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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0291
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— 4516

Der arme

Armer Mann, mit deinen Leiden
Geht es nunmehr bald zu Ende,

Denn es treten ja zusammen
wiederum die Parlamente.

In den Parlamenten hast du
Lauter gute Freunde sitzen,

Die allein zu deinem Wöhle
Täglich reden dort und schwitzen.

Sieh' dort rennen um die wette
Junker, psaffen und auch protzen
Voller Lifer, um dem Schicksal
Deine Wohlfahrt abzutrotzen.

And daß dir in Zukunst niemals
Auch nur das Geringste fehle,
wollen sie kurieren gründlich
Dich zugleich an Leib und Seele.

Mann.

Armer Mann, sei nicht begehrlich,

Sei geduldig und zufrieden,

Glücklich, wem auf dieser Lrden
Solch' ein schönes Los beschieden!

Früher rief das rauhe Schicksal:

„Armer Mann, mußt darben, borgen!"
Jetzo bist mit einem Male
Gegenstand du zarter Sorgen.

wie mit holden, süßen Worten
Liebreich dich die Pfaffen speisen!
wie die Junker und die protzen
Lassen tönen sanfte weisen!

Ach, du wüßtest wahrlich nicht mehr,
wie dies Glück all' zu ertragen,
wenn dazu nicht gar vernehmlich
Anurrte seinen Baß dein Magen! a.t.

€ine Heldentat.

Nun endlich bat das Blättchen sich gewendet,
Die Russen haben einen Sieg errungen!

Gin Dankgebet sei Uäterchen gesungen,

Und eines sei zum Bimmelszelt gesendet.

Der Feind hat angsterfüllt die Flucht ergriffen,
Die Nordsee ward von seinem Blut gerötet,
Und von den Russen nicht ein Mann getötet!!
Das Glück steigt auf ob Russlands Panzer-
schiffe».

Das heisst noch ein Erfolg! Nach wenig tagen,
Nachdem voll Furcht der Beimatstrand ver-
lassen,

Dürft’ man schon kühn an dieRanonenfassen,
UJard schon der Feind in wilde Flucht ge-
schlagen.

Und wurde auch nur armes Uolk getroffen,
Barmlose, friederfüllte Fischersleute,

So zeigt die Ostseeflotte doch schon heute,
UJieviel von ihr im gelben Meer zu hoffen.

Zieht denn nach Asien, ruhmbedeckte Beiden,
Mit den von Sischerblut genetzten Bänden...
Dort könnt ihr Rinder morden, Frauen schän-
den,

Und in die Beimat grosse taten melden!

€rid) niül)$am.

berliner Straßen leben.

Große? Aufsehen erregte kürzlich in Berlin ei»
Alaun, der sich ohne das geringste Zeichen heiliger
Scheu an einen städtischen Straßenfeger mit der
Frage nach dem Wege wandte. Auf die Gegen-
frage des Straßenfegers, ob der Unbekannte denn
über eine Bescheinignng der königlich preußischen
Regierung verfüge, daß er Angestellte der Stadt
Berlin in dieser Weise in Anspruch nehmen
dürfe, machte der Mann ein so blödes Gesicht,
daß alle Zeugen des Vorfalles sofort an seiner
Zurechnungsfähigkeit Zweifel hegten.

Leider war kein Schutzmann in der Nähe, der
sich des Verdächtigen annehmen konnte, und so
gelangte er bis zu einem der mehrfach vorhandenen
Häuschen, die sich auf achteckiger Basis bis zu
einer Höhe von etwa drei Metern erheben und
einen intensiven Desinfektionsgernch ansströmen.
Der Fremde wollte sich durchaus den Eintritt in
dieses städtische Gebäude erzwingen, ohne auf den
Einspruch des dort postierten Negierungsbeamten
zu achten, der den Zutritt vom Nachweis der
preußischen Staatsangehörigkeit und Zugehörigkeit
zur konservativen Partei abhängig machte.

Hieraus entspann sich ein großer Auflauf.
Ein Straßenpassant kam nun ans den glänzenden
Einfall, zur Zerstreuung des Auflaufs die Feuer-
wehr zu alarmiere». Als er jedoch am nächsten
Feuermelder anlangte, wurde ihm von dem dort
postierten Beamten klar gemacht, daß die Feuer-
wehr von der Stadt Berlin bezahlt würde und
deshalb zu jeder Alarmierung erst die Erlaubnis
der Aufsichtsbehörde nötig sei.

Der Mann, der den ganzen Tumult veranlaßt
hatte, war inzwischen in den Straßenschlamm
gefallen und über und über beschmutzt. Er eilte
nach einer städtischen Badeanstalt, uni sich zu
reinigen. Hier aber sagte mau ihm, daß er eine
durchaus böhmische Nase habe und deshalb auf
Anordnung des Kultusministeriums abgewiesen
werden müsse, da eine Kreuzung zwischen böh-

mischem und deutschem Ungeziefer dem Deutsch-
tum unbedingt schaden müsse.

In voller Wut rannte der Mann nach dem
Nathause, um sich an kompetenter Stelle zu be-
schweren; aber der den Eingang bewachende
Nuntius erklärte achselzuckend, daß in einer Stadt
mit Selbstverwaltung ganz besonders das Rat-
haus nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsbehörde
betreten werden dürfe.

Jetzt bekain der Fremde einen Tobsuchtsanfall
und man schaffte ihn nach einer städtischen Irren-
anstalt. Hier konnte er aber keine Aufnahme
finden, da der Nachweis nicht zu erbringen war,
daß er in Berlin seinen Unterstützungswohnsitz
hatte.

Während man noch verhandelte, machte ein
Gehirnschlag plötzlich den Irrfahrten des modernen
Odysseus ein Ende. Auf dem städtischen Zentral-
friedhof sollte er beerdigt werden, aber man wies
ihn dort mit der gleichen Begründung wie in
der Irrenanstalt ab, und so fanden seine sterb-
lichen Überreste endlich auf dem türkischen Be-
gräbnisplatze in der Hasenheide die letzte Ruhe,
nachdem es glücklich gelungen war, die Berliner
Selbstverwaltung vor seinen vielfachen Angriffen
zu bewahren.

Piefke: Det Budde noch Minister bleibt un
nich Fabrikleiter bei Krupp werden will, hat
alljemeine Befriedijung hervorjerufen... .

Lehmann: Det stimmt nich! Frage dadrieber
den ersten besten Eisenbahner!

Piefke: Quatsch doch nich, laß mir doch aus-
reden! . . . hat alljemeine Befriedijung hervor-
jerufen bei sämtliche Kruppschen Arbeeter.

Lehmann: Uff die Art kannste Recht haben!

Piefke: Weeßte schon? Schulze hat'n Jeist
uffjejebeu.

Lehmann: Wat? Erst vor'» paar Tage Ham
wir zusammen jekneipt un uu is er bot?

Piefke: Nee, bot is er nich, Abstinenzler is
er jeworden!
 
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