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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 20.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.6612#0288
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-. 4216


Weihnachten! Tausend Kerzen flimmern
Lin der geschmückten Tanne Tracht
Und ihre gotönen Strahlen schimmern
Durchs Aenlter weithin in die Nacht.

Ts tummelt sich im frohen Neigen
Der gtückberauschten Kinder Schar,
Denn unter grünen Tanneniweigen
Manch hübsches Spielzeug beut sich dar.

And freudig künden uns die Frommen,
Daß in der schönen Weihnachtszeit
Der Leiland ist }u uns gekommen
In seiner jungen Lerrlichkeit.

Gekommen, um von allem Nösen '

Uird von der großen Sündennot
Die arme Menschheit )u erlösen
Durch seinen Kittern Kreuzestod.

Wir hören eure Notschaft künden —

Sei's drum, wenn andern sie gefällt,

Doch gibt es außer euren Sünden
Noch andres Glend in der Welt.

Millionen, die aus ihren Tiefen,

Von dichter Finsternis umhüllt.

Schon lang- nach Nrot und Freiheit riefen,
Ist noch ihr Sehnen nicht erfüllt.

Sie möchten auf der Welt genießen
Nach ihrem Necht, was schön und gut;
Mit tausend Tisenriegeln schließen
Sie ab Gewalt und Übermut.

Wenn einst der Geist der Zeit allmächtig

Zurück die alten Niegel stößt

Und alles glänch im -Lichte prächtig,

Ja dann — dann ist die Wett erlöst.

In crimmilflhäu.

In Crimmitschau, in Crimmitschau
Sind alle Häuser schwär) und grau
vom Bualme ungezählter Lssen,

Den Riesenkampf, der dort im Gang,
Wird man ein Menschenalter lang
verwinden nicht und nicht vergessen,

In Crimmitschau, in Crimmitschau,

Da dulden schweigend Mann und Krau,
Da dulden schweigend selbst die Kinder,
Die Schlotbarone haben seht
Ihr bißchen Hoffnung noch gesetzt
Auf einen strengen Vogtlands-Winter,

In Crimmitschau, in Crimmitschau,

Da zählt die Rache ganz genau
Die Tränen, die im Stillen fließen.

Die Schlotbarone säen Zorn;

Aufgehen wird das kleinste Korn
Und einst in Halm und Blüte schießen.

In Crimmitschau, in Crimmitschau
— verkündet es in jedem Gau! —
Wird Ramenloses stumm gelitten.

In wahrhaft klassischem Gefecht
Wird für der Arbeit heiliges Recht
Mannhaft und heldenhaft gestritten.

In Crimmitschau, in Crimmitschau
Erschüttert der Tyrannen Bau
Lin fortgesetztes schweres Beben,

Hier kommt es, wie es kommen muß;
Hier wird es niemals Zriedensschluß,
Rur Waffenstillstand kann es geben.

-Loyalitüts-Änekdolen.

ßrei nach den in preußischen Volksschullesebüchern
gebotenen Leistungen.

Der unerschrockene Helöenkaiser.

Kaiser Wilhelm der Große ritt einmal an der
Spitze einer Eskadron durch einen Wald. Es
herrschte, gerade ein furchtbares Unwetter und
mehrere Bamnriesen lagen, vom Blitze gefällt
oder vom Orkan entwurzelt, über dem schmalen
Wege, den die Truppe passieren niußte. Eben
hatte man einen gefährlichen Wildbachüberschritten,
als eine gigantische Fichte sich langsam zu senken
begann, dabei die Stämme der benachbarten Bäuine,
an denen sie herabglitt, wie kahl rasierend. Kaiser
Wilhelm hatte sofort das Kritische der Situation
erkannt. Mit sicherem Auge und linkem Sinne
erfaßte er die stürzende Fichte und hielt sie so lange
schivebcnd in der Luft, bis die gesamte Mann-
schaft unter dankbaren Hurrarufen wie durch eine
Triumphpforte hindurchgeritten war. Kaiser Wil-
helm der Große warf, als der letzte Mann die
gefährliche Stelle passiert hatte, mit einem einzigen
Nucke den Fichtenstamm rücklings über seinen Kopf
zur Erde, wo er mit donnerähnlichem Krachen
niederfiel. So bewahrte der Kaiser dank seiner
Unerschrockenheit sein Heer vor eineiu schweren
Unglück.

Der freigebige Monarch.

Friedrich Wilhelm IV war ein leuchtendes Bei-
spiel, wenn es galt, wahre Freigebigkeit mit echtem
Sparsinn zu vereinigen. Hiervon zeugt folgende
beglaubigte Geschichte. Bei einer Inspizierung der
Truppen, auf welcher ihn stets nur ein Adjutant
zu begleiten pflegte, sah er einen ermüdeten Sol-
daten auf freiem Felde schlafen. Gerührt hielt
der Monarch an. Ein bedeutungsvoller Blick be-
lehrte den Adjutanten, daß der hohe Herr sich
dazu herabließ, dem einfachen Soldaten — im
Traume zu erscheinen. Sofort spiegelte sich ei»

verklärtes Lächeln auf den Zügen des jungen
Kriegers wieder und zugleich schloß sich seine rechte
Hand mit allen fünf Fingern, denn der Herrscher
hatte ihm — im Traume — ein Goldgeschenk von
zehn Dukaten gereicht. Wer hätte da nicht den
braven Soldaten um seinen schönen Traum beneidet
und den klugen Fürsten wegen seiner freigebigen
Handlungsweise, die gleichwohl den Staatssäckel
keinen Heller kostete, nicht aufrichtig bewundert?

(Kann fortgesetzt werden.) M. E.

Der grimme Staatsanwalt.

(Der im Kwilecki-Prozeß amtierende Staatsanwalt Mutter ist
nach dein Freist'ruch der Angeklagten von Berlin versetzt worden,)

Kühn auf dem gebroch'nen Nacken
Unglückseliger pollacken
Throntest du, als Herr und Held,

Den zum Höchsten Auserkor'nen
Zugesellt — eh' die Leschwor'nen
Ihren Urteilsspruch gefällt.

Brich sie ab, der Hoffnung Zelte,
Schneidigster der Staatsanwälte —
Undank ist der Lohn der Welt!

Grausam drückt des Schicksals Schwere:
Kutsch, perdu ist die Karriere —

Ruhe sanft in Llberfeld! .7. 8.

Piefke: Wat meenste woll, woso die frei-
sinnijen Landtagskandidaten von Teltow-Bceskow,
von Breslau und von Herford-Halle als Krüppel
auf der Strecke jeblieben sind?

Lehmann: Na woso denn?

Piefke: Weil se kurz vor 'n Einjang in'n Land-
tag die sozjaldemokrat'schen Krücken verloren haben.

Manche Dinge werden erst dadurch unerlaubt,
daß man fragt, ob sie erlaubt sind.
 
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