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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0193
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4417 . •

Mrvach im Seebaü. t©

ftobelfpäne. r©

Sollte Herr Lucanus, leise mahnend,

Einst sich an des Kanzlers Spnren heften.
Und Graf Bülow, nahes Unheil ahnend.
Sich znrückziehn von den Staatsgeschästen:

Dann kann sicherlich berufen werden
Zn der heißbegehrteu hohen Würde
Einer nur. Nur Einer weilt auf Erden,
Stark genug, zu tragen diese Bürde.

Dieser Eine — Herr von Mirbach heisch er,
Nicht nur hohe Gönner sind ihn, sicher,
Nein, er ist auch unerreichter Meister
In dem Kreis der „Sammlungs"-Politiker.

Die Verfassung ist bekanntlich ein zwischen dem Volk und der Negie-
rung abgeschlossener Vertrag. Um den immersort angedrohten Verfassungs-
brüchen ein für alle Mal vorzubeugen, müßte das in Aussicht stehende
Koutraktbruchgesetz auch auf alle jeweiligen Minister ausgedehnt werden.

Daß die Minister auf Reisen gehn,

Das grämt mich nicht so sehr;

Doch känien gar nicht sie zurück,

Grämt ich mich auch nicht mehr!

Die Geisterstimmen aus dem Jenseits werden von Dichtern oder
Spiritisten erfunden; die Geisterstiunneii der schwäbischen Ersten Kannner
kommen leider aus dem Diesseits.

Gnt ist's, Freund Mirbach, daß zur rechten Frist
Jetzt die Gesundheit dir erschüttert ist.

Wer mit sich selbst zufrieden ist, hat allen Grund, mit seiner Zu-
friedenheit unzufrieden zu sein.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Hochsaison.

Das ist im glänzenden Luxusbad,

Da läuft sich schwitzend der Prasser
Hinweg den wohlgemästeten Bauch
Und trinkt mineralisches Wasser.

Die liebende Gattin ist immer krank,

Auf ärztlichen Rat muß ste merken
Und muß hier in der köstlichen Luft
Die reizbaren Nerven sich stärken.

Der Herr Geheimrat ist auch zu seh'n,

Die Töchter werden jetzt älter,

Hier bringt man sie vielleicht an den Mann,
Denn die Herren daheim werden kälter.

Der Zrau Geheimrätin hat der Arzt
Recht strenge die Kur empfohlen,

Sie muß von des Nichtstuns schwerer Last
Recht gründlich sich hier erholen.

Der Börsenvampyr trägt auch zur Kur
AUhier sein Gehirn spazieren,

Das allzusehr er hat angestrengt
Beim Speku- und Kalkulieren.

Und siehe, da kommt ein Menschenfreund
Und spricht verschämt nur und teile:

..Den Arbeitern sollte Erholung auch
Ntan gönnen in gleicher weise!"

Da bläst sich aus der Börsenvampyr
Und kann seinen Grimm nicht halten
Und faucht: „Sie wollen uns stören hier
NUt Proletarier-Gestalten?"

..Bleibt mit eurer Menschenfreundlichkeit
Dom Leibe mir, Gott befohlen!

Wenn die nicht arbeiten immerzu,

Wann sollen dann wir uns erholen?" n. fi.

Schwihgäbeles Wut.

„O Heilajidsakr'ment no mal, was für Kerle
doch im Schwobaläadle mitz'schivätzet heut! Wenn
m'r früher vom Löwenstein, Werlhcim ond Freudcn-
berg g'hört Hot, do Han i g'nioint, dös wäret drei
alte Kleiderjnda. Jetz is dös gar a Ferscht ond
Standesherr, der onsern ganz« Landtagskarra
nmschmeißa ka!"

Vescheidenheit.

„Warum kommt denn der Huber, seitdem ihm
seine Frau durchgegangcn ist, gar nicht mehr in
seine Stammkneipe?"

