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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0038
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4261 —

Unter Taschendieben.

»Na, wie gchts Geschäft, Hans?"

»So schlecht, wie's bei der Hundekälte nur
gehen kann."

„Meso?"

„Weil alle Leute jetzt die Hände in den Taschen
haben!"

Piefke: Wohin rcnnstc denn?

Lehmann: Nach'n Leihhause.

Piefke: Ick denke, de hast nischt mehr
versehen?

Lehmann: Det stimmt ooch! Nu Hab'
aber wat von »versetzte Blähungen" jeheert,
da muß ick mal sehen, ob damit wirklich n
zu machen is. .

Piefke: Wat sind denn det for welche, die
„Jungliberalen"?

L e h m a n n: Jotte doch, det sind liberale Jungens!

Die modernen Thespiskarren sind nieist Equi-
pagen, in denen der Geschäftsgeist und die Speku-
lation fahren — die göttliche Muse muß nebenher
gehen.

Zwischen Lipp' und Portemonnaie
Liegt ein Abgrund ties und jäh.

Die „gemäßigte" Freiheit, wie sie sich die Re-
gierenden vorstellen, heißt auf Deutsch: „Maul
halten und zahlen!"

Vom Swinegel rm sin Rru.

Lino alte Kabel in neuem Kewande.

Es war einmal ein nationalsozialer Swinegel,
also keiner von der gewöhnlichen Sorte, sondern
ein akademischer. Er trug einen Kneifer auf der
Nase, damit jeder sehen konnte, daß er studiert
hatte, und aus der Rocktasche mußte ihm immer
ein roter Tuchzipfel gucken, denn Sozialismus ivar
modern, und modern wollte er sein, um jeden
Preis. Mit den Beinen ging es ja nicht mehr
so recht, aber dafür war sein Herz jugendfrisch
und liberal. Manchmal glaubte er wirklich noch
ein fescher Korpsstudent zu sein, und wenn er
eine bunte Mütze sah, dann redete er von der
Blüte des Volkes und Deutschlands Zukunft.
Und so leutselig, wie er war! Er ivollte seine
geistige Überlegenheit, die er in zwölf Semestern
sich mühsam errungen hatte, nicht etwa für sich
behalten. O nein — auch die sollten davon ab-
haben, die da geistig arm sind, daniit sie ihn
priesen, leuchtenden Auges, weil er sich nicht ge-
nierte, mit seiner gelehrten Bildung herabzusteigen
zur Plebs. Aber es kan: leider anders. Die dumme
Bande wollte nichts von ihm wissen.

Mit dem Nachbar, einem strammen, gerissenen
Hasen, hinter dem schon mancher Jäger und
mancher erbärmliche Hund vergebens hcrgewesen
war, stand er ganz besonders schlecht. Der war
nämlich Sozialdemokrat, und jedesmal, wenn sie
sich trafen, machte er höhnische oder gottlose Be-
merkungen. Eines schönen Morgens konnte ihm
der Swinegel wieder mal nicht mehr rechtzeitig

ausweichen und suchte sich mißmutig vorbeizu-
drücken.

„He, du, ist es wahr, daß Scherl die .Hilfe'
gekauft hat?"

„Kümmere dich um deine eigenen Angelegen-
heiten!"

„Pfeif' man. Ihr pfeift ja doch aus dem letzten
Loch. Habt ihr denn überhaupt euer Wahlkosten-
defizit schon berappt?"

„Oho, wir sammeln sogar für die Crimmitschauer.
Was ihr könnt, können wir eben auch."

„So-?"

Der Hase schlug einen Wettlauf vor, bis zur
nächsten Kastanie. Sivinegcl glaubte seine Ehre
engagiert, machte mit und fiel natürlich glänzend
rein. Als er sich nach Hause trollte, brummte
er wütend vor sich hin: „Warte, dich wollen wir
schon noch anmeiern." —

Tags darauf ging er mit Zylinder und Blumen-
strauß zu seiner allen Liebe, einer etwas mageren,
zanksüchtigen Jgcldame, die mit aller Welt auf
Kriegsfuß stand. Aber sic war schwer reich. Er
machte ihr einen regelrechten Antrag, wurde erst
angeschnauzt, daß er schon längst hätte kommen
sollen, und fand Gehör. Dann tuschelten beide
miteinander, mindestens eine Stunde, aber nicht
etwa von Liebe, wie wir gleich sehen werden.

Als Hase und Swinegel sich das nächste Mal
begegneten inid der Hase sich gerade erkundigt
hatte, ob die Nationalsozialen nicht einen älteren
Nenommierarbeiter gebrauchen könnten, weil der
eine, der immer in der „Hilfe" aufträte, doch
schon etwas abgenutzt schiene — es wäre einer
bei ihm über, der mächtig auf die Sozialdemo-
kratie zu schimpfen verstände, weil man ihn fauler
Sachen wegen aus der Organisation geworfen
hätte —, da schlug Swinegel ihm zu seiner Über-
raschung vor, ob sie den Wettlauf vou neulich
nicht noch einmal machen wollte». Er hätte da-
mals einen schlimmen Fuß gehabt.

Der Hase war's zufrieden. Eins — zwei —
drei legten sie los. Das heißt, nur Hase. Swin-
egel blieb stehen und lachte sich ins Fäustchen,
denn drüben bei der Kastanie wußte er seine
Braut.

Als sein Gegner dort ankommt, findet er einen
leibhaftigen Swinegel vor, der ihm höhnisch ent-
gegenkräht: „Ich bin schon da!"

Der Hase stutzte, und nun hätte er eigentlich
umkehren müssen, wie in der plattdeutschen Fabel.
Aber er war, ivie gesagt, ein ganz gerissener Hase.
Er sah sich das Tierchen, das sich frech und
breitspurig vor ihn hingepflanzt hatte, etwas
genauer au, ging langsam darauf zu und sagte:
„Du Aas bist ja die freisinnige Vereinigung!"

Gleichzeitig haute er ihr eins um die Ohren,
daß sie hintenüber kugelte.

Seitdem ist das nunmehrige Jgclchepaar aus
den Hasen noch schlechter zu sprechen, als vorher.

Sousmarin.
 
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