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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0338
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45G3 »—>-

Lin schöner russischer Zug.

vom Zeichner des „wahren Jacob" selbst beobachtet und „in einem Zuge" festgehalten.

M DoveWSne. eT

Es lebe die Sozialistenhetz'!

Jetzt kommt der Bischof Beiizler von Metz!
Entdeckt hat dieser große Mann,

Wie man die Roten vernichten kann.

Ganz einfach: es wird im Gebet
Des Himmels Hilfe angefleht.

Daß auf die Sozialistenbrut
Es Pech und Schwefel regnen tut.

So wird vom Umsturz die Welt befreit!
probatum 68t. O große Zeit!

Als dem Zaren vorgehalten wurde, daß
^ tzbr Krieg noch Rußlands ganzes Menschen-

material verschlingen könne, sagte der Friedensfürst: Dann will ich
zur rechten Zeit Einhalt gebieteir — es müssen uns doch Leute
bleiben, die wir nach Sibirien verschicken können!

In England zieht man den Soldaten
Jetzt ihre schlechten Zähne aus.

Ein neu Gebiß ziert jeden Mund dann.

Und stolz trägt's der Soldat nach Haus.

In Deutschland war' so 'ivas zum Lachen;

Zwar würd's der Mannschaft wohl behagen,

Jedoch wozu? Es würde ihr nur
Im Dienst bald wieder — eingeschlagen!

Der Großherzog von Mecklenburg leidet so große Not, daß er gar
nicht mehr standesgemäß, sondern nur mehr' notstandsgemäß
zu leben vermag.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die lustige Sieben.

Sieben Juristen saßen einmal
Voliernd in einer Nische.

Lag bas blinliende Silber »nb Gold
Uns und unter dem Tilche,

Kam der Kellner, der arme Tropf,

Ihnen zu sehr in die Mähe,

Tlog ein Rinfinarkslück ihn: an den Kopf,

Daß nicht länger er spähe.

Sieh' dort den eifrigen B’olicriff,

Schmücken ihn Titel und Drdc»,

Spielend ist er, ganz ohne Aiüh',
Dkerstaatsanivalt worden.

Spielend stieg er »och höher hinauf
Auf der Leiter, nun ist er
Unerkannte Stühe des Staats,

Trzellenz, Ltaatsminister!

And wer es wagt, feine Autorität
Nrechlich herabzuzerren,

Den läßt er ohne Gnade sofort
ööinler das Gitter sperren.

Den läßt er schleppen vor's Tribunal,

Wär' er auch noch so gerieben,

Spricht ja sein Arteil ihm, „streng doch gerecht",
illrompt stets — die lustige Sieben! e. f.

Äelscnkirchen.

Wohltätig ist des Wassers Macht,

Wenn sie durch's „Stichrohr" wird gebracht,

Wenn Salamander sie und Aal
Dem Konsument mitbringt im Strahl.

Er hat dann, welch' honetter Brauch,

Zum Trinken gleich das — Essen auch! h.k.

Meine liebe veritabel Jacques
Ick ab geles mit große Verwunderunk von
fabelhafte Aufsehen über S0000ste erlekte
Creatur. Ist gar nix Besonderes. Ab ick
mindestens 3 Millions Creatnrs schon erlekt,
Chörubin Dupont
Wanzen-Vertilger

Paris, Rue Mouffetard, Nr. 136, 5. Etage,

Lieber Jacob!

Ick jloobe, et jibt oogenblicklich in de janze
Welt keenen Menschen nicl), der mit sich so
zufrieden is, wie unser amisanter Reichskanzler,
der Jraf Büloiv, Er sagt mit Stolz, er ärjert
sich nie, er ärjert immer bloß de andern. Det
letztere is janz jewiß richtig, un ooch det erstere
kann man ihn jerne jloben, wenn man sein
wohlhabendes Jriebchen un seinen staats-
erhaltenden Fettpansck) sieht, die doch bloß det
Resultat von eine sehr heitere Jemietsanlage
sein kennen. Der Mann versteht sein Leben
zu jenießen! Mit allens, wat in't teire Vater-
land un in de nmliejenden Derfer passiert, is
er von janzem Herzen inverstanden. De Priejel,
die mir von de Hereros besehen, findet er jlor-
reich, de Backfeifen, die in'n Keenigsberjer
Prozeß der Rejierung verabfolgt wurden,
scheinen ihm bloß uff juristische Meinungs-
verschiedenheiten zu beruhen, sojar aus die
sonst for ziemlich unjenießbar jeltenden Russen
weeß er Honig zu lecken, un die Sozialdemo-
kratie macht ihm »ich de jeringste Bange, im
Jejenteil, se entfesselt in seinen reich bejabten
Busen de scheensten Talente for volkstiemliche
Komik. Bei Bülow'n seine Etatsrede jejen
Vollmar soll der Reichstag det reene Lach-
kabinett jewesen sind. Der edle Jraf machte
die neetije Mimik un det vornehme Publikum
von det hohe Haus wollte sich vor Wonne
auskrempeln. Un dabei hat er diesmal die
meisten Witze selber jemacht, nur einije stammen

von den ollen Wrangel, der ja ooch 'n lustijer
Staatsmann war, von Bismarck'n un aus den
Büchman».

Aber wat hilft ihn dat allens? De Sozjal
demokratie hat er ja nu allerdings mit seine
tödlich wirkenden Jeistesblitze bis uff den letzten
Mann umjebracht, aber det Defizit kann er
nich wegkalauern. An dieselbe Stelle, wo
Bülow die jroßartijen Witze von sich gab,
hatte kurz vorher Stengel seinen finanziellen
Trauermarsch jeblasen. Der Mann kommt
eben aus'n Süden un kennt den preißischen
Humor noch nich so. Sonst hätte er nich so
'n Jeklöhne anjestimmt von wejen die paar
lausijen Kröten, die wir nich haben. Zu 'ne
wirklich feudale Wirtschaft jeheeren ooch Schul-
den. Det kennte er von jeden Ajrarjer er-
fahren, wenn er et noch nich weeß, Un wat
is denn weiter dabei zu riskieren? Wenn alle
Strippen reißen, wird 'ne Hypothek uff de
Siejesallee uffjenommen, oder villeicht versucht
et Stengel mal mit 's Pokern, bei det sein
oldenburjischer Kolleje Ruhstrat dock) so ville
Jlick jehabt hat. Un außerdem schwimmt unsre
Zukunft ja überhaupt uff 'n Wasser. Ick
meene Banderbilt'n, dem beriehmten ameri-
kanischen Milljoneser, dem se zum Sekretär
bei de Berliner Botschaft ernannt haben. Der
Mann is schon unterwejens un bringt 'ne Molle
Kies mit un pumpt sicher so ville, als wie wir
bloß brauchen. Denn er wird sich doch fern
for det sck)eene Denkmal revanschieren wollen,
wat sein besticktet Vaterland von uns je
schonten jekriegt hat. So 'n Reiterstandbild
von Roosenveld'n in Jold jejossen wäre jar
nich unjinstig — erst uff'n Lustjarten zum Ver
jniejen, un denn in de Minze zu nitzliche Ver-
wendung,

In diesem akijenehztzen Sinne winsche ick
Dir un Deine Familje 'n frohet neiet Jahr.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein'
jetreier Jotthilf Rauke

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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