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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0030
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Von Llara Müller.

4598

Der heilige Krieg.

So ward der Riesenkampf begonnen,

In dunkle Schächte fiel das Licht.

So lange geht der Urug zum Bronnen,
Bis ihn das Uebermaß zerbricht.

Nun gilt's, der blinden Welt zu zeigen,
wie sich die Uraft vom Joch befreit
In dumpfem, deutungreichem Schweigen
Stehn L)underttaufende zum Streit.

Das ist kein Ringen der Parteien,

Rein frevles Spiel aus Größensucht,

Den Menschen gilt es zu befreien
Von eines Untiers Prankenwucht.

Und fromme Lhriftgebete einen

Sich mit dem Schrei nach Licht und Luft:

Des Lebens klare Sonne scheinen

Soll endlich auch in Bergmanns Gruft!

Sie stiegen aus der Nacht der Nächte,
Aus sonnenlosem Sein zu Tag. . .

Die Fessel klirrt am Arm der Unechte
Und sprüht und bricht im L^ammerschlag.
Lin junger Riese dehnt die Glieder
Und spricht dem goldnen Götzen Hohn:
Die Uraft des Volkes reißt ihn nieder
von seinem blutgeschweißten Thron!

Der letzte Hader ist vergessen,

Der Arbeit großer Tag beginnt:

Lin Zukunftskamxf! Lin Uräftemeffen
von Wintereis und Frühlingswind!

Die Zeiten rollen! Blumen sprießen,
wo einst die schwarze wüste schwieg . ..
Und ohne Schuß und Blutvergießen
wird euch im heiligen Urieg der Sieg!

2wei Könige.

3erome hieß dereinst der König
In dem schönen Land Westfalen,

Der sich mit Regierungsarbeit
Schuf nicht allzuviele Dualen.

Übermütig tat der König
Sich in rotem Weine waschen,

Diesen tranken gute Bürger
Abgezogen dann auf Zlaschen.

Da er liebte sehr die Weiber
Rahm des Hofes Kammerkätzchen,

Die verkleidet sich als Männer,

Mit auf Reisen er als Schätzchen.

„Morgen wieder luftik!" rief er,

Wenn die Lustgenoffen gingen,

Db auch schwere Donnerwolken
Droben schon am Himmel hingen.

Lang hat er es so getrieben
Und das Volk mußt' alles zahlen,

Bis er ging — jetzt herrscht ein andrer
König in dem Land Westfalen.

Seine Majestät Herr Stinnes
Bon Kapitalismus' Gnaden
will als absoluter Herrscher
Walten jetzt in jenen Staaten.

pfeift auf alle Proletarier
Und des Klassenkampfes Führung,
pfeift auf Interventionen
von der preußischen Regierung.

von Ratur so reich gesegnet,

Armes schönes Land Westfalen,

Diese beiden Kön'ge haben

Doch gemacht dir manche Dualen! y.zi.

Schlimme Zeiten.

Was halt' wohl zu bedeuten
Jüngst der Kartätschenschuß,

Der in das Schloß des Zaren
Gesandt als Morgengruß?

Es zeigt' der Schuß ganz deutlich —
Graf Bülow sei's geklagt
Daß in solch schweren Zeiten
Sogar die Garde versagt!

Der arme (Zrbe.

Der Zar: Ich bitte, mich mit den verwegenen
und frechen Forderungen des Pöbels zu verschonen
— ich will meinem Sohn sein Erbe voll und
ganz erhalten!

Der letzte Ritter.

Auf Klein-Tschirne, der Burg seiner Väter,
aber hausete der Gras Pückler, und ward an-
gesehen als der frumbsten und einfältigsten
Einer unter den teutschen Junkern.

Und es begab sich, daß an ihn der Ruf des
Geistes erging und redete also: „Wohlauf, mein
Sohn, entäußere dich deiner Würde und nimm
Knechtsgestalt an und zeuch hinab auf die Märkte
und Plätze des sündigen Berlin und predige
dem Volke den heiligen Kreuzzug wider Israel."

Uitd der fromme Junker folgte dein Rufe,
legte ab alle seine gräfliche Feinheit und ward
in Reden und Gebärden als ein Stallknecht
befunden.

Er zog umher wie ein brüllender Löwe und
tat gewaltig sein Maul auf. Und das Volk
Israel entsatzte sich, und der ärmste Schnorrer
zitterte und der reichste Kommerzienrat, und
der rote Manasse ward weiß vor Furcht und
Schrecken. Auf der Börse aber erhub sich
großes Jammern.

Und man erinnerte sich an alle die Geißeln,
die der Herr schon vordem gesandt hatte wider
Israel: an die mörderische Bratpfanne des
Antiochus, an Stöckers grausame Eide und
an die Hosen Ahlwardts.

Aber was waren alle diese Greuel, ver-
glichen mit dem Wüten des grimmigen Dresch-
grafen, der mit einem einzigen Worte seines
Mundes eine Legion von teutschen Flegeln in
Bewegung setzte?

Und der sich nicht fürchtete in seinem Un-
gestüm vor den Richtern des Landes, sondern
anschnauzte mit lauter Stimme die Schergen
und die Staatsanwälte, und wacker um sich
hieb, da man ihn sahen wollte, und mit der
Pistole bedrohte die, so ihn verurteilt hatten.

Ünd als, begeistert von seinen Reden, ein
jüdischer Juwelier ihm das Nasenbein zer-
schlug, da wankte und wich er nicht, sondern
jammerte nur ein weniges, beklebte sich das
Antlitz mit Heftpflaster, ließ aber das Mund-
loch frei und schimpfte lauter als zuvor.
 
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