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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0228
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4453

Der russische Thronfolger wurde zum Chef eines Regiments ernannt. Er setzte sich an
die Spitze desselben, übernahm den Oberbefehl über die Armee und führte den Krieg mit
Japan zu einem siegreichen Ende.

Das Neueste von serciülstmus.

<F^ nodeWäne.

Wem jeder Wink von oben ein Befehl,

Wer durch ein Nadelöhr treibt ein Kamel,

Den nennt die Welt lakonisch einen Streber.
Jedoch bei uns genügt nicht das allein —
Man muß dabei auch möglichst seßhaft sein,
Mit Pech am Hinterteil, das heißt ein Kleber.

Wer auf des Geldes Herkunft niminer schaut,
Mit Judenmammon Christentempcl baut,

Dem schadet nichts in diesem Erdeutale.

Wer hohcnzollcrn-fromm und gläubig denkt,
Der wird bei uns im Leben nicht geschwenkt,
lind wüchsen auch z» Bergen die Skandale.

Ans der „Lehre von den Brüchen": Zu den sogenannten „gemeinen"
Brüchen zählt insbesonders der Kontraktbruch der ländlichen Arbeiter,
wohingegen der Neutralitütsbruch eigentlich kein Bruch ist.

Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser,

Rußlands Zukunft liegt in den Windeln, —

Welche von beiden liegt also — nasser?

So viele behaupten, nach dem Lorbeer zu streben; in Wirklichkeit
trachten sie nach Moos.

DaS Bier zu versteuern, Des Deutschen Durst ist wirklich
Das ist gefährlich sehr, Ein Revolutionär.

Serenissimus ging mit Kindcrmann an einer armen alten Frau vor-
bei. Kindermann erklärte: „lind diese alte Frau ernährt sich kümmer-
lich mit spinnen." Worauf Serenissimus entsetzt erwiderte: „Schauder-
haft! äh! lieber Kindermann, was Volk alles frisst!"

Die unentwegten Gläubigen des Gottcsgnadcntums haben jetzt wieder
eine angenehme Aufgabe: sie lesen aus den Windeln des Zarewitsch die
Zukunft Rußlands heraus. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

„Ich bin ein Vreuße."

In der katholischen Schule zu Bukoivicc sind
polnische Knaben, die das Lied: „Ich bin ein
Prenße" zu fingen sich weigerten, von dem deutschen
Lehrer so verprügelt worden, daß die betreffenden
Eltern Anzeige bei der Staatsanwaltschaft geinacht
haben. Wie mir hören, haben sich die mißhan-
delten Polenkinder jetzt bereit erklärt, den Ver-
hältnissen Rechnung tragen und die Preußen-
Hymne, freilich mit folgender kleinen Modifikation,
singen zu wollen:

Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?,

Stolz auf dem Hintern trag' ich blau und braun,

Und auf dem Rücken seht ihr rote Narben,

Die preüß'sche Lehrerfäuste mir gehau'n;

Au allen Körperteilen

Hab' ich blulrünst'ge Beulen —

So bringt man bei mit kunstgeübter Hand

Die Liebe mir zum teuren Vaterland! J. S.

Die Flucht vor dcr Dffentlichkeit.

Da cs leider noch immer nicht zu verhüten ist,
daß Berichte über Militärgerichtsverhandlungcn
den Weg in die Presse finden und allerlei Nörg-
lern Stoff zn hämischen Glossen geben, so wird
es sich empfehlen, zum Schutze der Armee in
folgender Weise für die absolule Geheimhaltung
von Militärprozessen zu sorgen:

1. Die Sprache, in welcher das Kriegsgericht
verhandelt, ist die Flüstersprachc, die von nie-
mandem, ausgenommen bcn Vorsitzenden und
den Anklagevertreter, verstanden werden darf.

2. Das Kriegsgericht hat in einem Zimmer
ohne Wände zu tagen, da letztere bekanntlich
Ohren haben.

3. Die Verhandlungsprotokolle müssen mit
chcmischer Tinte geschrieben werden, die sofort
nach denn Gebrauch spurlos verschwindet, so daß
kein Unberufener etwa Aklcneinsicht nehmen kann.

4. Amtsdiencr, Voltstrcckungsorgane, Gefäng-
niswärter müssen von Geburt an taubstumm
sein und überdies mit einem Zeugnis über erb-
lichen Kretinismus sich ausiveisen können.

5. Pressevertreter, die sich irgendwie Eingang
zn verschaffen geivußt haben, sind sofort stand-
rechtlich zu behandeln.

Damit dürften wohl endlich die notwendigen
Garantien für den Altsschluß der Öffentlichkeit
von kriegsgerichtlichen Verhandlungen geschaffen
sein. _^_ m. k.

