Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0144
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
• . 4368

Oer Blotfesbetg. LT

CUalpurgis ist vorüber, der Hexensabbat aus,

Da rüsten ihre Stier im preuss’scben Herrenbaus,
verspätet zwar, doch emsig, radau- und kampfbereit,
Die Spuk-- und Spottgebilde aus längst vergangner Zeit.

Zum wüsten Lanze sammelt sieb munter und geschwinde
Der Junker freche Sippschaft nebst ihrem Rausgesinde,
Sie schlingen ihren Reigen, beherzt und unverzagt,
Gespenstisch in der Mitten ein ries’ger Schleifstein ragt.

Im Hexenkessel rühren die Edlen frisch und frank,

Aus L'iige, Gift und Halle braut man den Zaubertrank.
Heran, ihr wackern Zecher, wer will ein Scblücklein wagen?
Der Ehrengast, der Bülow, geniesst es mit Behagen.

Von ]. S.

Und dreister wird die Sippe, ihr treiben immer toller —
nianteuffel, IDirbach, ÜJedel, Buch, Bed<er, Stolberg, Scbmoller,
Die tummeln ihre Klepper zum lust'gen Schaugefecht.

Den daraus gilt’s zu machen der Freiheit und dem Recht.

Und als Uernunft und UJabrbeit kläglich am Boden liegt,
Uom Blödsinn und der Lüge geknebelt und besiegt,

Da reibt der gute Michel die Rügen sich verwundert
Und fragt, ob sowas möglich im zwanzigsten Jahrhundert?

Berub’ge dich, freund Michel! Denn was dich schreckte beut’,
Sind leere Spukgebilde aus längst vergangner Zeit.

Die Dachtgespenster fliehen, sobald das Stüblicbt loht —
Und sieb: schon flammt am Himmel ein junges Morgenrot!

Jimkerparaöies.

Bleibt nur bei den alten Bräuchen,
wandelt fort im alten Gleis,

Macht im Junkerparadiese
Armem Volk die Hölle beiß.

Strafet grimmig den Aontraktbrnch,
Fesselt auch den armen Anecht
wieder zwangsiveis' an die Scholle,
wie's dem Mittelalter recht.

Dem allmächt'gen Geist der Zeiten
wollt ihr sprechen kecklich Hohn,

Und ihr könnt es doch nicht hindern,
Daß sie laufen euch davon,

Die des Junkerparadieses
Freuden alle schon geschmeckt,

Die auch, daß es draußen besser
Als bei euch, schon längst entdeckt.

Fahrt so fort, dann werden alle
Bald von euch gewichen sein
Und in eurem Paradiese
Sitzt ihr eines Tags allein.

Deckt dann' steißig eure Dächer
Mit dem Stroh und führt den Pflug,
Dann seid ihr für euren Hochmut
vor der Hand gestraft genug. a. t.

Mißverständnisse über Mißverständnisse!

Die Asche des Rebellen Rakoezy's, der vor
bald zivei Jahrhunderten seinen grimmigen Kampf
gegen die habsburgische Dynastie gekämpft hat,
wurde kürzlich ans fremder Erde in die Heimat
überführt und im Beisein der allerhöchsten Würden-
träger in Budapest bestattet.

„Wir stehen nicht an", besagte das dabei ver-
lesene kaiserliche Handschreiben, „einen Herzens-
wunsch unserer ungarischen Nation zu erfüllen
und die Heimbringnng des alten Helden zu ge-
statten. Wir sind überzeugt, daß die bedauer-

lichen Mißverständnisse von einst im Laufe der
Zeit gänzlich behoben wurden und haben keine
Ursache mehr, dem verewigten Helden sein Ehren-
grab zu verweigern."

Möge sich auch anderwärts die gleiche ver-
söhnliche Stimniung gegenüber den „Mißver-
ständnissen" der Völker geltend machen! Noch
heute leidet die französische Republik an den
Folgen des bedauerlichen Mißverständnisses von
1789, und was wir Deutschen an sogenannten
Menschenrechten besitzen, läßt sich nur aus dem
Mißverständnis von anno 1848 erklären, dessen
Opfer sonst ganz brave und treffliche Männer
geworden sind!

