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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0046
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4269 • - <

Unter Kameraden gart) egal.

öS ftobelfpäne. es

„Scheußliches Weib in Pirna, was? Aber rassig!"
„Und Hauptsache: Rejimcnt treu jebliebcn!"

Wie sie jubeln und sich spreizen,
Finsterlinge allerwegen,

Ob dem Sieg des goldncn Kalbes,
Dem der Geist ist unterlegen.

Jubelt nur! Ihr könnt nicht fassen,
Was die Woge sollt' bedeuten.

Bald wird wiederum sie schwellen,
Tenn sie treibt der Geist der Zeiten.

In der ersten Sitzung des preußischen Herren-
hauses sagte Freiherr v. Manteuffel: „Neu sind
die Räume, in denen ivir jetzt lagen, aber der
Geist, der das Haus beseelt, wird der alte
bleiben." Der Mann weiß gar nicht, ivie recht er hat!

Gar mancher im deutschen Vaterland
Kriegt jetzt erst den Großinachtskitzel,
Seitdem bei it»s nimmt überhand
Der Schwarm der russischen Spitzel.

Jetzt sind den Franzosen über wir,
Trotz ihrer Feste und Orden,

Die wahre russische Allianz
Ist bei uns perfekt geivordcn.

Wenn es nach dem Sinne der modernen Kunst-und Moralpharisäer
ginge, müßten die kleinen Kinder schon längst mit Schwimmhosen aus
die Welt kommen.

Ihr getreuer Sage, Schreiner.

Des Kampfes Ende.

Die weiße §Ift£tß6 stieg empor am Mast
und kündet uns: die Schlotbarone siegen!

Die Menge aber fragt in wirrer hast:

„R)ie, unsre Grirnrnitschauer unterliegen?

Die tapfre Schar, die so heroisch focht?

Alle sollen wir das nur verstehn und fassen?
Cab nicht das Volk, was immer es vermocht?

Ls hätte niemals sie im Stich gelassen!"
Doch eine Stimme spricht: „Ls mußte sein!

2n dieser Stunde sprachen ernste Gründe,
Und stellten wir das Ringen jetzt nicht ein,
begingen wir des blinden Trotzes Sünde.

„Wir hielten's Wochen noch und Monde aus.

doch hat die Lage drohend sich verschoben.

Ls war der Kampf der Ratze mit der Maus,
feit sich das ganze Kapital erhoben,
llnd tritt erst dieses finster auf den plan,

mit dem Lntschluß, für seinen haß zu zahlen,
Lo ist's ein eitler, trügerischer Wahn,

sich einen Sieg auch dann noch vorzumalen.
Rein, wenn man endlich unterliegen muß,
wenn dies Verhängnis niemals abzuwenden,
2o ist's ein kluger, männlicher Lntschluß,

vor dem verbluten noch den Kampf zu enden.

„Und grade jetzt — und wenn ihr's Schwäche neu
^ entwanden wir den Iunkern und den Pfaffen

3m allerunerwünschtesten Moment

b\e schneidigsten, die mörderischsten Wafien.
Sie müssen jetzt, sie haben keine Wahl,
als ob ein Sott, ein König es beföhle.

Den Kampf beschließen, und das Kapital
zieht murrend sich zurück in seine höhle.

Sie hatten gern, nun es so weit gediehn,

das Volk entnervt bis auf das Mark der Knol
rlnd sehen knirschend uns von dannen ziehn,
bevor die Kraft zum widerstand gebrochen.

„Wohl haben wir die Lippe uns zernagt,
doch ungebrochen schauen wir ins Weite:

Ls ward das Ringen nur von uns vertagt
und unbesiegt ziehn wir aus diesem Streite,
Ruch unentehrt, mit fleckenlosem Schild,

wenn ihn der Gegner auch gespickt mit Pfeilet
Ilnd ohne Trauer darf auf diesem Bild

und ohne Scham des Volkes Auge weilen!"
rlnd alles lauscht der ernsten Stimme Spruch
und Händedrücke tauschen die Genossen:

„Run wohl, es war ja kein Zusammenbruch
und ehrenvoll habt ihr den Kampf beschlossen

„wir achten euch, ihr Braven, nach wie vor
mit dem Instinkt des treuen Volks der Gasten,
rlnd wer die Arbeit und das Brot verlor,
den wird es nicht vergessen und verlassen.

Rehmt eure Kinder tröstend bei der Hand

und eurem bleichen Weib mögt ihr erklären:
was man bisher den Kämpfern zugestand,
wird auch den Arbeitslosen man gewähren.

