesiegen wir dereinst auch die Geschornen.
Da hilft kein Zetern und kein Wutgebell,
Und Vapst und Wischof mahnen da vergebens;
In Willionen Köpfen ward es hell
Und in die Stickluft drang der Lauch des Lebens.
Uns hemmt kein Damm, kein noch so fester Turm,
Denn unterwühlt bereits ist jede Feste;
Wir nehmen sie das nächste Wal mit Sturm
Und sprengen in die Luft der Zwingburg Reste. R.L.
0 welche Luft, Soldat zu fein.
Soldat sein heißt: Zu jeder Zeit
An gottgefällig reinem Leben,
An Sitte und Gehorsamkeit
Der Welt ein gutes Beispiel geben;
Und unbedingt muß weit und breit
Die Stimme man zum Lob erheben,
Wenn man vernimmt, was Preußens Staat
Zllr prächtige Soldaten hat,
Lin jeder Knopf ift blank geputzt,
Lin jedes Beinkleid stramm gefaltet,
Lin jeder Schnurrbart forsch gestutzt —
Das kommt nur, weil so schneidig waltet
Der Vorgesetzte, wenn beschmutzt
Lr einen Kock sieht und veraltet,
Zn diesem Zall steht's bombenfest:
Der Übeltäter kriegt Arrest!
Denn der Herr Hauptmann ist gewillt,
Daß tadellos sei seine Truppe,
Zst's nicht der Zall, der Zorn ihm schwillt.
Die Züsilier genannte Puppe
Sei darum unentwegt gedrillt,
Wie es geschieht, das ist ihm schnuppe,
Dafür weiß ja der Herr Sergeant
Manch Mittel, das sonst unbekannt.
Die Große, Warnecke und Kisch,
Die Hüssener und andre Leute,
Die zeigten uns, wie jugendfrisch
Der Militärgeist ist von heute.
Was jüngst an der Gerichte Tisch
verhandelt ward — wen das nicht freute,
Dem fehlt der rechte Sinn und Geist
Zür das, was Schneid und Lhre heißt.
Was liegt an einem Magenpuff,
An einem Stoß der Degenscheide?
Was liegt daran, trifft dich ein Puff
Zn eine Lende oder beide?
Und wenn auch wirklich wer im Suff
Durchpikt dir deine Lingeweide —
So woll'n wir doch begeistert schrein:
D welche Lust, Soldat zu sein!
Lrich Mühsam,
Wriefe moderner Dunkelmänner.
Traf Bodo von Rnippenbur an Pastor Immanuel Duck.
Monte Carlo, Anfang Juli.
Lieber Pastor! Habe mich leider bei Abreise nicht
verabschieden können. Boden brannte mir tat-
sächlich unter Füßen. Jott sei Dank, daß ver-
fluchter Wahlrummel vorüber ist!
Nehmen Sie, verehrter Seelsorger, unjeistliche
Redewendung nicht übel. Können sich aber denken,
daß höchst indigniert und fatiguiert bin. Dreißig
Reden an Bauernkerls und struppige Taglöhner
jehaltcn, Wahlkreis von einen: bis zum anderen
Ende durchjeklappert bei trauriger Verpflegung!
Was tut man nicht für Jott, König und Vater-
land! Na, wenigstens Jenugtuung jehabt, daß
mit riesiger Majorität jewählt. Höchst unerfreulich
allerdings, daß sozialdemokratische Bande auch bei
»ns einzunisten besinnt. Jesellschaft wird immer
frecher und bin fester Überzeugung, daß einmal
stündlich aufjeräumt werden muß.
Reichstagswahlerjebnis ist nicht jradc erbaulich.
Konservative Fraktion zwar ziemlich jut abje-
schnitten, aber vortreffliche Mitkämpfer aus Reihen
Bundes der Landwirte auf Walstatt jcblieben.
Hahn, Lucke, Rösicke und Oertel! Das Schlimmste
aber ist rasende Zunahme sozialdemokratischer
Stimmen. Drei Millionen rote Zettel! Werden
mal sehen, wie Kerle jetzt im Reichstag auftrumpfen
werden!
Und woher all dies Elend? Nur von dem
nichtswürdigen Wahlrecht! Damit muß reine
Bahn jemacht werden, damit uns Kanaille nicht
vollends über Kopf wächst. Leider hat auch kon-
servative Fraktion bisher nicht den Mut jehabt,
diese Pestbeule aus politischem Körper zu ent-
fernen, Ja, muß für nieine Person zujestehen,
daß noch in letzten Wahlreden versichert habe,
Konservative dächten nicht daran, Wahlrecht an-
zutasten. Indes, so eine kleine reservatio men-
talis ist doch wohl mit christlichen Grundsätzen
vereinbar, nicht wahr, lieber Pastor? Situation
ist außerdem durch trauriges Wahlerjebnis völlig
verändert. Hoffe daher, daß konservative Fraktion
frisch, fromm, fröhlich und frei Kampf jejen
nichtsivürdige Institution jejenwärtigen Wahl-
rechtes aufnimmt. Kommt nur drauf an, Zentrum
und Nationalliberale zu Bundcsjcnossen zu je-
winnen. Na, Nationalliberale werden nicht un-
erbittlich sein. Dürsten allerdings erst einige
liberale Bocksprünge machen, um ihr Jcwisscn zu
beruhigen, werden aber schließlich mit sich reden
lassen. Das schöne liberale Mäntelchen hat schon
so viel Löcher und Flicken, daß mau kaum merkt,
wenn noch ein paar Fetzen abjerissen werden.
Und auch Zentrum wird mittun. Berühmte
Turm fängt doch schon infolge sozialdemokratischer
Minicrarbeit an einigen Ecken an zu wackeln und
da werden stamme Zentrumswächter sich schließ-
lich bereit zeigen, uns Hand zu bieten, wenn
Rejierung nötige Jarantien jcwährt.
Rejierung! Da liegt Hund bcjraben, mein
bester Pastor! Man sollte denken, daß sich Rc-
jierung über Erbärmlichkeit unseres Wahlrechtes
völlig im klare». Ist es nicht heller Wahnsinn,
daß irgend ein Strolch, der kein janzes Hemd
aus Leibe hat, ebensoviel Stinunc wie ich, Jraf
Bodo von Knippenbur, Besitzer eines schulden-
freien Ritterguts von 3000 Morgen. (Daß mein
Jut schuldenfrei, lieber Pastor, janz entre nous!
Wissen ja, daß Jroßjrundbesih projranunmäßig
notleidct!) Ist es nicht jeradezu unmoralisch, daß
Taglöhner, der auf meinem Jrund und Boden
sozusagen von meiner Jnadc lebt, seine Stimnie
abjibt, ohne daß in der Lage bin, zu kontrollieren
und zu rektifizieren? Lieber Pastor, darüber be-
steht doch bei anständigen Menschen kein Zweifel.
Nur unsere Rejierung, Jott sei's jeklagt, denkt