Irren ist eben menschlich und darum lassen
sich auch die Sklavenmißverstäudnisse im Alter-
tum, die Bauernmißverständnisse des Mitlel-
alters, das große Iunimißverstündnis vom Jahre
1830 und alle anderen, die Weltgeschichte bildenden
Mißverständnisse begreifen und daher — verzeihen!

Dl-, Ei.

Äie (Gewerkschaften.

Schon eine Million Proletarier
vereint sind im großen Bund,
Schlotjunker und auch Agrarier
Ergrimmt sind zu dieser Stund'.

Es eint sich, die A)elt zu gewinnen»

Der Arbeit gewaltiges Heer,

And ihr da draußen und drinnen,
Rüekwärtser, ihr hindert's nicht mehr!

Piefke: Haste jelesen, bet se i» Irkutsk for
zehntausend Rubel Militärschuhe aus Warschau
jekriegt haben, die nich jenäht, sondern nur je-
leimt waren?

Lehmann: Ra, die Russen.sind in diesen
Krieg eben immer die Jeleimten!

Piefke: lln zwar vom Kopf bis zu den Schuhen.

Piefke: Ob et wohl nach den Kapuziner
Bodelschwingh seine Meinung jeht un der Kanal
wirklich ohne Schnaps jebaut wird?

Lehmann: Det weeß ick nich; aber so ville
steht fest, det der janze Kanal 'ne sehr schwankende
Sache is, objleich se noch nich det kleenste Nord-
licht bei sein'n Bau hinter de Binde jejossen haben.

Kampflied für Südwestafrika.

Jetzt ziehn wir hinaus in die weite Welt,
Südafrika ist unser Ziel;

Dort treiben wir alles, was uns gefällt,

Int lustigen Kriegesspiel.

Glich schwarze Kanaillen, euch zwingen wir bald
Und herrschen zu Land wie zur See;

Parieret ihr nicht, so macht man euch kalt
Air Gott lind das Reich! Juchhe!

Wir bringen das heil im Parademarschtritt,

Wir bringen Zivilisation;

Wir bringen das Beste von allem euch mit,

Des Christentums Religion!

Wir bringen Kanonen, wir bringen euch Schnaps,
fluch Jahnen mit schwarz, weiss und rot,

Und gebt ihr uns Jelder und Weiber und Viel),

So — schlagen wir euch nicht mal tot! h. l.

Äus ^odbielskis Äeisteswerkstati.
Der allseitig verehrte preußische Landwirtschafts-
minister sagte kürzlich im Reichstage: „Der Ver-
sicherungsvertrag ist ja auch eine Art Wette."

Auf unsere Bitte um weitere derartige Geistes-
blitze hat die joviale Exzellenz uns noch folgende
Brosamen von ihrem reichbesetzten Tische zur Ver-
fügung gestellt:

„Der Mord ist eine Art Vivisektion."
„Slotzucht ist gewissermaßen das Gegenteil von
Vernunftehe."

„Der Banknotenfälscher bestätigt nur die Rich-
tigkeit^ der Darwinschen Theorie; denn er zeigt
den Nachahmungstrieb am stärksten entwickelt."
Weitere Erleuchtungen sollen noch folgen.

Lrnste Zeiten.

Ja, ernst sind unsre Zeiten,

Der Kanzler hat's gesagt.

Und weil es druni fo sein mutz.

So sei es ties beklagt.

Di« armen Junker leben
Noch immer in großer tlot,
weil immer noch nicht teuer
Genug ist Fleisch und Brot.

Der rote Proletarier,

Der schwelgt im Ueberflutz,

Der Ldelsten und Besten
Manch' Liner hungern mutz.

Ja, das sind schwere Zeiten,

Die uns die Ruh geraubt,

Und einen Taler zahlt gleich,
wer's nicht auf's Tixfelche» glaubt.
 
Annotationen