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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0022
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4245

m Zur fmanzlage im Reiche. eT

M UobeWäne.

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auffommen, denn

Aus eitel Langmut ist das Volk gemacht
Und ganz besonders das vom Sachsenstamme,
Die „Stützen" aber grübeln Tag und Nacht,
Wie man zu bittcrm Hasse es entflamme.

Als Drittel dazu haben sie entdeckt,

Daß man den Webern die „Bescherung" wehre,
Und als sie dieses Planchen ausgeheckt —
Gab man dem Herrn in Himmelshöh'n die Ehre!

Das beste Mittel für die Bekämpfung der
Sozialdemokratie ist jetzt, an allen Orten, wo
Menschen Zusammenkommen, einen Phono-
graphen aufzustellen, der Büloms Reden hersagt.
Dagegen kann kein sozialdcnwkratischer Redner
Phonographen sind für jeden Einwand unzugänglich.

L^>

Der Stoff, welchen die Scharfmacherblätter über die Crimmitschaner
Weber verbreiten, ist ein Lügengewebe.

Ein Bülorv frägt mehr, als zehn Bebel antworten können.

Es hatte jüngst Herr Budde
Gar eineu schlechten Tag,
Denn er bekam beim Reden
Den „falschen Zungenschlag".

Doch war' noch interessanter
Zu hören gewiß, ich wett',
Wenn er deninächst beini Reden
Einmal den richt'gc» hätt'l

In Crimmitschau wurde eine ausgesperrte Webersfrau, welche mit
Zwillingen niederkam, samt ihren Sprößliugen verhaftet, ivcil man in
dem Ereignis de» Beiveis für eine bis dahin verheimlichte Zusammen-
rottung mehrerer Personen erblickte.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.


Büloius Keüe.

Unsres Kanzlers große Rede
Bleibt dem deutschen Volk nicht fremd,
Denn es wird mit Millionen
Lxemplaren überschwemmt.

Und großartig ist die Wirkung,

Das darf man erwarten gleich,

Ls geht freudige Erregung
Durch das ganze Deutsche Reich.

Und es spricht zu dem Verbreiter
Manche Hausfrau: Komm zu mir,

Gib mir gleich auch ein paar Stöße,
Denn ich brauche viel Papier!

Und auch mancher brave Fleischer
Leinen vorteil gleich entdeckt,

Wickelt drein die schöne Mettwurst,

Daß sie patriotisch schmeckt.

Und die bösen Sozialisten
Rehmen auch an sich das Blatt,

Drauf zu lesen, wie der Kanzler
Gründlich sie vernichtet hat.

Boshaft lächelnd, aber schweigend
Tragen sie das Blatt beiseit.

Was damit geschieht, darüber
Schweigt des Sängers Höflichkeit.

Piefke: Büloiv redet ja jetzt so oillc?
Lehmann: Det sttinnit, er redet für Zivci!

Piefke: Unsere Zeit hat villc Ähnlichkeit mit
det Mittelalter.

Lehmann: Wie liieeitftc bet?

Piefke: Na, in srichcre Jahrhunderte jewann
oft eener ans'» „Fahrenden Volk" det Herz von
Prinzessinnen —

Lehmann: Un hecke jehn Prinzessinnen mit
Kutschern durchl

Aichiers Freude.

Richter macht vor Freude „iröpkenstehen", weil Bülow sein
ABC-Buch so gut auswendig gelernt hat.

Lieber Jacob!

Wer ei so kann, >vie de Beichspostverwaltung,
der iS z» Weihnachten scheene 'raus. Anstatt sich
in Unkosten zu ftirzen, baute se ihre Beamteii
ecnsach '» jroßeu Klumpatsch von neie Titeln
uff, die se sich selber jratis herjestellt hatte un
die for jedes waschechte Birokratenherz den schcen-
sten Boomschiiiuck abjaben. Et wäre'» wahrer
Segen, wenn wir dinne bcjieterten Familienväter
uns bei det Fest der Liebe uff ähnliche Art aus
de Affäre ziehen kennten.

Aber leider seht det »ich, un so heeßt et
denn: Runter mit de Quetschkartoffeln! Weih-
nachten bat mir janz kahl jefressen un nischt in-
jebracht. Nu iveeß ick »ich, soll ick mir uffhängen
oder soll ick mir »ff det neie Scherlsche Spar-
sisteui legen, det for sufszig Fennje Wochenbeitrag

jeden zum Jcivinue» von det große Los un zum
Abounemaug uff de „Woche" berechtigt. Leider habe
ick freuen nid), der mir in diese schwierije finanzielle
Frage mit Ratschläge unterstitzen kennte. Meine
Beziehungen zu de Hochfinanz beschränken sich uff
de Bekanntschaft mit den Portjeh von 't keeniglichc
Leihaint, uu deii Briefkasten von de Tante Voß,
ivo sonst immer Auskunft zu habe» sein soll,
mcchte ick mir jetz »ich jerue anvertraueu, ivo
se doch den sachkundijen Handelsredaktcer Meyer
jrade injespunnt haben. Schade! Det war 'n
talentvoller Jeldmann un der hätte sicher noch
lange seine sejensreiche wissenschaftliche Wirksam-
keit fortsetzen kennen, for die er uff Veranlassung
des Kultusministerjums schon den Professertitel
bekommen hatte. Aber so ts et immer: wenn
eener mal de praktischen Foljen ans seine Jelehr-
samkeit ziehen will, denn kommt jleich de Obrig-
keit dazwischen. Det hat jetz ooch Schumann er-
fahren, der in seinem Zirkus de ueiste Iheolojifche
Forschungen jeder „Babel un Bibel" in 'n schcenes
Ballet darstellt. Et is wirklich 'ne seine Sache:
Adam un Eva mit elejante Fcijcnblätter aus det
beriehmte Ateljeh vou Baruch un Konipanjong,
de Kecnije von 't Morjenland, de polnische Juden
in 't rote Meer un. ville andere relijeese Ereig-
nisse sin da zu sehen. Aber eenije jeistliche Hilfs-
bremser legten sich schließlich in 't Mittel, un
Schumann mußte uff de Bibel verzichten un derf
uu bloß noch mit „Babel" usfwarten. Ick hätte
mir in seine Stelle lieber nach 'n andern aktu-
ellen Stoff for meine Pantomimik umjesehen. Et
jibt jetz so ville scheencs for 'n Zirkus. Zum Bei-
spiel is Bülow'n seine Reichstagsrede jejeu de
Sozjaldeinokrate» for Kindervorstellungen wie
jeschafsen. Bilteicht macht sich Busch 'ran un
nimmt ihr in seine „Berliner Winterfreideu" uff.

Womit ick verbleibe mit ville Jricße dein jetreier
Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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