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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0034
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4257

&-K-

„Sehen Sie mal, Herr Doktor, mein Mann
spinnt."

„Ja — da muß er nach Crimmitschau!"

63 hobelfpäne. LT

Gibt's einen großen Weltenbrand,

Bleib' ich in meiner Ruh',

Ich nehm' den Hobel in die Hand
Und hoble immer zn!

Ich denke mir in meinem Sinn
Bei allem solchen Graus:

Müßt', wer die Suppe eingebrockt,

Sie nur auch fressen aus!

Das Scherl'sche Sparsystem sieh! sehr einfach
aus, ist aber ungemein sinnreich erdacht. Es be-
steht nämlich darin, daß Millionen Deutsche ihre
Pfennige in die Tasche des Herrn Scherl hinein-
sparen. Damit ihm nichts entgeht, wird Herr
Scherl so freundlich sein, die Sparpfennige von den Sparern abholen zu lassen.

Das ist der Stamm der Bondelzwart, Sie wollen leben in dieser Welt
Der ist von ganz besondrer Art. Geradeso, wie es ihnen gefällt!

Nicht Steuern wollen zahlen sie Wie bringt man solchem Gesindel nur

Und nicht durchdrücken ihre Knie. Bei einen Begriff von unsrer Kultur?

Während Viele in ihrer Kirche leise beten, schreien ihre Taten gen Himmel.

Der Staatssäckel drückt am schwersten.

Wenn er am leersten.

Mancher, der die Kultur mit starker Hand in ferne Zonen tragen
will, ist zu schwach, sie bei sich zu Hause hochzuhalten.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Ls kommt dem unfern keines gleich
von allen andern Wahlsystemen —

Ls wird sich bald das ganze Reich
Das unsrige zum Muster nehmen!"

Der Präses spricht noch manches Wort,
Loyal und selbstbewußt und sinnig,

Die Räte nicken fort und fort,
Geschmeichelt und verständnisinnig.

Denn daß man ganze Arbeit tat
Und segensreiche — wer bestritt es?

Dann wandelt der Regierungsrat
Der Heimat zu gemessnen Schrittes.

Wir fürchten nur, die große Tat
verletzt des Volkes Ehrbegriffe
Und Antwort gibt dem hohen Rat
Der schrillste, schneidendste der Pfiffe.

Und heller nur und hohler nur
Wird er mit jeder Stunde schwellen
Und dem, der auf vom Schlummer fuhr.
Wie Sturmgeheul im Vhre gellen! r. l.

Noch ein Streik in cLrinnnitschau.
Von unserer sächsischen Spezial-Annoneen-
Expedition geht uns folgende Anzeige zur Ver-
öffentlichung zu:

Betrvillige gesucht!

Infolge des Ausstandes von 600 Gläubigen
in Crimmitschau stehen viele Betstühle in der
Landeskirche leer. Um den Glaubensstreik zu
brechen, werden Betwillige für sofortigen Antritt
gesucht. Es handelt sich darmn, möglichst rasch
viele Betstühle zu besetzen, darum werden mich
ungelernte Gläubige, Juden, Mohammedaner
und Buddhisten angenommen. Das Pfarramt.

Lieber Jacob!

Mit tiefe Betriebnis mriß et jeden wohljesinnten
nn jntfnndierten Staatsbirjer erfüllen, wenn er
sieht, wie de Unbotmäßigkeit, Lasterhaftigkeit nn
Niederträchtigkeit in unsre deitsche Reichshaupt-
un Residenzstadt immer doller um sich jreift.
Selbst vor bet Heiligste nn Erhabenste emfinbet
de hiesije Bevölkerung keene Ehrfurcht nich mehr,

un neilich haben se sojar bei 'neu Pollezeileitnant
injebroche». Det is bet niedrigste Verbrechen,
wat ick mir in meine diestcrsten Strmden ans-
denken könnte. Det jeht noch ieberm Lustniord
nn jrenzt beinahe schon an Majestätsbeleidijung.
Da derf man sich wahrhaftig »ich wundern, wenn
schließlich keen jnter un netter Mensch »ich mehr
von Berlin ivat wissen ivill, ivie man täglich in
de Kretz- un in de Deitsche Tageszeitung lesen
kann. Ja, wenn de janze Pollezei nach dieses
beschämende Ereignis Berlin sor immer verlassen
un sich uff Lebenszeit jrollend nach irjend 'ne
abjelejene Havelinsel zurückziehen mechte, dann
wirde ick det zwar jrausam, aber jerecht finden
un mir diebisch freien.