Äeschäsilich.

Zu dem Prediger einer Sekte kam eine trauernde
Witwe und bat ihn um eine Grabrede für ihren
soeben Heimgegangenen Gatten. Sie fragte den
frommen Mann nach dem Honorar, das er für
seine trostreichen Worte am Grabe verlange.

„Das ist gatiz verschieden, liebe Frau", be-
merkte er, „ich habe Predigten für dreißig Mark,
ferner solche für zivanzig und für zehn Mark, —
schließlich habe ich auch noch eine Predigt für
fünf Mark, — die möchte ich Ihnen aber selber
nicht empfehlen." a. a.m.

Lieber Jacob!

De Kaiserin von Rußland hat nu ooch end-
lich 'n Sohn bekommen. Det „Tageblatt" ver-
sichert, det det russische Volk 'ne ja»; kindische
Freide drieber jehabt hat rin det dcr japauesische
Krieg nu wahrscheinlich sicher jewonncn wird.
Masse muß et ja wissen. Jedenfalls soll uff
Jrund von dicset Familjenereignis 'ne durch-
jreifcnde russische Heeresreorjanisation stattfinden.
Det dnrchlanchtichste Wurm is bereits zum
Chef vo» mehrere Jnfauterierejimcnter eruauut
worden un wird die Sache woll bald in't Lot
jebracht haben. Außerdem sollen statt de Heiljen-
bilder, die sich jejen de japancsischen Jranaten
als nich janz zweckentsprechend beiviesen haben,
von jetz ab perscenlich bejlaubigte Windelfetzen
von den allerjnädigstcn Kronensäugling an de
Armee verteilt werden. Ratierlich hat nich jeder
Soldat Anspruch ufs'n Stick, sondern bloß de
Nejimeutskoinmandeere kriejen wat von ab un
de Jemeinen derfcn alle Sonntag nach'» Joties-
dienst dran riechen zur Stärkung von ihr patiio-

tisckiet Empfinde». In cinije birjcrliche Blätter
wurde det Kind als der „zukimftije Thronerbe"
bezeichnet. Det erscheint mir doch 'n bisken toll-
kühn, denn bei die wackelijc Natur von det Ver-
inächtnis sehe ick keene Jarantic nich, det ieber
Jahr un Tag ieberhaupt noch'» Thron in't heilije
Rttßland wird zu erben sind.

Ilff'n jroßen Müggelberg haben se 'ne Bismarck-
warte hinjemacht. Der Plan, det Jebeidc zu'n
Wasserturm for de Köpenicker zn benutzen, ivurde
ivicder uffjejeben — wahrscheinlich in die Erivä-
jung, det sich zum Monument for dem wasser-
scheuen Säknlarmenschen doch besser 'n Konjak-
turm eignen wirde. Aber 'ne Pumpstazjon is
et trotzdem jcworden, denn se haben et vorläufig
uff Pump uffjcbaut, weil de Berliner Vororts-
patrioten nich mit de neetijen Kröten rausricken
ivollten. Det is ivciter keen Wunder nich, denn
de Bismarckbejeistcrung ivar zivar frieher 'ne janz
jnte Kapitalsanlage, schmeißt aber jetz keene Divi-
denden irich mehr. Wer heite in jnte Jesinnung
spekulieren ivill, der muß seine Jroschens schon
bei de Flottenschwärmcrei oder bei'» Kirchenban
anlejcn — det rentiert oogenblicklich besser. So
wissen denn de Macher von det brenzliche Unter-
nehmen noch immer nich, von wat ihr Bismarck-
Schornschteen roochen soll, un ick vermute, sc werden
uff ihre Warte ziemlich lange warten inissen, bis
eener kommt, der ihnen ihre Schulden berappt.

Det Wunderserd uff de Jricbenowstraßc, det
lesen, schreiben un rechnen kann, habe ick mir
natierlich ooch anjesehen. Wirklich 'n scheniales
Viech! Ufs'n Herbst soll et Klavierstunden kriejen
un in't nächste Jahr wird et det Refcrendarexamcn
machen. Jroßartig entwickelt is ooch sein Jernchs-
sinn. Et kann 'n Schutzmann von'n Wachmeester
unterscheiden. Bloß bei'n Berliner Jeheimrat is
et ncilich 'rinjeschliddert. Dem jab et sor'n rus-
sischen Jeheimspitzcl aus, wat for deui Jaul ja
'»c jroße Blamasche, for den« Jeheimrat aber
sehr schmeichelhaft soll jewesen sind.

Womit ick verbleibe mit villc Jrieße dein jetrcier
Jotthilf Ranke,
an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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