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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0322
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4547

jm Berliner Oergarten.

„Na, Moppel, was heulste denn? Wir sind doch noch nicht an der
Siegesallee?"

M ftobelfpäne. *•©

Der Rubel reist noch immer
Wie schon seit langer Zeit
Und macht bei uns die Runde
Mit seiner Verderblichkeit.

Und tausend schuititz'ge Kosaken,

Die stecken ihn gierig ein,

Um dann in ihren Blättern
Ein Vivat für Rußland zu schrei'n.

Wann wird das Volk begreifen,

Wie man ihm hier spielt mit,

Und den Kosakeublättern
Versetzen den letzten Tritt?

750000 Rebhühner sollen jährlich in Deutschland an Telegraphendrähten
zugrunde gehen. Und dabei ist der Schaden, den das Telegraphieren
sonst noch anrichtet, gar nicht mitgerechnet..!

O arme sündige Menschheit,

Wer zählt deine Leiden all?

Dort drüben Hölle und Teufel,

Hierüben die Zuchthausqual!

In dem russischen Verfassungseutivurf findet sich folgendes „Fun-
damentalgesetz": „Die Minister sind für die Handlungen des Kaisers
verantwortlich." Wenn aber die Handlungen des Kaisers ganz un-
verantwortlich sind — was dann?

Der Mensch, in Ketten geboren, Doch anders müssen fassen

Frei bleibt er darum doch, Wir es entsprechend heut:

Sagt Schiller, und mancher Brave, Gar mancher, in Ketten geboren,
Der glaubt dies Sprüchlein noch. Bleibt drin auf Lebenszeit.

„Reichsgcwalt ist Seegewalt." Nach dieser Gleichung ist unsere Reichs-
krankheit Seekrankheit. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die Toten an die Lebenden.

Den Loyalen im österreichischen Neichorst.

Dort i(I’« wahrlich jetzt geworden,

Die Gebeine auszugraben
Jener Opfer, die den grausen
Hentzrrsivd erlitten haben.

Damals, acht- und neunundvierrig,

Mit der Lugel, mit dem Strange,

Mn der Wien und an der Donau,

War die Metzelei im Gange.

Robert Blum, des deutschen Vvlllrs
Treuer, trefflicher Verlreler,

Fiel aus der Vrigiltenaue
Schmählich als rin Hochverräter,

Dem in seinem Heimatlandr
Noch kein Denkmal steht, das erzen,
Doch es lebt sein Angedenken
Fort in seines Volkes Herzen.

Von Kosaken und Kroaten
Ungarn ward verheert, das schöne,

Wo als Henker hat gewütet
Hagnau, jene Mordhgäne,

Der die tapfersten der Helden,

Dir in seine Hand gegeben,

Vier zu Pest und dort zu Arad
Schmählich lieh am Galgen schweben.

Sammelt das Gebein der Helden,
Bleichend in des Grabes Bette,

Tragt hinein es in den Reichsrat,
Bildet eine Schädrlstätte.

Angesichts der weißen Schädel,

Zu des Hochgefühls Belebung,

Mögen kommen die Loyalen

Zur Logalitätskundgrbung. a.t.

Piefke: Wozu et eijentlich eene Berufungs-
instanz jiebt? Det Berufen nützt doch unberufen
jarnischt!

Lehmann: Aber Mensch, wie sollte et denn
der Staatsanwalt anstellcn, wenn er 'n schwereres
Urteil kriegen möchte?

Piefke: Da haste wieder recht. Die Berufung
muß also erhalten bleiben.

Lieber Jacob!

Wat so'» Berliner Stadtvater is, der hat seine
Sorjen — det is sicher! Nu weeß zum Beispiel
der Majistrat wieder nich, wie er die fimsunvierzig-
tausend Märker kleeu machen soll, die in't jrauc
Kloster for hilfsbedirftije Schüler vorhanden sind.
Arons mecnte in de Stadtverorntenversammlung,
de Schulräte sollten sich doch mal bei den ersten
besten sozialdemokratischen Arbeeter erkundije»,
der wirde se schon 'n juten Rat jeden kennen.
Det is 'n Bleedsinn. Een so vornehmes Institut,
wie de Berliner Stadtverwaltung, wird sich doch
nich mit det niedere Volk vermeugclieren? Det tut
man heechstens bei de Stadtverornteuwahlen, un
ooch da merschteuteels ohne Erfolg. Un wat ver-
steht denn 'u Arbeeter von de hehere Berliner
Kommnnaldiplomatik? Da jeheert 'n feinererKopp
zu. Wie ick Heere, hat Jacoby, der ja durch de
Straßenbahnjesellschaft inimer Beziehungen zu
hehere Kreise unterhält un ooch sonst 'n unent-
wegter Liberaler is, schon 'n Vorschlag ausje-
arbeetet. Det Jeld, det nich zu'n Bau von 'ne
Villa for dem Jimnasialdirekter verwendet werden
kann, soll nämlich zum Aukoos von mehrere tausend
Dutzend Talglichter dienen, die bei Kaisersjeburts-
tag an hilfsbedirftije Schüler verteilt werden,
damit det se illuminieren kennen. Wer in Relijon
„jut" hat un den Sang an Ägir'n aus 'n Kopp
singen kann, kriegt 'n janzes Dutzend, de andern
'n halbes. Un for den Rest werden Tribienen-

billjets zu de nächste Parade anjckooft un eben-
falls an de hilfsbedirftije Jugend jratis abjejeben.
Det hebt den Patriotismus — wat heitzutage
sehr neetig is — un wird de Berliner Stadt-
verwaltung oben — ick meenc im Hiunnel —
zum Sejeu jereichen!

Denn det det Jelo etwa jar for sojenanntc
soziale Uffjaben verwendet werden sollte, wäre
eenfach lächerlich, da ja de janze soziale Frage
bestimmt noch in diesen Monat jeleest werden
wird. Jraf Douglas hat in't Abjeorntenhaus
schon den Antrag jestellt un er is ooch jleich 'u
Ausschuß ieberwiesen worden. Sobald nn de
„Kommission for Volkswohlfahrt" rvird zusammen-
jetreten sind, jibt et kecne Not un feen Elend nich
mehr, un ferne Tuberfcloscn un feenc Sisilitische
un ferne Jeistesschwache in un außer det Ab-
jeornteuhaus, uu keene Seifer un keeuc entlassene
Sträflinge un keene jefallene Mächens »ich, son-
dern bloß noch Kinderbewahranstalten, freiwillige
Feierwehren un Pastor Bodclschivingh! Det
ick det Jlick noch uff meine alten Tage erleben
muß, macht mir orntlich jeriehrt. . ..

Ooch sonst leben wir oogenblicklich in 'u joldenes
Zeitalter, wo de Humanität in inimer iveitere
Kreise um sich frißt. Davon hat ja det Dessauer
Kriegsjerichr wieder mal 'n scheenet Beispiel je-
jeben. Zwee Soldaten, die sich jejen 'n besoffenen
Unteroffizier wehrten, der se mit jezogene Plempe
an't Leben wollte, wurden 31t je fünf Jahre Zucht-
haus verurteilt. Aber sc brauchen sich nischt draus
zu machen. Denn der Vorsitzende von't Kricgs-
jericht hat ihnen expreß un feierlich bestätigt, det
in de dcitsche Armee jeder Soldat det Recht zur
Notwehr ooch jejen 'n Vorjesetzten hat. Det hat
er, verbrieft un versiejelt — un de fimf Jahr
Zuchthaus hat er noch so nebenbei!

Womit ick verbleibe mit villc Jrieße dein jetreier
Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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