Ls sei kein Auge trüb und tränennaß:

wir schützen euch vor schwarzer Sorge Stunden,

Bis auch der letzte, den der Feinde haß

aufs Pflaster warf, die Arbeitsstatt gefunden.

„Leid ruhig denn, geht unbekümmert heim,

denn mag man auch in Horden und in Rudeln
Den Heldenkampf mit Geifer und mit Schleim
mit der gewohnten Riedertracht besudeln —

Ihr habt des Rechtes guten Kampf gekämpft
und euch durch nichts in ihm beirren lasten.

Der Lieger hohlen Iubel aber dämpft

ein einz'ger Blick in die geleerten Kasten,

Und selbst das Scheusal, den Zehnstundentag,
den sie so gern erwürgt in goldnen Schlingen,

Ihn wird das Reich, was immer kommen mag,

durchs Parlament den Arbeitsbienen bringen!" 11. L.

Lieber Jacob!

Et is nich immer jut, wenn unsre Minister
— ihre strengsten Amtsjeheimnisse an de jroße Jlocke
hängen. Wat hat nu bloß Hammerstein'n jeplagt,
det er mit die Enthillung zu Stuhl jekommen is,
de Scherlsche esfentlichc Meinung misse von de Ne-
jierung unterstitzt werden, weil sc jährlich aus-
jerecheut dreißigdausend Menschen de Sozialdemo-
kratie abspenstisch mache? Drei Millionen Rote jibt
et jetz in Deitschland, also dauert et nach Adam Riese
bloß noch jenau hundert Jahre, bis Scherl un Ham-
merstein de Sozialdemokratie kleen jekriegt haben,
det hecßt, wenn se so lange leben un jesund bleiben.
De Sozi freien sich ieber diesen fiffigen Plan un de
birjerliche Presse spuckt nu Jift un Jalle. Denn se
will doch natierlich ooch bei die bevorstehende jänz-
liche Ausrottung von de Sozialdemokratie beteiligt
sind. De „Jermauia" un det „Tageblatt" haben
sojar schon die feierlichen Erklärungen abjejeben,
det se den Umsturz jährlich noch ville inehr Seele»
abspenstisch machten als wie Scherl. Ick denke,
mir soll der Affe frisieren! Kaum is de staats-
erhaltenden Parteien von det Jackenfett, det se am
16. Juni besehen haben, der Buckel notdirftig je-
heilt, da streitet sich die Lausebande schon dadrieber,

wer von ihnen denn nu eejentlich dem Sieg da-
vonjctragen hat!

Mit den hohen Adel hat man ooch wieder mal
seine Sorjen. Kcener merkt se wat an, un denn
sin se mit ccumal verrickt. Iber de Prinzessin
Lowise von Koburg will ick schon uischt nich sagen
— aber det se dem Prinzen Arenberg nu ooch for
unzurechnungsfähig erklären, finde ick »ich scheeir.
Se unterjrabeu den Mann damit eenfach de janze
Karrjeere! Un wat den eenen recht is, is den
andern billig: wat sollen denn nu de Richter zu
sagen, die ihm dunnemals unschuldig verurteilt
haben, wenn sich jetz pletzlich rausstellt, det ja
kecn Kolonjalmord, sondern bloß ’n Justizmord
passiert is? Un nu jar die Damens, die ihm
immer iu't Zuchthaus besuchten, un die nu von
wejen sträflichen Umjang mit eenen jeistig Minder-
wertijen jedenfalls alle vor dem Staatsanwalt
kommen werden! Um diese ville Scherereien in
Zukunft zu vermeiden, scheint et mir am zweck-
mäßijsten zu sind, wenn man von vornherein de
janze Aristokratie, soweit se det Strafjesetzbuch
unterliegt, for verrickt erklären mechte. Denn
brauchten de ärztlichen Autoretäten »ich immer
so oft mit peinliche Jutachten in Anspruch je-
nommen werden, sondern keenten sich damit be-
jniejen, hier un da ausnahmsweise ’n kleenes Je-
suudheitsattest auszustellen, wenn et sich um de
Besetzung von hohe Offezierstellen un Staats-
ämter UN so handelt. Det Wirde det Verfahren
doch wesentlich vereinfachen!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße dein jetreier
Jotthils Nauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

Durch unsere Lxpedition ist zu beziehen:

ßetzegn Hagre in Bißmen.

Lrinnerungen eines russischen Revolutionärs
von L. G. Deutsch.

Preis drosch, iUf. 3.—, gebd. Nk. 3.60.
 
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