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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0014
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4237 —

Hamburg bei St. Pauli.

Werte Redakschon!

Indem ich so pränumerando, was vorläufig
heißt, ineine kommenden Neujahrsbetrachtungen
mache, kommt mir natürlich allerhand in Sinn
und so, und mein Neffe, wo eben von Hoboken
wieder zurückgekommen ist mit dem Schnellkasten,
ist ganz dieselbige Meinung. Nämlich es wird
ein merkwürdiges Jahr werden und viel Stoff
für den „Jacob" geben, ivas schon daraus hervor-
geht. weil wir hier in Hamborg Wahlen haben.
Denn jetzt haben mir das Wahlrecht auf Ab-
zahlung, und meine Stammgäste haben alle ihre
fünf Jahresratten (ich schreibe hier nach die neue
Ottografic) berüppelt und sind somit Bürger und
Wähler, was eine wichtige Eigenschaft ist, weil
man dann etwas zu sagen hat, aber nur alle
sechs Jahre. Früher kostete die Eigenschaft dreißig
Märker, woher sich das Wort schreibt: „Ich
verlasse mich auf meine Märker!" Aber jetzt
heißt es Abzahlung, und so kommen auch mir
dazu.

Natürlich in Sankt Pauli, wo ich meine Köm-
Insel habe, wird im Februar auch gewühlt, zu
unserer Bürgerschaft, was ein Parlament ist und
zugleich der halbe Sufferäh», denn die andere
Hälfte liegt beim Senat, ivas auch eine schöne
Sache ist und so. Doch davon abgeschnitten,
indem ich heute von meinem speziellen o Suf-
ferähn sprechen will, nämlich von dem einen Ver-
treter meines Bezirks, wo raus muß, unbedingt
raus. Denn das ist der Typhus von einem
Volksvertreter oder Seffelwärmer, ivie wir hier
fagep. In Anbetracht, daß er sechs Jahre hin-
durch die Snnte gehalten hat, wo die wichtigsten
Interessen ans dem Spiele standen, und nicht
mehr an die schönen Reden gedacht hat, wo er
gehalten hat im St. Pauli-Hafenvcrein und so.
Laternen mit Auerlicht sollten wir bekonnnen in
unseren Bezirk, denn er hätte einen Vetter in
der Dcputatschon, was hier das Ministerium ist,
hat er gesagt, und Pflaster hat er versprochen
und Grog mit uns getrunken ganz leutselig,
und nichts hat er geleistet seitdem. Also raus
muß er, und meine Stammgäste wählen einen
andern, und ich weiß schon welchen. Aber das
kann der werten 'Redakschon puttegal sein, ich
sage nur: Näsen, so lang! Eine Revolntschon
gibt's, aber eine rechte Hamborgcr Revolntschon,
wo nie kein Blutvergießen ist. Denn woso?

Somit will ich das neue Jahr mit gute Aus-
sichten beginnen und mit einem Grog, wo so

nördlich ist, daß ihn die werte Redakschon gar
nicht vertragen könnte. Aber ich kann's und
bleibe gänzlich kandivel dabei, und mein Neffe,
wo als Steward bei die Hamborg-Amerika-Linn
auch was verknusen kann, meint immer: „Du
büs mi doch öwer!" Was sich auch so gehört
von wegen die väterliche Gewalt. Und ich sage
gar nichts, wenn der Junge so in der zweiten
Hälfte des Februar noch mehr Respekt kriegt vor
mir, denn — aber nein, von die Wahlaussichten
schweige ich hiermit!

Sonstens geht hier alles seinen alten wackligen
Gang und zu sagen ist liebsterwclt nicht viel,
was ich als mangelnden Gesprächsstoff sehr be-
dauern muß. Ich habe schon versucht, mit meinen
Stammgästen eine Dischkuschon anzufangen über
den Bismarck, den sie jetzt auf der Elbhöhe beim
Stintfang anfangen zu bauen und der noch größer
werden soll als Laverenz sein Kind, wie man in
Hamborg sagt, aber es ist erst der Pidestall zu
sehen, nämlich die hölzerne Fassong für den
Sockel, wo ackerat so aussieht, wie ein ungeheures,
halb in der Erde steckendes Kognaksaß, und der

Bismarck soll draufstehen, was ich sehr nüdlich
finde und sinngemäß, indem es uns erinnern
tut einseitig an den Zollanschluß, wo uns den
Kognak um die Hälfte verteuert hat, und ander-
seitig daran, daß der Alte ihn gerne mochte für
seine Person, weshalb der Gedanke gut ist, wenn
nur der Boden nicht einbricht und der steinerne
Kerl nasse Füße kriegt in dem feinen Getränk,
wo er nicht mal ablecken kann, weil er sich als
Roland von Stein nicht bucken darf, was eine
verdiente Strafe ist und ich ihm gönne.

Darauf muß ich jetzt aber erst einen genehmigen
und außerdem geht mir die Puste aus, womit
ich verbleibe Claus Swartmuul.

Unter Hallmütlern.

„Ich würde es auf keinen Fall dulden, daß
meine Tochter so tief ausgeschnitten zum Ball
geht, wie die deine."

„Wann sie so wenig zu verbergen hätte, wie
die deine, märe ich auch dagegen."

-

Rektor Johannssen (Vorsitzender des Vereins gegen Verwahrlosung der Jugend): Die Noral,
meine Herren, und die Sitte sind die Stützen von Thron und Altar, und darum seien wir
stolz, daß unser Verein auf eine stets wachsende Tätigkeit zurückblicken kann. Der Verein
gegen Verwahrlosung der Jugend blühe, wachse und gedeihe!
 
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