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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0145
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4369 . -

öS Jn Port Arthur, t®

öS ftobelfpäne. eT

Seitdem im Seekrieg wir der Minen
Uno der Torpedos uns bedienen,

Schn wir zur Rechten und zur Linken
Die mücht'gen Panzerschiffe sinken.

Das wilde Meer wird ihre Gruft
Und was nicht sinkt, fliegt in die Luft.

Wir sehen es, vor Schrecken bleich,

Und es durchrieselt uns ein Granen,
Drum wird in Hast das Deutsche Reich
Ein weitres Dutzend Panzer bauen.

Man tuts statt morgen lieber heute,

Ja r- logisch sind wir, liebe Leute!

Der „Lokalanzeiger" Scherl's rühmt sich, das einzige Blatt zu sein,
das in „unverstümmeltem" Zustand bei Hofe gelesen wird. Als ob bei
einem „Selbstverstümmelten" noch eine weitere Prozedur nötig wäre!

Engen, dein Witz ist schal geworden,

Drum haschst du jetzt nach starken Worten
Und hast ins Parlament geschrieen:

„Die gottverdammten Kolonien!"

Doch selbst mit solchen Apostrophen
Lockst keinen Hund du niehr vom Ofen;

An deinem Platz im Reichstagssaal
Steht unsichtbar: „Es war einmal!"

Graf Posa sprach kürzlich von der Verscharrung der Zuchthausvorlage
als von einem „Begräbnis erster Klasse". Die Bewohner von Berlin W.,
die sich ein solches leisten können, würden es sich wohl entschieden ver-
bitten, dereinst in ähnlicher Weise ans den Schindanger geworfen zu werden.

Das große Kapital verachtest du?

Das ist verrückt — ich sag' es unverhohlen;

Denn Wunder tut's: es schüttet Gruben zu
Und prägt sich Gold ans ungegrabnen Kohlen.

Der preußische Landmirtschaftsminister leidet heftig am Zipperlein. So
kann im Handumdrehen aus dem Agrarier Pod ein Podagrarier werden!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Manteuffelei.

Wenn ich erst Kanzler bin,
Dann sollt ihr sehn.

Dann soll die große Tat
Lndlich geschehn.

Dann komm' als starker Ulann
Ich über'« Reich,

Werde die Deutschen dann
Bänd'gen sogleich.

Die lebten lange Zeit
Schon allzu frei;

Wartet nur. bis ich komm'

Ulit Polizei!

Wer Sozialist sich nennt
Und sich noch muckt.

Der wird dann ohne Gnad'
Tüchtig geduckt.

Das gleiche Wahlrecht auch
Ist mir ein Graus,

Ich werf' es alsbald
Juni Fenster hinaus.

Thinesenmauer
Ums Reich erstellt!

Zollkrieg begonnen
iltit aller Welt!

Wenn auch zu teuer
Wird greifet) und Brot,

So freßt Kartoffeln
Bis in den Tod!

Jawohl, so werd' ich
Schneidig regier'».

Und zu gar herrlichen
Zeiten uns führ'n.

Variante.

Linen Kaiser ließ man einst sagen:

„Lerne leiden, ohne zu klagen!"

Toch der Agrarier spricht minder bescheiden:
„Lerne klagen, ohne zu leiden!"

Lieber Jacob!

Jn Oberschlesieu haben se eenen Bienenzichter-
vereiu unter Pollezeiuffsicht jcstcllt, weil er in
de» Verdacht stand, bet er polnische Agitazjou
betrieben habe. Ick weeß nu »ich, ob dct nazjo-
uale Deitschtum vor den polnischen Honig oder
vor de polnischen Bienenstacheln Bange jehabt
hat — in jeden Fall aber is de pollezeiliche
Wachsamkeit zu loben. Wundern muß ick mir
bloß, det se bei uns in Berlin noch immer so
ville Polnisches dulden. Erst neilich erzählte mir
een befeindeter Kellner, det in sein Restorang
unlängst 'n feiner Herr injekehrt ivürc, sich 'ne
Porzjon polnische Karpfen bestellt un nach Ver-
tiljung derselben det Lokal unter Umjehung der
Berappijung mit polnischen Abschied verlassen
hätte. Obwohl se jleich init'n Schutzjeist hinter-
her jeivesen sind, hat de Pollezei diesen jemcin-
jefährlichen Vertreter polnischer Bestrebungen doch
nich zu fassen jekriegt. Ooch sonst scheint mir de,
Sichcrheitsbeheerde nich uff n Platz zu sind, sonst
wäre se doch zmu Beispiel schon längst jejen de
Rcichsfinanzverwaltung injeschritten, wo seit
Jahren eene in jeden Betracht polnische Wirt-
schaft herrscht.

Jeber de Sozjaldeniokratie schwebt schon ivieder
mal der Todesengel. Der Bund der Sozjalistcn-
töter is nämlich endjiltig un umviderruslich be-
findet worden. Zur Ereffnnng fand 'n lebens-
jefährliches Festpräpeln in de Prinz Albrechtstraße

statt, det for einijc besonders mordlustije, aber
schon ctivas magenschmache Kommerzienräte fast
'n rötlichen Verlauf jenonimen hätte. Sonst sind
bis jctz iveiter keene Leichen nich zu beklagen.

Der Bäckerstreik is nu im Jairge un 'ne
janze Menge Mcesters lernen jetz erst de Vorzieje
der Selbständigkeit kennen, indem se mit ecnmal
janz uff sich selbst anjewiesen sind. Bloß unser
Amtsrat, der konservative Abjeornte aus Ost-
preißen, der bei meine Schwester in't Vorderhaus
Zwee mccblierte Zimmer hat, schimpft in alle Ton-
arten uff de Bejchrlichkeit von die Jesellen. Vor
allem, sagte er neilich, ivüre et 'ne Ausverschämt-
heit, wenn se sich icber de Beköstijung bei ihre
Prinzipale beklagen wollten. Un in diesen Punkt
muß ick den Anitsrat wirklich recht jeden. De
anonymen Zuschriften an de Streikleitung, in
die de Mecsters ihre Jehilfen alle meeglicheu
Leckereien anbieten, beweisen doch zur Ienieje, det
in de feineren Betriebe uff jediejenc un wohl-
schmeckende Verpflejuug Jcwicht jelegt ivird.

Mit die Ringkämpfe in'n Zirkus Busch bin
ick neilich eklich rinjeschliddert. Ick lese in de
Zeitung die inladende Nachricht: „Koch schmeißt
Bouillon", un denke: Da kannste villeicht 'n Topp
voll usfangen. Also koofe ick mir 'n Billjet zu
de Bullerloge u» erklimme det Schanjerisle in
froheste Hoffnungen. Aber Scheibe, mein Herze!
Wat Sic sich denken, is nich! De eenzijste Bissig-
keit, die in de Maneesche verzappt wurde, ivar
Schwitze. Ick wollte mir an de Kasse mein Jeld
zurickzahlen lassen, erntete aber bloß eenen Heiter-
keitserfolg.

Womit ick verbleibe mit ville Jrießc dein jetreier
Jotthilf Ranke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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