Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0028
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bourgeois 'Uppen

III.

4251

Das Gespenst auf dem Ärmenball.

„Ich bi» das Elend, edle Herrn und Krauen,
Und da icl> hörte, daß bei Tanz und Spiel
Bei losem Flirt und seichter Plauderei
Mit wenig Geld und furchtbar viel Gefühl
Ich hier aus dieser Welt zu treiben sei.

So kam ich, mir das Ding mal anzuschauen."

So sprach das Elend; und auf wunden Küßen,
Den schwärig- offnen, seuchenhagern Leib
In Lumpen eingerollt, kroch's in den Saal,
Mo just zum Mohltun und zum Zeitvertreib
Die Edelsten sich mühten voller Gual,

Des Nichtstuns lange Weile zn versüßen.

Und müde sank das Elend auf ein Riffen,

Das schwellend seine weiche Leide bot.

Da ging ein hastig Flüstern durch de» Raum:
„Wer ist's? Was soll's?" — „Das Elend ist's,

die Rot!"

Erklang die Antwort, ängstlich, hörbar kaum;
„Die Rot, die wir so schön zu töten wissen."

„Das ist die Rot?" ertönt es voll Entsetzen,
Und schaudernd starrt man auf die Lchmutzgestalt,
Lieht ihrer hohlen Angen stieren Blick,

Lieht ihren Leib, den Hunger eng umkrallt —
Und rafft die Röcke, zieht sich stumm zurück.
Und rümpft die Rase ob des Elends Fetzen.

Das bleibt ein Weilchen höhnisch grinsend hocken
Allein im weiten, öden Prunkgemach;

Es schaut, wie schnell zerstiebt der bunte Häuf
Indes die Lpiegelwände hundertfach
Die Lichter mehren. Plötzlich fährt es auf
llnd wächst empor und wirft die wirren Locken.

Run ragt sein dürrer Leib bis an die Decke
Und heiser tönt sein Lachen, schrill und laut.
Daß es sich gellend an den Wänden bricht:
„Haha! Ihr, die ihr nimmer euch getraut.

Zu sehn dem Elend furchtlos ins Gesicht,

Ihr glaubt: das Elend bringt man so zur Strecke?

Eine wahre Äefchichte.

In der Mädchenvolksschule einer norddeutschen
Großstadt machte unlängst ein frischgebackener,
schneidiger Schulrat eine Jnspektionsvisite. Die
Lehrerin nahm zwei Sprichivörter durch und er-
klärte der Klasse die Sentenz: „Man soll den
Teufel nicht an die Wand malen."

Da mischte sich der Herr Schulrat hinein:
„Aber Fräulein", fing er an, „machen Sie das
doch den Kindern anschaulicher. Malen Sie den
Teufel an die Wandtafel!" „Ich besitze nicht so
viel Fertigkeit im Zeichnen, Herr Schulrat!"

Der Herr Schulrat griff selbst zur Kreide und
malte ein Monstrum, das den leibhaftigen Gott-
seibeiuns vorstellen sollte, an die Tafel: „Nun,

Kinder, was ist das?" Die Kinder starrten erst die
Tafel, dann den Herrn Schulrat an. Keine Antwort.

Der Herr Schulrat will den Kindern ein
wenig zu Hilfe kommen: „Nun, ihr seid doch jetzt
bei den Sprichwörtern. Da gibt es ein Sprich-
wort, das sich mit der Wand beschäftigt. Besinnt
euch mal!"

Wieder war alles still. Dann hebt in der hin-
tersten Reihe ein kleiner Blondkopf den Finger.
„Also doch eine, die etwas weiß", schmunzelt der
Herr Schulrat. „Nun, wie heißt also das Sprich-
wort, mein Kind?"

„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände!"

Der Herr Schulrat erklärte nicht weiter nach
der neuen Methode. Er verbeugte sich vor der
Lehrerin, nahm Hut und Stock und ging. l.

Besorgnis.

Söurca Itfvot (einem vorbeisausenden Automobil mich-

sehend): Diese Geschwindigkeitskasten sind mir un-
heimlich — ivenn dieses Hasten und Jagen die
Menschen immer mehr erfüllt, wo bleibt dann
unser „geordneter Geschäftsgang"?

Enfant terrible.

Die kleine Ella: Tante, wo hast du denn
deinen Heiligenschein?

Tante: Aber Ella, wie kommst du denn darauf?
Ich bin doch keine Heilige!

Ella: Ja, wie du kamst, da sagte Papa: da
kommt die scheinheilige Person schon wieder!

Kommerzienrat pieseke (Direktor einer große» Spinnerei-Aktiengesellschaft: als Politiker Anhänger
des „starken Mannes", als Fabrikleiter „Herr im Hause"): Das sollte mir einfallen, lvit solchen her-
gelaufenen Arbeitern zu verhandeln. Wenn sie wissen wollen, was ich ihnen zu sagen habe,
sollen sie den Anschlag am Fabriktor lesen, wo mein Wund, der Herr Polizeidirektor, für
die Anfrechterhalrung der Ordnung sorgt.

„Das Elend, das ihr ängstlich zagend meidet.
Das wollt bekämpfen ihr, die ihr's nicht kennt?
Man löscht mit Kölnisch Wasser keinen Brand
Wenn — vornehm - man nicht dorthin geht,

wo's brennt!

Mich kann ein ganzes Volk mit starker Hand
Erlegen nur, wenn es mit Macht sich kleidet!"

.... s.s.
 
Annotationen