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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0033
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4256 •—

> Rosakisch.

2lls Naxolcon gefangen
Saß auf seiner fernen Alipxe,
Rang sich eine Prophezeiung
Von des Schlachtenkaifers Lippe:

„Fünfzig Jahre find gegeben
Dir, Europa, zur Entfaltung;
Sorge, daß republikanisch
Gibt sich deine Neugestaltung.

„wird dies aber nicht gelingen,
Sitzt das Unglück dir inr Nacken
Und du wirft mit aller Bildung
Line Beute der Rofaken!" —

Lin Jahrhundert bald verflossen
Ist seit jener Prophezeiung
Und es dränget in Europa
Alles wieder auf Erneuung.

Denk' ich an den Schlachtenkaiser,

Mich die Zukunftssorgen packen,

Näher als der Republik sind
wir der Herrschaft der Uosaken.

An der Donau und am Balkan
Und am goldnen lyorne draußen,

Zn Zentral- und Hinterasien,

Überall Uosaken Hausen.

Brüllen gar die Marseillaise
In Paris mit Bruderküssen,
während vor Uosakensxitzeln
wir im Reich uns hüten müssen.

Freudig seh' ich dazu grinsen
Ultra-Tschechen und -Slowaken,

Und mir däucht, als sei die Welt bald
Ganz in fänden der Uosaken. A

M Opfer! Opfer! zw

für Crimtmtfcöau.
i.

„Opfer! Opfer!“ sprachen Priester
3u dem Volk viel tausend Jahr,
„Opfer müßt ihr reichlich bringen
Luren Göttern zum Altar.

„Wollt den Höchsten ihr gefallen,
Ihrer Huld euch ganz erfreun,

Müßt ihr zu den Tempeln wallen
Und das Liebste opfernd weihn,“

Und das Volk, es hat geopfert,

Was ihm lieb und teuer war,

Denn das Beste und das Schönste
Bracht' es freudig zum Altar,

Aber, was dem Volk versprochen
Feierlich die Priesterfchar,

Darauf wartet es noch immer
Run feit tausend, taufend Jahr,

n,

Opfer sollt ihr nicht mehr bringen
Linem Gott in gläubiger Fron;

Götter brauchen keine Opfer,

Sind ja frei und wunschlos schon

Aber Opfer sollt ihr bringen
T^och dem Kampf der neuen Zeit,
Denn das Opfer nur erringen
Wird den Sieg im heiligen Streit:

Opfern sollt ihr noch der Freiheit,
Roch der Wahrheit und dem Recht,
Roch dem Alter und der Schwachheit
Und den Streitern im Gefecht,

Jedes Scherflein einer Witwe,

Das verschämt ward dargebracht,

Wird zur schmetternden Fanfare,

Die den Feind erzittern macht,

Zeder Pfennig Opfergabe
Wird zum Schwerthieb in dem Streit,
Den die Arbeit mit dem Mammon
Führt um Recht und Menschlichkeit,

Und wo Millionen opfern
Ihre Scherflein gutem Streit,

Da wird trotz Gewalt und Schlingen
Sieghaft fein Gerechtigkeit, Robert Seidel,

v. Aelow-Zfleiteuburg
an v. Rrnim-Kchnodderheün.

Mein AUerwertster! Auf liebenswürdige An-
frage erwidere, daß selbstredend im Februar zu
Zirkus Busch erscheinen iverbe und mich auf
Wiedersehn mit verehrten „Buschmännern" —
guter Witz von mir — bereits freue. Batzen frei-
lich etwas knapp, denn Jungens bei Garde fressen
mir letzte Haare von Kopf. Jede Woche neuer
Klimbim au Uniform. Kräftigung der Unwider-
stehlichkeit von Armee mir zwar sympathisch, habe
aber Jungens im letzten Jahr für silberne Strippen
mehr Geld bewilligen müssen, als ganzer lausiger
Lohnetat von Pleitenburg beträgt. Daher Ein-
schreiten gegen Luxus in Heer sehr zeitgemäß.
Sehe mit Befriedigung, daß schon Kriegsgericht
in Breslau mit gutem Beispiel vorangeht und
Oberleutnant, der auf Treibjagd zehnjährigem
Lümmel Auge ausschoß, nur zu zweihundert Mark
verknackte. Ausgaben für notwendigen Sport
müssen Offizieren eben möglichst verringert werden.

Außer Dalles noch andre eklige Chose: ver-
ehrte Gattin hat beschlossen, mich nach Berlin zu
begleiten, um Großstadt zu genießen. Sehr uu-
angenehm, da mich schon mit Emmy — erinnern
sich noch aus Blumensälen? — für landwirt-
schaftliche Woche verabredet habe. Versuchte,
Gnädigen den Reiseplan auszureden, indem daran
erinnerte, daß in Berlin jetzt nichts los, alle
Theater wegen Feuersgefahr geschlossen. Haben

wohl auch davon gehört? Opernhaus muß tat-
sächlich uingebaut werden, da Bühne so unzweck-
mäßig angelegt, daß an hohen Stellen sich auf-
haltenden Sängerinnen im entscheidenden Moment
einfach unmöglich ist, ohne verteufelte Unannehm-
lichkeiten niederzukommen.

Hoffe, daß doch noch werde allein reisen können
— jedenfalls komme bestimmtest, denn Teilnahme
an agrarischen Notstandsarbeiten für jeden Edel-
mann Ehrensache!

Also auf Wiederschaun. Ihr Below.

Sächsische Wahlreform.

In allen Fugen kracht der Staat
And hilflos platzen alle Aähte,

Doch nur getrost! zur Rettung naht
Der Thorus der Regierungsräte.

Am einen grünen Tisch herum
Sieht die Erleuchteten man sitzen —

Sie legen würdevoll und stumm
Die Finger an die Aasenspitzen.

Sie schwitzen lange mörderlich,

Nan hört sie wie die Staare schwatzen.

Im Denkprozesse lösen sich

Die letzten Härchen vo» den Glatzen.

Der Stein der Weisen wird entdeckt
In schwindelnder Gedankenhetze —

Sie haben glücklich ausgeheckt
Das knifflichste der Wahlgesetze.

Schweratmend gönnt nach weisem Wort
Man etwas Ruhe dem Gehirne,

Nit feidnem Tuche wischt man fort
Die Tropfen von der Denkerstirne,
lind dann beäugelt man mit Lust,

Was die vereinte Rraft vollbrachte
And sagt sich mit geschwellter Brust,
Daß man sich selbst unsterblich machte.

Der Präses strahlt und konstatiert:

„Der Lage sind wir stets gewachsen!
Auch hier hat wieder triumphiert
Die alte Helligkeit der-Sachsen.
 
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