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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0192
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- ° 4416

Gin ^eld.

Schwer bepackt nrit L^eil'genbildern,
Dargebracht von frommen Scharen,
Ist der große Auropatkin
Mutig in den Arieg gefahren.

Alle Glocken tat man läuten
And die lieben Mönch' und Pfaffen
Flehten brünstig zu dem Himmel,
Sieg dem Melden zu verschaffen.

Alle guten Patrioten
Gaben ihm aus seinen wegen
Mit die allerbesten wünsche
Zu dem reichen Pfaffensegen.

Besten Sekts viel tausend Flaschen
wurden auf den Sieg getrunken,
Bis die edlen Patrioten
Tapfer untern Tisch gesunken.

Lhrenjungsrau'n, weiß gewaschen,
Anixten auch vor ihm gebührend,
Beichten ihm den Vorschußlorbeer,
Siegeshymnen deklamierend.

Auch Prinzeßlein taten redlich
Sich mit harter Arbeit quälen,

Stickten Fahnen ihm und Bänder,

Daß ihm sollt' der Sieg nicht fehlen.

Doch der Zar von allen Reußen
Tat hinzu das Beste fügen,

Sandte seinem Zukunftshelden
Einfach den Befehl, zu siegen.

Daß nichts fehle, tat Herr Kuro-
patkin weit das Maul ausreißen —
And bekam die schönsten Prügel
Von den „ostasiat'schen Preußen", a.t.

Wie ZalMs Zücke zu Zchanden ward.

Eine moralische Erzählung für fromme Gemüter.

Es iurtf einmal ein frommer Mann, ein sehr
frommer Mann, militärfromm, hoffromm und
kirchenfromm. Er baute' in der großen Stadt
Kirchen auf allen Plätzen, die bisher leichtfertigem
Kinderspiel, faulenzenden Arbeitern und frivolem
Liebesgetändcl als Zufluchtsstätten gedient hatten.
Er baute die Tempel nicht mit seinem, sondern
mit anderer Leute Geld. Bei Christen, Juden
und Heiden ging er schnorren. Auf die Motive
der Geldgeber für ihre Gaben kam es ihm eben-
sowenig an, wie dem schöngescheitelten Herrn
v. Rheinbaben auf die Motive eines Mädchens
für ihr Jawort. Da der fromme Mann stets
deutlich zu verstehen gab, daß geringe Gaben
unter dreinnlligen Zahlen nicht gerne gesehen
würden, weil das ein böses Beispiel abzugeben
pflegt, brachte er große Summen zusammen.
Die Kirchen ivuchsen wie Pilze aus der Erde.
Des Himmels Segen ruhte aber nicht nur auf
seinen Werken der Frömmigkeit, auch sein eigener
Weinberg gedieh prächtig. Die Kinder der Welt
mußten wider ihren Willen zum Gedeihen des
frommen Mannes beitragen, denn er spekulierte
in Grundstücken, die er nur zu den höchsten
Marktpreisen verkaufte.

Das alles wurmte höllisch den bösen Feind.
Er sah die Zeit nahen, da für jede Familie eine
eigene Kirche errichtet und dann sein Seelenfang
vergeblich sein würde. Er ging umher wie ein
brüllender Löwe und sann, wie er den frommen
Mann verschlingen könne.

Doch alles umsonst! Der fromme Mann war
nicht nur aller Welt angenehm wie die gebratenen
Tauben, sondern auch aalglatt wie die Schlangen.
Er ließ sich nicht vor den Bauch stoßen durch
Satans Tücke.

Satan machte sich an die Kirchengeldspender
heran. Er flößte ihnen schäbige Motive ein für

ihre Gaben; er machte sie lüstern auf Orden
und Titel. Dem frommen Manne tat das nichts.
Er strich ihr Geld ein. Die Orden und Tilel
flößen den Geldgebern so wie so zu, ohne daß
der fromme Mann einen Finger zu rühren
brauchte.

