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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 22.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.6368#0031
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4599

Pour le mdrite.

Iwan: Büloivchen, das Öl tut mir wohl auf meine Wunden.
Bülow: Za, es ist auch aus der Hofapotheke!

DoveWäne. es

Aktionäre, Millionäre
Mit dem Geldsack voll und groß:
Die Coupon-geweihte Schere
Sinkt euch rostend in den Schoß,
Mögt ihr euch die schwarzen Kohlen
Selbst aus euern Gruben holen,
Wollt ihr daraus ohne Spesen,

Euch die reichen Schätze lesen!

Lang genug habt ihr betrogen
Arme Leute, habt genullt,

Habt gespannt den straffen Bogen,
Bis vorbei war die Geduld,

Heil! Glückauf! Dir starkbeherztem
Bergvolk! Heiß ist das Gefecht!

Doch aus deinem rußgeschwärzten
Auge blitzt dein gutes Recht!

Der Ausdruck „verdingen" kommt wohl daher, weil die Jnstleute
und Landarbeiter durch das Verdingen bloß ein — Ding werden.

Der Junker in seinem Königreich,

Peitscht seine Knechte den Hunden gleich.

Und das Oberverwaltungsgericht
Erkennt, daß alles in Ordnung sei,

Denn der Sklave ist Sklav' und der Herr ist frei,
Und ein drittes gibt es nicht!

Auch wir, wir peitschen das Landvolk — und wie! -
Empor aus seiner Lethargie,

Wir peitschen es empor mit Wucht . . .!

Und dem Junker graust's, sieht rings im Land
Er aufgepeitscht des Hasses Brand,

Und er schimpft und wettert und flucht!

Der dornigste Weg, den ein Landarbeiter gehen kann, bleibt immer
der Rechtsweg. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Das teutsche Volk aber war mit Blindheit
geschlagen und seine Obrigkeit wußte nicht,
was sie tat. Sie fingen den Auserwählten
des wahren Deutschtums und schlugen ihn in
Bande und verdonnerten ihn zu sechs Monden.

Aber etwelche Gerechte gab es noch im Lande,
die da hofften in ihrem Herzen, der Herr werde
sich des letzten Ritters erbarmen und die
Obrigkeit erleuchten, auf daß sie ihn beizeiten
für verrückt erkläre. j. s.

Buschiade.

Seht, nach hergebrachten Bräuchen
Sitzen mit gewölbten Bäuchen
In des Zirkus Busch Rotunde
Wieder die vom Landwirtsbunde.

Und es kräht durch die Arena:
Vaterland, du fährst nach Jena!

Ja, du fährst aus schiefer Bahn! -
Ganz besonders kräht der Lahn.
Limburg-Stirum ihm zur Seite
Zetert im Diskante: Pleite!

Und es singt denselben Reim,

Oldenburg und Wangenheim.

Nie war jemand so in Nöten;

Aus dem letzten Loche flöten
Alle Lerrn vom Grundbesitze:

Die Schwerins und Kanitze.

Am die Landwirtschaft zu retten.

Klopft Lerr Örtci seinen fetten
Bauch; — es glänzt die weiße Weste
Und er ruft: „Mir scheint, der beste
Ausweg aus der Lungerhölle
Sind erhöhte Gerstenzölle!"

Lei, wie da der Raum erschallt
Von des Beifalls Sturmgewalt! —

Aber Ortet redet weiter:

„Auch die Laferzölle", schreit er,

„Sind erheblich zu erhöhn!"

Wieder braust ein Beifallsföhn.

Bravo! ruft man. Leil! und Prost!
And der ganze Zirkus tost!

Doch Lerr örtel unverdrossen
Spricht den jubelnden Genossen
Von den hohen Schutzzollreizen
Noch für Roggen und für Weizen!
„Sonst geht Lopsen futsch und Malz!
Loch Ostelbien! Gott erhalt's!" —
Lang wird hin- und hergeredet.

Die Regierung angefehdet,.

Die die Landwirtschaft verrät
And auf Mittellinien geht.

Ach, die Wucherzölle Bülows
Nennt man ruppig und gefühllos.
Wird's nicht baldigst anders schon.

Ist der Schluß: Revolution! —

Sieh dich vor, o Land der Väter,

Lern' es früher oder später:

Mit den Junkern von der Rechten
Ist's nicht leicht, den Bund zu flechten!
Mit Lurrah und Donnerwetter
Tagen so die Landesretter,

Ernst gefaßt auf den Ruin. —

Nachts „studiert" man dann Berlin.
Amor muß die Karten mischen.

Und den Unterschied verwischen.

Der noch trennt so manchen Stand
In dem deutschen Vaterland.

Selbst die braunen Notstands-Lappen
Tut man gern ans „Volk" berappen...
Davon, wie dies Werk gedeiht.
Schweigt des Sängers Löslichkeit!

Erich Mühsam.

Lieber Jacob!

Nu hat et sich also doch 'rausjestellt, det die
Schauerjeschichten von de Heldentaten des
russischen Jeneral Stöffel in Port Arthur zum
jreeßten Teil jestunken un jelogen jewesen sind.
Wie der jeseierte Krieger det heechste Ziel seines
Daseins errungen un aus Berlin 'n Orden be-

kommen hatte, haben de Japaner ihn als 'n
Renommist un Jroßmaul jewehnlichster Sorte
festjenagelt. Jedenfalls is et im Jntresse der
Humanität erfreulich, det die anjeblichen zehn-
dausend Russenleichen in Port Arthur „kalter
Uffschnitt" des Jenerals Stöffel waren.

Der Bergarbeeterstreik in't Ruhrjebiet hat
natierlich ooch mir, abjesehn von sonstije all-
jemeine Bekimmernisse, manche Haus- un
familjenväterliche Sorjen jemacht. Det Brenn-
materjal is dieset Jahr so wie so kaum noch
zu erschwingen un dabei sängt et jetz erst ornt-
lich an kalt zu werden. Aber ick will als
Menschenfreind fern 'n paar Wochen frieren,
wenn et bloß jelingt, die Milljonenprotzen von'n
Bergbauverein mal orntlich un feste „inzu-
heizen"! Un ick hoffe, dazu wird et trotz de
Kahlennot schließlich noch langen.

Ooch sonst mangelt et in diese unanjenehme
Jahreszeit an allens meejliche. Namentlich an't
Jeld. Un da war et 'n janz feiner Jedanke
von de Reichsrejierung, jrade jetz de neien
Halbmarksticke unter det Volk zu werfen. Aller-
dings lauer ick nu schon verjebenst mehrere
Dage druff: aber uff mir trifft noch immer
nischt — weder 'n neies, noch 'n altes, noch
ieberhaupt irjendwat aus det Minzsystem. Um
nu den chronischen Dalles zu bekämpfen, wollte
ick mir von det neie Restorang engaschieren
lassen, det jetz Reklamefresser jejen anjemessene
Enschädijung sucht. Ick hätte et sojar totale-
mang jratis jemacht. Det verlangte imponie-
rende Eißere fehlt mir ja, jottseidank, nich,
aber wie ick Heere, sind sämtliche Reklame-
fresserstellen bereits von unbesoldete Assessoren
un pensionierte Marinefähnriche besetzt. Daher
laure ick vorleifig weiter uff de neien Fuffzig-
pfennigsticke. . . .

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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