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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0210
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4138

Nachdem in letzter Zeit das Seelenheil aller Lisenbahnreisenden in Preußen durch verfängliche Lektüre vergiftet worden ist, hat der Lisen-
bahmninister verordnet, daß hinfort die Auswahl bei der Abgabe von Schriften auf den Bahnhöfen nur durch den vereidigten Zeitungs-
verkäufer zu erfolgen hat.

Andere Zeiten, andere Lieder.

Aus der schweizerischen Bundesstadt geht dem
„Wahren Jacob" von unterrichteter Seite folgende
Mitteilung zu:

Die kleine Alpenrepublik beherbergt wieder viel
vornehme Gäste, denen der „Ludergeruch" der
Demokratie — bitte, nehmen Sie nicht Anstoß
an dem Ausdruck, da er in ursprünglicher Form
von einem preußischen König herrührt — temporär
sehr zuträglich ist. An die Anwesenheit Bebels
in seinem Sommerpalast sind sic gewöhnt und
die Kunde, daß Bernstein und Kautsky auf ge-
trennten Pfaden durchs Ländchen walzten, hat
selbst die Galle des Bnndesanwalts nicht in Un-
ordnung gebracht. Es ist grünes Gras über die
alte Geschichte gewachsen, selbst der Wohlgemuth-
Handel ist überwuchert. Jetzt aber kommt das
Interessante.

Sie wissen, es gibt in Bern verschiedene inter-
nationale Bureaus, deren Leitung bisher aus-
schließlich verdienten Eidgenossen zufiel, meist
Bundesräten, deren Nerven nach Stille sich
sehnten. Die fremden Staaten hatten nichts da-
gegen einzuwenden, nur ein Pariser Journal er-
laubte sich seinerzeit einzuwcnden, diese angenehmen
Stellen seien doch eigentlich kein schiveizerischcs
Monopol.

Kürzlich nun soll auch von Berlin aus ganz
vertraulich im Berner Bundeshaus eröffnet wor-
den sein, wenn gelegentlich das internationale
Postbureau eines neuen Chef bedürfe, so werde
man sich deutscherseits gestalten, auf einen Fach-
mann hiuzuweisen, dessen Organisationstalent
den schweizerischen Behörden von früher her, be-
sonders aus gewissen Akten, vorteilhaft bekannt
sein werde, nämlich auf den gewesenen roten Post-
meister Julius Motteler.

Aus welchem Grunde man am Gestade der
Spree auf diesen Vorschlag geriet, entzieht sich
unserer Kenntnis; Tatsache ist, daß die Sache in
Bern nicht ungünstig ausgenommen wurde.

„Passen Sie auf," sagte vorgestern ein Mit-
glied des Bundesrats lachend zu einem Kollegen,
„im deutschen Reiche draußen setzt es bald Über-
raschungen ab; es soll mich gar nicht wundern,
ivenn man uns eines Tages den Herrn v.Bollmar

Iin ÄXamen.

Examinator: Wissen Sie mir weiter nichts
aus der Geschichte Preußens zu sagen, Herr
Kandidat?

Kandidat: O doch! Die Familie des Grafen
von Dünkelwitz, der anzugehören ich die Ehre
habe, ist seit fünfhundert Jahren im Lande an-
sässig und mit dem höchsten Adel verwandt und
verschwägert.

Examinator: Das genügt vollkommen, Herr
Graf! Ich glaube, ich kann Ihnen zu dem be-
standenen Examen gratulieren.

Dein Verdienste seine Krone.

Nachdem nun, dank der vielen Inspektions-
reisen unserer Exzellenzen durch das schlesische
Notstandsgebiet, die drohendste Gefahr beseitigt
ist, macht sich dort eine Bewegung geltend, die
darauf hinzielt, besagten Exzellenzen, die sich mit
bewundernswertem Mute allen Gefahren einer
Wasserfahrt zu Lande ausgesetzt haben, in irgend
einer Weise die verdiente Anerkennung zu zollen.

Von maßgebender Seite wurde daher angeregt,
au allen Stellen, wo eine Exzellenz auf schwankem
Nachen zu halten oder auf morschem Grunde zu
stehen geruht hatte, um mit dem Blicke der durch
keinerlei Spezialstudien getrübten Sachkenntnis
die unbotmäßigen Wasser in die ihnen von Natur
rmd Staats wegen gezogenen Grenzen zurückzu-
weisen, — an solchen Stellen, sagen wir, ein
kleines Reiterstandbild oder mindestens einen
würdigen Denkstein zu errichten. Von diesen
Plätzen sollen alsdann photographische Auf-
nahmen gemacht und diese, in einem schön
ausgestatteteu Album gesammelt, sämtlichen ex-
zellenten Besuchern des Notstandsgebiets durch
eine besondere Deputation untertänigst überreicht
werden. Aus gut informierten Kreisen erfahren
wir, daß die vom Staate bewilligten Summen
unter Zuziehrmg der aus mildtätigen Samm-
lungen geflossenen Gelder fast hinreichen dürften,
um diesen Plan zu verwirklichen und bei der
Ausführung der Denkmäler auch deur ästhetischen
Geschmack in den oberen Windregionen Rechnung
zu tragen. Lokalen Verbänden bliebe es natürlich

unbenommen, aus eigenen Mitteln beizutragen,
um etwa sich herausstellende Lücken auszufüllen.

Man verspricht sich von der Ausführung dieses
Planes das Beste für die Zukunft der bedrohten
Gebiete und hofft, daß die Wasser künftig vor
diesen Denkmälern preußischer Beamtentugend
Halt machen werden, umsomehr, als geplant ist,
dieselben nur au besonders hochgelegenen Punkten
zu errichten. 8.8.

Vom ööofc.

Die bisherige schwarzgefleckte Hofkuh Thcodo-
linda, die bisher die Ehre hatte, die nötige Milch
für die Prinzen zu liefern, wurde für immer
ihres veraiitivortuugsvolleii Amtes enthoben, weil
sie ein rotes Kalb geworfen hatte.

Weridolle Erwerbung.

In diesen Tagen wurde ein prächtiger Grauit-
stein, auf dem jüngst das hohe Auge seiner Durch-
laucht des Fürsten von Tipfingen längere Zeit
in stiller Beschaulichkeit weilte, zum ewigen An-
gedenken dem Tipflugen-Museum mit den üb-
lichen Feierlichkeiten übergeben.

berechnend.

„Warum hält den» der Bürgermeister Streberl
bei den Ansprachen, die er an die hohen Herr-
schaften richtet, immer den Zeigefinger auf die
Brust gerichtet?"

„Ganz einfach, damit sie merken sollen, daß
dort etwas fehlt."

Ameier: Merkwürdig, daß man aus ganz
gewöhnlichen Lumpen das feinste Papier macht.

Bmeier: Das ist noch gar nichts. Manchmal
macht man aus den allergcwöhnlichsten Lumpen
die Helden des Tages!
 
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