Satan verlockte die Geldgeber, daß sie das Geld
für Kirchenbauten stahlen, und hing dann die
Sache durch einen Schmierfinken an die große
Glocke. Den frommen Mann machte niemand
dafür verantwortlich. Rein wie der Schwan
tauchte er empor aus dein Hofbankpfnhl. Wie
ein Kindlein, das Blumen pflückt an Abgrunds
Rand, behütete ihn sein Schutzengel. Kein Hüter
des Rechtes tat verfängliche Fragen.

Da steckte sich Satan hinter die Wühler und
Hetzer im Lande. Sie stachelten die Begehrlichkeit
der Arbeiter bei den Kirchenbauten an. Nicht
zufrieden mit dem schönen Spruche: „Salz und
Brot, macht die Wangen rot", wollten sie auch
Butter aufs Brot oder doch amerikanisches Schmalz
und Margarine haben. So versündigten sie sich
gleich dreifach gegen das Los, das ihnen in dieser
besten aller Welte» beschieden ist. Sie wurden
aufsäßig gegen die gütigen Arbeitgeber, die ihnen
ein sorgenfreies Dasein bis an ihr Ende gewährten;
sie richteten ihre sündigen Augen auf ausländische
Gcnußmittcl und vergingen sich dadurch gegen
das Wohl der Edelsten ihres Volkes, auf deren
Wohlergehen die Sicherheit von Thron und Altar
beruht; endlich störten sie das gottgefällige Werk
des Kirchenbaues, das ihrer und der übrigen
sündigen Menschheit Errettung gewidmet ist.

Denn — schauderhaft, höchst schauderhaft! —
als die Bauunternehmer in gerechter Entrüstung
über die freche Zumutung sich weigerten, den
Arbeitern Geld für amerikanisches Schmalz und
Margarine zu geben, weigerten sich die Verhetzten,
iveiter zu arbeiten an denr Kircheubau.

Da ergrimmte der fromme Mann. Rhinoze-
rosse und andere Worte heiligen Zornes ließ er
herabregnen auf ihre sündigen Häupter. Sie

bcharrten in ihrer Verstocktheit. Leer stehen ließen
sie die Baugerüste an dem ragenden Kirchturm.
Doch unter den Ärmsten der Armen erweckten
die gütigen Aufforderungen der Bauunternehmer
Arbeitswillige. Sie kamen, um für noch billigeren
Lohn in frommer Einfalt das schöne Werk zu
verrichten. Es ivar allerhand Volk darunter,
aus allen Berufen, nicht nur Bauarbeiter. Satan
jedoch stachelte die Hetzer auf, daß sie mit gleißen-
den Worten die Arbeitsivilligen berücken sollten,
mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen im
sündigen Nichtstun.

So geschah es, daß ihrer einer Posten stand
vor dem Kirchturm. Er warnte die Arbeits-
willigen. Sie könnten Unheil anrichten an dem
Bau, weil sie nichts verstände» von der Arbeit.
Doch da der Herr mächtig ist in den Schwachen
und jedem Beamten Verstand gibt mit seinem
Amt, weshalb sollte er nicht in Schustern, Schnei-
dern, Kellnern und Krämern die Kraft erwecken,
Kirchen zu bauen?

Als der Hetzer nun fortfuhr zu schmähen und
einige unter den Arbeitswilligen wankend wurden
in ihrem Herzen, ob sie nicht den Einflüsterungen
des Teufels nachgeben sollten, da fiel plötzlich
eine Last Mariersteine herunter vom Gerüst ge-
rade auf den Kopf des Hetzers, daß er hinfiel
und starb auf der Stelle.

Da erkannten die Wankelmütigen ihre Sünd-
haftigkeit. Sie waren froh, daß die Mauersteine
nicht auf ihre eigenen Köpfe gefallen waren und
arbeiteten eifrig weiter an dem Kirchenbau bis
zum Umfallen. Es stellte sich aber heraus, daß
gerade einer von den Arbeitswilligen, in Ver-
wirrung gebracht durch die Worte des Hetzers,
mit dem Fuße an die Steine gestoßen und sie
heruntergcstürzt hatte. So führte der Hetzer
seinen eigenen Tod herbei durch seine sündhafte»
Worte.

Satan aber sah, daß er nichts ausrichten konnte
gegen den frommen Maim und fuhr mit Gestank
in die Hölle.
 
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