Inzwischen aber is se hier jeblieben nn hat
ville zu tun. Alle Theater werden nämlich jetz
uff ihre Brennbarkeit untersucht, un wer de
moderne Anspriche in diese Hinsicht nich jeniejen
kann, dem machen sie eenfach de Bude zu. Det
Opernhaus is schon jeschlossen un det Schauspiel-
haus soll in det selbe Schicksal verfallen. Wer
nn noch sein Herz an jroße un edle Kunst ami-
sieren will, der muß schon bis in de Siejesallee
jehn oder sonst in’n feierfesten Tingeltangel, ivo
man seine Jesuudheit nich uff't Spiel setzen kann.

De Pollezei ivirde bei ihre Jberbirdung iber-
haupt nich ihr Tagewerk schaffen kennen, wenn
se nich hin un wieder aus det befreindete Aus-
land Unterstitznng kriegte. Eene janze Ehren-
kompanie von russische Spitzel, die in de Berliner
Vororte stazjonierk is, nimmt se jetz ’n jroßen
Teil von ihre sejensreiche Tätigkeit ab. In Herms-
dorf sin se neilich sojar 'neu russischen Dokter
heimlich uff de Bude jestiejeu, wie er nich zu
Hause war, un haben sich allens janz genau be-
sehn; se haben aber dabei nich det jeringste je-
klemmt, wat bei russische Beamte, die meistens
an etivas klebrije Finger leiden sollen, de heechste
Verivunderung un Anerkennung verdient.

Besonders, wo doch Redlichkeit nn Biedersinn
jetz so selten jeworden sin, det man se eejentlich
bloß noch in de Freisinnje Volkspartei finden tut.
Un ooch hier mit jelejentliche Unterbrechungen.
So zum Beispiel hat sich unlängst der frisch je-
wählte Reichstagsabjeornte Seiboth beim Wechsel-

falschen bedrickeu lassen un se haben ihm uff'n
paar Jährchen injelocht. De freifinnijen Zeitungen
stellten sich zwar anfangs dämlich an nn wollten
von nischt wissen nn sagten: erstens hätte der
Mann et janich jetan, un zweelens brauchte er
det Jeld for sein Wahljeschäft, wat'» staatserhal-
tender Zweck wäre, der bekanntlich die wertvolle
Eijenschaft hat, det er de schofelste» Mittel heiligt.
Aber nn sitzt der verdiente Volksmann doch in't
Kittchen nn Eujen soll vierzehntägije Fraxions-
trauer anbefohlen haben. In Zukumft werden
sich woll de Freifinnijen besser vorsehen, un zu
Kandedaten bloß janz unentwegte Männer mit'»
jauzes un volles Portmonnäh nehmen, die »ich
jleich neetig haben, Zuchthaus zu riskieren, wenn
se det zur Jberzeijung der freifinnijen Wähler-
schaft notwendije Freibier berappen missen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein jetreier
Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

Das ist ein Geschäft, das bringt noch was ein l

„Ham Se gehört? Hat gemacht der Kohn ä gutes Ge-

schäft, hat er verdient Millionen!"

„Wie heißt Kohn? Was is der Mann, was hat er sor
ä Geschäft?"

„Nu, Erzbischof is er in Olmütz!"

Mir ersuchen die ParteigenoJTm, eine recht kräftige Agitation sür den Mahren Jacob ?u entsaften.

« « « Probenuinniern werden aus vorhergehende Bestellung gratis und franko geliefert. « « \N *3^-.
 
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