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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0107
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4330

KL Weckruf, t©

Kommt Mauz aus den fabrikm,
Bus den dumpfen, tiefen Schachten,
werfet nieder, die euch drucken,

Die euch langfam tötend knechten!
Schlagt He mit des öeiftes Schneide,
Macht ein ende eurem Leide!

Lasset meftn die rote fatme,

Schließet mutig eure Keiften!

Heißt die ürägen aus dem waftne,
Daß fte ssch vorn Joch ftefreien.

Buf! wir wollen uns erretten,
werfet aft die Sklanenketten!

wachet auf, die iftr noch träumet,

Gürtet eure ssarken Lenden!

Kommt heraus, die iftr noch fäumet,

Daß wir nufer Schickfal wenden!
llnferen gemalt’gen Massen
Iss die Zukunft überlaffen!

korcht! es murrt und dräut und grollet
Jetzt an aller Welten enden,

Und wie Donner ftrüllt’s und rollet
Und es zurttt in taufend Händen:

Auf! wir tnoll’n empor uns fchwingen,
Laßt die frechen uns erringen!

Das Polenscbloss.

Schulen wollt ihr, brave Untertanen?

Ach, war’ unsre Geldnot nicht so gross,
Eiessen wir uns nicht so häufig mahnen;

6s bedürfte eines Winkes bloss.

Aber schlecht bestellt sind unsre Hassen,
Deshalb müssen wir den Schulbau lassen;
Ausserdem braucbt’s Geld für andre Chosen,
So zum Beispiel für das Schloss in Posen.

Krankenhäuser wollt ihr auch noch Kriegen?
Ach, wir Wissen s: wirklich tun sie not;
Unisomehr, da man nach künft’gen Siegen
Schlägt nicht, wie in China, alles tot.

Aber leider lässt sicb’s jetzt nicht machen,
Denn es harren äusserst wicht’ge Sachen
Die ein ganz erklecklich Sümmchen kosten,
Wie zum Beispiel der Palast im Osten.

Auch für lahmgeschossne Ueteranen,

5ür den invaliden Arbeitsmann,

Selbst für arme Waisen ohne Ahnen
Sorgt der Staat mit Wonne - wenn er kann.
Aber jetzt, ihr werdet das verstehen,

Darf er eure bittre Hot nicht sehen;

Denn es ruft ihm zu die Pflicht, die harte:
Grst ersteh’ der Schlossbau an der Aartbe.

Dieses Schloss ist Preussen unentbehrlich,
Döt’ger fast als Russlands Spitzeltross.
Hunger ist ja manchmal recht beschwerlich,
Schlimmer ist’s noch ohne Polenschloss!
Drum mit Mienen, wie sie sich geziemen,
Schnüret enger eure Magenriemen,

Führt die Hände stramm zur Naht der Hosen,
Schaffet Beider für das Schloss in Posen, s. s.

Völkerrecht.

Eine wahre Geschichte.

Des Völkerrechtes wichtigsten Teil bildet das
internationale Zereinonialrecht. Wer wüßte nicht,
daß der große Krieg der Jahre 1870—71 nur
deshalb zum Ausbruch kam, weil die Franzosen
sich einbildeten, ihr Gesandter sei nicht zeremoniös
genug behandelt worden! Es kann daher den
Menschenfreund nur entzücken, wenn die Formen
des Umgangs mit den Vertretern fremder Mächte
immer fester normiert werden, indem selbst für
die außergewöhnlichsten Fälle Regeln erstehen,
nach denen sich jedermann zu richten hat. Müssen
die Kriege da nicht immer seltener werden?

Die allerjüngste Zeit hat eine bemerkenswerte
Bereicherung des internationalen Zeremonial-
rechtes gebracht. Und das ist folgendermaßen
zugegangen:

In der Haupt- und Residenzstadt Mentemale
vergnügte sich der voraussichtliche Thronfolger mit
einigen erstklassige» Kavalieren und den dazt,
gehörigen Balletmüdchen in einem reservierten
Saale des vornehnisten Hotels. Es war spät in
der Nacht und, wahrscheinlich infolge allzu-
rcichlicher Heizung, so heiß, daß die lustige
Gesellschaft ziemlich viel — bis aus Ohr-, Finger-
ringe und Monocles alles — abgelegt hatte.
Plötzlich mußte die Hoheit einmal hinaus, und
da das Wiederanlcgen der Uniform zu viel Zeit
beansprucht hätte, begnügte sie sich, die Mütze
aufzusetzen und den Säbel uinzuschnallen, ehe sie
schleunigst das Lokal verließ.

Als nach einiger Zeit die Hoheit ivieder zurück-
kehrte, wollte es ein unglücklicher Zufall, daß sie
sich an einer Gabelung der leeren, teppichbelegten
Korridore statt nach rechts, nach links wandte.
Sie trat in ein Gemach, welches sie irrtümlicher-
weise für den kürzlich verlassenen Saal hielt, in
welchem aber statt der erhofften, jubilierenden
Gesellschaft der osische Gesandte mit seiner Ge-
mahlin saß, um sich von der tätlichen Langweile
einer Soiree im Palast der Nunziatnr bei einer
Flasche Chainpagner zu erholen. Da die Dame
alt war, merkte die Hoheit sofort, daß sie an
eine Unrechte Türe geraten war, und machte eiligst
„Kehrt". Hierbei geriet ihr — der Hoheit — aber
der Säbel zwischen die Beine, sie stolperte, erhob

sich wieder.... kurz, es dauerte eine Weile bis
sie — die Hoheit — zur Türe wieder hinaus
war, so daß das verdutzte Paar vollauf Zeit zur
Erkennung und Besichtigung gehabt hatte.

Niemand wird leugnen wollen, daß der Fall
ernst war, und er wurde auch demgemäß be
handelt. Die Hoheit wurde vom Monarchen auf
einige Wochen in ein Schloß an der See ver-
bannt und ihr zur Verschärfung der Strafe Gattin
und Nachwuchs mitgegeben. Der Gesandte aber
erhielt sechsunddreißig Stunden nach dem pein-
lichen Vorfall den Besuch des Herrschers, welcher
ganz allein, in der Uniform eines Obersten des
ersten osischen Gardehusaren-Regiments, mit allen
osischen Orden geschmückt, vor dem Hotel der
Botschaft vorfuhr und sich zehn Minuten lang,
in außergewöhnlicher Herzlichkeit lächelnd, mit dem
Vertreter des osischen Reiches unterhielt. Die
osischen Renten stiegen wenige Stunden später an
der Londoner Börse um V17 Prozent und alle
Heroldsämter, Zeremonienmeistereien, Ordens-
kapitel, Legationen und Staatskanzleien trugen in
ihre Kodizills der internationalen Umgangspflichten
ein, daß die Betrachtung eines lächelnden Herrscher-
Antlitzes die vollwertige Kompensation bilde für
den Anblick eines entblößten Thronfolger-Gegen-
teiles. —— §ri?.

G Glück!

Jüngst ward durch höchste Suade
-dm hellen Sachsenland
Lin simpler volksschulmeister
Reserve-Leutenant.

Ls rauscht ob der Erhöhung
Der deutsche Blätterwald,

Zs hat in stolzer Freude
Das Spießerherz gewallt.

Und jubelnd staunet jeder
Urteutsche Bürgersmann,

Wie weit cs so ein Lehrer

Noch manchmal bringen kann. u. n.

Ämter Rat.

„Ich warne dich dringend vor dem Lichte!"
sagte die Spinne zur Mücke, „komm' in mein
Netz — da bist du sicher!" u. n.
 
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