„Ach, der war von jeher so bescheiden, allen
Gratulationen aus dem Wege z» gehn."

Lieber Jacob!

Jcld alleen macht noch »ich jlicklich — man
muß et ooch besitzen, äußert der Volksmund sehr
richtig. Dct empfinde ick besonders schmerzlich in
diese sojenannte schecne Jahreszeit, wo »ich bloß
der Thermometer, sondern ooch in't jleiche Verhält-
nis der Durst ,u steifen pflegt un man oft nich
weeß, wo man die zur Leschung neetijcn Bar-
mittel hernehmen soll. Ick dachte schon dran, ob
ick nich bei Professcr Moritz Meyern in de an-
jenehme Kunst, ohne Jeld jnt zu leben, Privat-
stunden nehmen kennte. Der Mann hat det Je-
schäft mit Humor un Jrazie betrieben, aber leider
keenen Dank dafor nich jecrntet. Sojar de Tante
Voß hat ihm rausjeschmissen un nu wollen se ihm
noch mit samt seine Frau Jemahlin inspunden.
Merkwirdig is mir bei den janzen Prozeß bloß,
det der talentvolle Jelchrte mit Mirbach'n in
jarkeen Verhältnis nich jestanden hat. Öoch nich
eenen lausijen Sechser scheint er for't Konto l<
jeopfert zu haben. Det is in de neiste Kriminal-
statistik janz unerheert nn man siebt daran wieder
mal, wie de Wissenschaft sich von de Kirche immer
mehr entfremdet nn det de wahre christliche Frem-
migkeit bloß noch bei de Börse zu finden is.

For Meyern seine Zukunft is ja in iebrijen
jesorgt. Sowie er aus det Kittchen rauskomnit,
kann er bei de „Post" eintrete», die in de letzte
Zeit mit ihre Mitarbeeter ville Pech jchabt hat.
Die schweren Jungen, die se mit Jott for Kaiser
nn Reich jejen de Sozialdemokratie losläßt, haben
ihr jar zu sehr blamiert. Nu muß se schon sehen,
det se aus de jebildeten Stände ncic Kräfte be-
zieht. Uff den Besitz von de birjerlichen Ehren-
rechte kann dabei natierlich feen Jewicht nich st-
iegt werden: denn so jroß is die Auswahl unter
die Leite nich, die sich zu det Jeschäft herjebcn.
Et kommt bloß uff die janz jemeenestaatserhal-
teude Jesinnung an, un die is bei Meyern ebenso
sicher jaranticrt, wie bei Max Lorenz, bei Fink'n,
bei Fischer'n, bei Abel'n nn wer sonst noch for
det pikfeine Blatt tätig is.

Det et bei so'n llsfwand von starke un jcdiegene
Kräfte noch immer nich jelungen is, de Sozial-
demokraten jünzlichst auszurolten, wundert mir
sehr. Aber ick muß anerkennen, det det zielbewußte
Birjertum nich den Mut sinken läßt un immer
wieder mit neie Waffen in't Feld zieht. Besonders
ville verspreche ick mir von den „Reichsvcrband
jejen de Sozialdemokratie", der neierdings uff den
teiflischen Kniff verfallen is, de Sozialdemokraten
selber zur Mitjliedschaft zu verfiehren. Legten
hat ja nu allerdings dankend abjelehnt, aber —
frage ick mir — wird ooch jeder andere Jcnosse
so entsagungsvoll sind un die lockende Versuchung
widerstehen kennen, for'n Daler Jahresbeitrag
Vereinsbruder von de nobelsten un noch völlig
unbestraften Kommerzienräte zu werden? Un
wenn schon — schließlich bleibt die scheniale Ver-
bandsleitung doch »och immer det Mittel icbrig,
die Roten, die nich freiwillig 'ran wollen, zu
zwangsweise Ehrenmitglieder zu ernennen. Wat
machen wir denn?

Womit ick verbleibe mit ville Jrießc dein jetreier

Jotthils Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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